Shoukrat Mitalipov:Klonen

Heilsbringer oder Frankensteins Vater? Der US-Biologe hat als Erster menschliche Embryonen geklont. Ein Gespräch über Mitleid, Gott und die Natur des Menschen.

Interview von Christina Berndt

SZ: Als erstem Menschen ist es Ihnen gelungen, das Menschsein zu kopieren. Sie haben vor zwei Jahren menschliche Zellen geklont. Aus normalen Hautzellen eines Kindes entstanden Embryonen, mit denen Sie eine Kopie des Kindes hätten züchten können. Erschaudern Sie nicht bei dieser Vorstellung?

Shoukhrat Mitalipov: Wir sind bis heute sehr stolz auf das, was wir da geleistet haben.

Aber Ihnen ist auch sehr kalter Wind entgegengeweht. Können Sie die ethischen Vorbehalte gegen Ihre Arbeit gar nicht verstehen? Sie greifen doch in das Innerste des Lebens ein.

Ehrlich gesagt: Ich habe sehr mühsam gelernt, mich in solche Debatten einzufinden. Zum Teil war das sehr schmerzhaft. Wir wurden mit harten Bandagen angegriffen. Wissen Sie, ich bin Wissenschaftler. Ich bin nicht wirklich bewandert darin, ethische Debatten zu führen. Ich sehe vor allem die guten Möglichkeiten, die meine Arbeit mit sich bringt, und weniger die ganzen Drohszenarien, die Kritiker aufbauen. Aber nachdem ich einige Fehler bei solchen Debatten über die moderne Wissenschaft gemacht habe, habe ich inzwischen sehr viel gelernt.

Was waren das für Fehler?

Es ist einfach schwierig, mit rhetorisch so versierten Leuten wie Ethikern zu diskutieren. Unser Fehler war: Wir haben immer auf sehr wissenschaftlicher Ebene argumentiert. Wir haben den Verstand der Menschen angesprochen, sie intellektuell zu überzeugen versucht. Dabei ist die Debatte in solche Eingriffe ins Leben emotional.

Und nun? Sprechen Sie jetzt mehr die Gefühle der Leute an?

Manchmal ja. Es geht bei unserer Forschung ja durchaus um emotionale Dinge. Wir tun diese Sachen doch, um Menschen zu helfen. Es geht uns nicht darum, mit dem Erbgut von Lebewesen zu experimentieren. Wir wollen Menschen mit Erbkrankheiten zu eigenem Nachwuchs verhelfen.

Und dazu entstehen auch schon mal Babys von drei Eltern.

Das wäre wunderbar! Aber so weit sind wir noch nicht. Bisher ist uns das nur mit Äffchen gelungen, wir haben in den USA noch keine Genehmigung, dies auch mit Menschen zu versuchen. Aber 2009 konnten wir die ersten Rhesusaffen präsentieren, die drei Eltern hatten: einen Vater, der seinen Samen gab. Eine Mutter, die eine Eizelle gab, aus der nur der Zellkern verwendet wurde, in dem ja der Großteil des Erbguts sitzt. Und eine zweite Mutter, die eine Eizelle gab, von der alles außer dem Zellkern verwendet wurde. Damals gab es auch schon Diskussionen, dass die Erschaffung solcher Wesen mit drei Eltern ein unmoralischer Eingriff in die Natur sei.

Und inwiefern haben Sie damals zu wissenschaftlich argumentiert?

Wir haben damals gesagt, dass die Äffchen nicht wirklich Drei-Eltern-Kinder sind. Die Kinder haben von der zweiten Mutter schließlich nur einen verschwindend kleinen Teil ihres Erbguts bekommen. Nicht einmal 0,2 Prozent, denn mehr als 99 Prozent des Erbguts befinden sich im Zellkern. Und die wenigen Gene, die sie aus der Eizelle ohne Kern bekommen, haben nur eine kleine Bedeutung für den Stoffwechsel. Sie beeinflussen nicht etwa wichtige Eigenschaften wie Augenfarbe oder Intelligenz.

Aber das hat nicht überzeugt?

Nein, das war ganz offensichtlich zu inhaltlich. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Radiosendung. Dort saß ich mit einer sehr professionellen, sehr kritischen Bioethikerin. Ich konnte mit ihrer philosophischen Argumentation überhaupt nicht mithalten. Aber inzwischen bin ich besser auf solche Diskurse vorbereitet.

Und wie?

Ich nehme jetzt mehr die Haltung der Patienten ein. Wir hatten ja immer den Plan, mit dieser Methode schwere Krankheiten zu verhindern, die bei manchen Frauen auf den wenigen Genen sitzen, die sich in der kernlosen Eizelle befinden. Wenn man von diesen Frauen nur den Kern der Eizelle nimmt und die übrigen Bestandteile von der Eizelle einer gesunden Frau, dann kann man die Krankheit beim Nachwuchs verhindern.

Damit Frauen mit solchen genetischen Problemen eigene, gesunde Kinder bekommen können, pfuschen Sie der Natur ins Handwerk?

Ja, schließlich wünschen sich auch Menschen mit solchen Erbgut-Defekten Kinder. Ich finde, dass es eine wesentliche ethische Haltung ist, solchen Patienten Hilfe anzubieten. Jeder hat ein Recht auf Behandlung. Und diese Menschen können dank unserer Methode eigene Kinder haben, wenn eine andere Frau nur ein bisschen Eizellmasse zur Verfügung stellt.

Shoukhrat Mitalipov has developed a procedure to help women conceive without passing on their genetic defects.

"Der Mensch kreiert schon seit Langem neues Leben mit seinen Händen": Shoukhrat Mitalipov.

(Foto: Leah Nash/The New York Times/Red)

Sie sind also mit ethischem Auftrag unterwegs?

Ja, ich betrachte es durchaus als moralische Pflicht, diese Forschung weiter zu betreiben. Ich bekomme häufig Mails von Menschen mit Gendefekten, deren Weitergabe sich durch unsere Methode verhindern ließe. Sie erwarten von uns, dass wir diese Therapie endlich bei Menschen probieren. Sie fragen: Wie lange wollt ihr noch weiterforschen, Jungs?

Als Sie 2013 zum ersten Mal Klone von menschlichen Zellen hergestellt hatten und dies in einer Fachzeitschrift publizierten, haben Sie dies sehr zurückhaltend formuliert. Sie haben nicht einmal das Wort "Klonen" benutzt. Man musste schon sehr genau lesen, um die Brisanz Ihrer Publikation zu erfassen. War das auch eine Folge des Lernprozesses?

Es geht uns ja nicht darum, ganze Lebewesen zu klonen. Wir wollen keine Babys erschaffen, die genetische Doppel ihrer verstorbenen Geschwister sind oder einen Ehemann ersetzen sollen. Das sind so boulevardeske Überdrehungen. Wir arbeiten auf der Zell-Ebene, wollen vielleicht eines Tages individuellen Gewebe-Ersatz für kranke Menschen etwa mit Parkinson oder Alzheimer herstellen. Deshalb rede ich nicht viel vom Klonen. Aber natürlich sind die entstandenen Embryonen Klone.

Und doch könnte aus den Embryonen, die Sie da in Ihrem Labor herstellen, auch ein Mensch erwachsen. Und der wäre der Klon eines bereits lebenden Menschen.

Ja, es gibt im Labor einen kurzen Moment, in dem der Embryo, den wir herstellen, lebendig wird. Aber dass dieser heranwächst, davon sind wir Meilen entfernt. Schon aus technischen Gründen: Wir haben solche Versuche auch mit Affen gemacht, und von den Affen haben wir tatsächlich versucht, Klone herzustellen. Aber es hat kein einziges Mal geklappt.

Wissenschaftler sind findige Menschen. Eines Tages wird es klappen. Und dann haben wir plötzlich doch genetische Double von Verstorbenen. Wiederauferstehung aus der Petrischale also.

Die Kritiker sprechen immer vom Dominoeffekt. Sie sagen, dass eine Grenzüberschreitung die nächste bedingt. Das muss aber doch gar nicht sein. Man kann doch als Gesellschaft Grenzen setzen. Man kann das Klonen von Babys verbieten, während man das Klonen zur Gewinnung von Zell-Medikamenten erlaubt. Ich finde es schon interessant, wie die Kritiker sich an diesen Dingen jahrelang reiben, obwohl die Menschen die Medizin haben wollen. Manche Bioethiker begründen eine ganze Karriere auf der Arbeit aus unserem Labor.

Mögen Sie das öffentliche Interesse auch irgendwie? Sie sind ja reichlich berühmt geworden damit.

Es hat zwei Seiten. Manchmal ist es gut. Schließlich benutzen wir öffentliche Gelder oder Gelder von Stiftungen. Und da kann Aufmerksamkeit schon dazu beitragen, dass mehr Mittel bewilligt werden. Auch ist es natürlich gut, den Geldgebern zu zeigen, dass wir produktiv sind und weithin beachtete Forschung machen.

Ist der Eindruck richtig: Eigentlich hängen Ihnen diese Ethikdebatten zum Hals raus, aber Sie wissen, dass Sie daran teilnehmen müssen, weil Sie sonst öffentlich zerpflückt werden?

Ich sehe das eher entspannt. Wir möchten diese genetische Therapiemethode entwickeln. Also müssen wir auch die ethischen Diskussionen führen. Das gehört dazu. Die Wissenschaft arbeitet ja heute nicht mehr im Elfenbeinturm. Sie wird sehr genau von der Öffentlichkeit und von mitunter extrem gut informierten Journalisten begleitet. Wir müssen uns engagieren, wir müssen erklären, was die Wissenschaft dahinter ist.

Manche Kritiker sagen, Sie spielen Gott, indem Sie neues Leben erschaffen, das von allein nie entstehen könnte, durch Klonen eben oder durch drei Eltern. Wie stehen Sie dazu?

Es liegt in der menschlichen Natur, neugierig zu sein. Und ebenso liegt es in unserer Natur, Mitleid zu haben mit Patienten. Wir möchten eine Behandlung anbieten, dazu müssen wir experimentieren. Das ist nicht Gott spielen, das ist zutiefst menschlich. Wir als Wissenschaftler haben ja die Möglichkeit bekommen, diese Dinge zu tun, zu denen wir fähig sind. Natürlich ist es wichtig, unsere Fähigkeiten zu einem guten Zweck einzusetzen. Aber ich glaube, es ist auch unsere Aufgabe, ja, unsere Pflicht, unser Fähigkeiten im Sinne der Menschen zu nutzen.

Zur Person

Shoukhrat Mitalipov, geboren 1961 in Almaty, Kasachstan, arbeitet in den USA als Biologe. Sein Genetik-Studium an der Staatlichen Agraruniversität in Moskau finanzierte er als Gitarrist in einer Coverband. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion fehlte ihm das Geld für seine Forschung, bis er 1995 ein Stipendium der Utah State University erhielt, wo er mit dem Erbgut von Kühen arbeitete. 1998 wechselte er an das Primatenforschungszentrum in Oregon und kreierte dort Affenbabys, die von drei Eltern abstammen. Erst vor Kurzem ging Mitalipov als Professor an der Oregon Health & Science University in Portland zur Forschung am Menschen über. 2013 wurde er weltbekannt, weil er als Erster menschliche Embryonen geklont hatte. Christina Berndt

Glauben Sie denn an einen Gott, der Ihnen diese Fähigkeiten womöglich gegeben hat?

Ach, wissen Sie, irgendwie glaube ich auch an Gott. Aber irgendwie auch nicht. Ich glaube mehr an die Evolution als an eine biblische Schöpfung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da jemand die Welt in einem Schaffensprozess kreiert hat.

Es gibt auch Ethiker wie den Briten John Harris, die sagen: Die Natur experimentiert viel stärker als jeder Wissenschaftler, sie ist grausamer. Und Sex ist erheblich gefährlicher als jede Genmanipulation, weil durch Sex ständig und überall auf der Welt kranke Kinder geboren werden. Spricht er Ihnen aus der Seele?

Ich bin völlig einverstanden mit dem, was er sagt. Eine gut kontrollierte Forschung birgt sicher weniger Gefahren als die Natur. Ohnehin kann man nicht alles verbieten. Hätten sich in den vergangenen Jahren immer die Kritiker durchgesetzt, dann hätten wir schlicht keinen Fortschritt. Menschen waren ja sogar gegen Eisenbahnen und den elektrischen Strom. Meiner Meinung nach muss es letztlich den Patienten überlassen bleiben, ob sie eine neue Methode nutzen möchten. Es können nicht die gesunden Menschen sein, die darüber entscheiden.

Für diese Ansicht könnten Sie wieder Ärger bekommen. In vielen Ländern wurden intensive Debatten darüber geführt, welche Forschung am menschlichen Leben erlaubt sein soll. Zuletzt haben sich die Briten im Mai nach einer jahrelangen öffentlichen Kontroverse für Drei-Eltern-Babys entschieden. Was haben Sie gedacht, als Großbritannien als erstes Land der Welt grünes Licht für Ihre Methode gab?

Ich fand es natürlich großartig. Ohnehin war das ein wirklich beeindruckender Prozess in Großbritannien. Die zuständige Behörde HFEA hat drei Jahre an der Entscheidung gearbeitet. Sie haben ein Gremium aus Wissenschaftlern und Ethikern eingerichtet, 300 Seiten mit ethischen Erörterungen zum Thema publiziert und eine öffentliche Debatte angeregt. Die Bevölkerung wurde extrem gut in den Prozess eingebunden. Ich wäre froh, wenn das in anderen Ländern auch so gemacht würde. Letztlich zeigt sich hier, dass die Ethik ebensolche Fortschritte macht wie die Wissenschaft. Sie überlässt gewichtige Entscheidungen nicht mehr nur den Fachleuten.

Haben Sie selbst eigentlich besondere Achtung vor dem Leben?

Was ist schon Leben? Schon eine Zelle in der Kultur lebt, ganz zweifellos. Für mich ist Leben vor allem ein biologischer Prozess. Er besteht aus Molekülen, die auf faszinierende Weise zusammenwirken. Der Mensch kreiert schon seit Langem neues Leben mit seinen Händen. Schließlich schafft auch die künstliche Befruchtung Leben, das es sonst nicht gegeben hätte. Als mit Louise Brown 1978 das erste Retortenbaby geboren wurde, gab es auch einen Aufschrei; man befürchtete das Schlimmste. Inzwischen sind weltweit fünf Millionen Kinder auf diese Art entstanden. So viele Leben wurden mit dieser Technologie kreiert! Die Menschen haben sich längst dafür entschieden.

Haben Sie selbst Kinder?

Ja, zwei. Sie sind 13 und 16.

Was war faszinierender: wie Ihre Kinder geboren wurden und aufwuchsen, wie also die Natur neues Leben erschuf - oder Ihre Kreationen im Labor?

Meine Kinder sind einfach ganz normal entstanden. Durch natürliche Fortpflanzung. Punkt. Das ist es ja gerade: Ich kann sie normal haben. Aber es gibt Millionen Menschen weltweit, die das eben nicht können. Und unsere Fruchtbarkeitsbehandlungen sind eine Lösung. Die Drei-Eltern-Behandlung ist im Vergleich zur gängigen künstlichen Befruchtung einfach nur der nächste Schritt. Hier wird statt Unfruchtbarkeit eine genetische Erkrankung behandelt. Ohne diese Behandlung kommen schwerkranke Kinder zur Welt, die unter Muskelschwäche, Blindheit oder Herzproblemen leiden. Aber wir können helfen!

Ist dieses neu entstehende Leben in Ihren Augen ein Wunder?

Nein, es ist einfach normal. Wir nehmen nur Sperma und Eizellen, vermischen sie und setzen sie einer Frau ein. Wie bei der künstlichen Befruchtung, nur dass es bei den Drei-Eltern-Babys Material aus zwei verschiedenen Eizellen ist.

Bisher wurde kein Drei-Eltern-Baby geboren. Wären Sie gerne der Erste, der ein solches Kind erschafft?

Ich freue mich über jedes gesunde Kind, das mit dieser Methode geboren wird. Aber natürlich wäre ich auch gerne dabei. Mein ganzes Labor hat wirklich große Expertise in dieser Technik.

Also werden Sie sich ein bisschen wie der Vater fühlen, wenn in Großbritannien das erste Drei-Eltern-Baby zur Welt kommt?

Na ja, nicht wirklich wie ein Vater. Aber sicherlich wie der Leiter eines Labors, das wissenschaftlich zu diesem Kind beigetragen hat.

Stolz werden Sie also schon sein?

Ja. Ja. Unbedingt. Weil wir die Grundlagen gelegt haben.

Werden Sie auch Sorgen haben wie ein Vater, ob sich der Nachwuchs gut entwickelt, ob ihm vielleicht etwas passiert oder sich doch etwas Unvorhergesehenes ergibt?

Nein, ich habe keine großen Sorgen. Natürlich ist jeder Schritt in die Praxis auch mit Risiken behaftet. Schließlich ist es ja eine Mikro-Operation an den Eizellen, die wir da vornehmen. Deshalb sollte nicht jeder diese Methoden anwenden. Aber unsere Versuche mit den Affen haben uns gezeigt, dass die Methode sicher ist. Die Affen sind jetzt fünf Jahre alt. Sie haben selbst schon wieder Kinder bekommen, und es geht ihnen gut. Es sind wilde Affen, die rumrennen, spielen, streiten. Echtes Leben eben.

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