Unfälle in den Bergen:Wanderer halten Bergwacht auf Trab

Herbstzeit ist Bergzeit - doch viele Wanderer sind ungeübt und trauen sich zu viel zu. Schwere Unfälle häufen sich.

Christian Sebald

Das ist der Horror eines jeden Bergsteigers: Ein Fehltritt auf einem Steig, der Halt ist weg, der Sturz ins Leere. Genau das ist am vergangenen Wochenende einem Münchner passiert. Der 49-Jährige war mit Freunden am Watzmann unterwegs gewesen und stieg nun von der Südspitze ab. Über einer 150 Meter tiefen Felswand stolperte der Mann, er verlor den Halt, er fiel, der Sturz in den Tod erschien unausweichlich.

Unfälle in den Bergen: Ständig im Einsatz: Mehr als 1200 Mal rücken die Bergretter im Jahr aus, weil Wanderer und Kletterer Hilfe brauchen.

Ständig im Einsatz: Mehr als 1200 Mal rücken die Bergretter im Jahr aus, weil Wanderer und Kletterer Hilfe brauchen.

(Foto: Foto: dpa)

Doch dann - direkt vor dem Abgrund - blieb der Bergsteiger in einem Spalt hängen. In letzter Sekunde zogen ihn seine Freunde auf den Steig zurück. Der 49-Jährige erlitt nur eine Platzwunde am Kopf, Prellungen und einen Schock. "Er hatte unglaubliches Glück", sagt Franz Brandner von der Berchtesgadener Bergwacht. "An derselben Stelle ist vier Wochen zuvor ein Mann aus Baden-Württemberg tödlich abgestürzt."

Herbstzeit ist Bergzeit, zu Tausenden strömen Wanderer und Bergsteiger an schönen Tagen in die Alpen. "Ich war neulich selbst noch mal am Watzmann", sagt Karl Schrag, Ausbildungsleiter beim Deutschen Alpenverein. "Da waren garantiert 30 Kletterer in der Ostwand und oben auf dem Grat dürften es an die 200 Bergsteiger gewesen sein."

Bei einem solchen Andrang häufen sich die Unfälle. Es ist keine 14 Tage her, da meldete die Bergwacht fünf Tote - an einem einzigen Wochenende. Und die Berchtesgadener Retter haben heuer bereits zwölf tote Bergsteiger geborgen. "Das ist schon eine außergewöhnliche Serie", sagt Bergwacht-Mann Brandner. "Angesichts des optimalen Bergwetters und des Andrangs hier ist es aber kein Wunder, dass es auch Unfälle gibt."

Tatsächlich bewegt sich die Zahl der Bergunfälle in Bayern seit Jahren immer in etwa im selben Bereich. Zwischen 1249 und 1483 Einsätze pro Jahr listet die Bergwacht-Statistik seit 2004 wegen verunglückter Wanderer, Bergsteiger und Kletterer auf. Wobei die Mehrzahl der Einsätze nicht etwa abgestürzten Kletterern und Bergsteigern galt, sondern verunglückten Wanderern. Das schlägt sich auch bei den tödlichen Unfällen nieder: Von den 50 Bergtoten 2008 waren 31Wanderer, 15 Bergsteiger und vier Kletterer. "Zudem sind Alpinisten stets routinierte Leute, die sich auf ihre Touren sorgfältig vorbereiten."

Immer mehr allzu sorglose Wanderer

Es gibt aber noch eine Konstante. Ungefähr ein Drittel der Bergopfer, so hat der Alpenverein herausgefunden, sterben an Kreislaufversagen oder einem Herzinfarkt. "Das kann damit zu tun haben, dass sie an einer unerkannten Vorerkrankung leiden", sagt Alpenvereins-Mann Schrag. "Es kann aber auch daran liegen, dass sie sich überfordern."

Zwar gibt es keine genauen Erkenntnisse darüber, wie groß der Anteil der Wanderer und Bergsteiger ist, die sich allzu sorglos in die Berge wagen. Aber Fachleute sind sich einig, dass ihre Zahl wächst, allein schon weil Wandern und Bergsteigen von Jahr zu Jahr beliebter werden.

"Natürlich ist es toll, dass die Natur und die Bergwelt so geschätzt werden", sagt Thomas Rappensberger, Chef der Alpinen Einsatzgruppe an der Polizeiinspektion Garmisch-Partenkirchen und Bergwacht-Mann im Zugspitzort Grainau. "Aber es gibt halt auch immer mehr Leute, die trauen sich weiter vor, als sie sollten." Sei es, dass sie einfach nicht angemessen ausgerüstet sind, sich zu spät auf den Weg machen oder sich nicht ausführlich genug über Gehzeiten, Anforderungen und Besonderheiten des Geländes informiert haben.

Nicht ohne Bergkleidung

Auf dem Klettersteig auf die 2628 Meter hohe Alpspitze, dem Wahrzeichen von Garmisch-Partenkirchen, kann man das Wochenende für Wochenende beobachten. Zwar ist der "Alpspitz-Ferrata" ganz gewiss einer der einfachsten Klettersteige und auch für Anfänger geeignet.

Aber ohne Klettersteigset, Bergschuhe und Bergkleidung sollte man sich dennoch nicht auf ihn wagen. "Aber was hab' ich da schon Leute gesehen, die hier nichts zu suchen hatten", sagt Schrag vom Alpenverein. "Gott sei Dank kommen selbst die in den allermeisten Fällen wieder heil vom Berg herunter." Manchmal aber auch nicht.

Ebenfalls am Wochenende ist eine 68-jährige Frau am Mittag, dem Hausberg von Immenstadt, in den Tod gestürzt. Sie war beim Abstieg auf einem steilen und mit Laub durchsetzten Pfad ausgerutscht und stürzte mehr als 100 Meter in die Tiefe. Die Frau hatte Turnschuhe an.

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