Schulhoftrend:Geliebtes Glotzauge

Glubschies

Stumm und bunt, glitzernd und glotzend: Glubschis

(Foto: Martin Fengel)

Entertainmentmäßig haben Glubschis überhaupt nichts drauf. Sie sind nur bunt und glotzen. Warum lieben Kinder sie trotzdem so sehr?

Von Franziska Storz

Langeweile ist für Kinder wichtig und bei Eltern gefürchtet. Forscher, die sich mit so was auskennen, sagen, dass Kinder Langeweile brauchen, damit sich ihre Kreativität entwickelt. Dennoch bekämpfen Eltern die Langeweile mit allen Mitteln, sie melden den Nachwuchs in spektakulären Ferienkursen an und rüsten die Kinderzimmer auf. Meine Tochter besitzt einen Spielzeughund, der kacken kann, eine Puppe, die pieselt, ein elektrisches Etwas aus Fell, das labert und eine echte Katze, die in Sachen Entertainment nicht mehr mithalten kann und sich vorsichtshalber selbst 23 Stunden am Tag langweilt.

Aber die Katze lebt anachronistisch, denn die Langeweile wird heutzutage so militant bekämpft wie der Hunger mit der allgegenwärtigen Reiswaffel. Und dann wundern wir uns ernsthaft, warum unsere Kinder a) abends keinen Gemüsereis mehr essen wollen und b) sich immer weniger selbst beschäftigen können. In beiden Fällen liegt es an chronischer Übersättigung.

Umso erstaunlicher erscheint der Spielzeugtrend der Glubschis. Denn die können entertainmentmäßig: nichts. Glubschis sind kleine Stofftiere. Ihr Innenleben besteht aus Kunststoffgranulat, ihre Außenhaut aus Plastikfell in krassen Signalfarben, und - wie der Name schon sagt: Alle Glubschis haben überdimensionale Augen mit riesengroßen dunklen Pupillen. Es gibt sie als Eule, Robbe, Einhorn, Fledermaus und Schnabeltier. Man findet sie vorzugsweise dicht gedrängt hockend in Drehständern in Buchhandlungen, an Flughäfen, in Tankstellen und Spielzeugläden. Sie lauern überall. Bei den Glubschis handelt es sich um ein typisches, nur durch hartes Betteln zu erkämpfendes Mitnahmegeschenk.

Heutzutage bleiben ernährungsbewusste Eltern an der Supermarktkasse bei den Süßigkeiten stur, aber ein sinnloses Stofftier um die fünf Euro, wahlweise mit Glitzeraugen, das geht nach genug Nerverei immer. "Das gibst du mir dann von deinem Taschengeld wieder!" Ja, ja.

In den USA flutete die Herstellerfirma TY schon 2009 den Spielzeugmarkt mit den unförmigen Plastiktieren. Ein durchschlagender Erfolg wurden sie spätestens, als eine Fastfoodkette sie vor ein paar Jahren als Give-away entdeckte. In den USA heißen sie "Beanie Boo". Doch der deutsche Name! Glubschi. Ernsthaft?

Wie es dazu kam, dass man an jeder Kasse nach einem Glubschi fragen kann und nicht den ungeliebten Mitschüler aus der Grundschule auf die Theke gelegt bekommt, sondern ein Stofftier, das bleibt leider ein Rätsel. Medizinisch gesehen leiden diese Tiere natürlich an Exophthalmus, dem pathologischen Hervortreten des Augapfels aus der Augenhöhle, bedienen damit eins a das Kindchenschema und wandeln den Schulhofkampfbegriff "Glubschauge" in ein zärtliches Glubschi um.

Das Kindchenschema - große Augen gleich niedlich - wird von der Spielzeugindustrie ja schon viel länger erfolgreich ausgeschlachtet, das Prinzip Großauge ist bei Pokémons, Mangas und Disney-Filmen nicht mehr wegzudenken. Mit den Glubschis hat es nun seine konsequente Steigerung erfahren. Die großäugigen Glubschis sind sogar in Altenheimen gern gesehene Gäste, und es gibt Familien, die ihr pinkes Glubschi-Einhorn namens Big Edgar mit auf Reisen nehmen und ein Mallorca-Tagebuch auf Facebook führen.

Glubschi beim Abendessen. Glubschi am Meer. Glubschi in der Tropfstein­höhle. Was nichts daran ändert, dass Glubschis noch immer nichts können. Sie sind wie Briefmarken: Sie ähneln sich und sind doch so verschieden, dass man sie prima sammeln kann. In der Zeitung erklärte Werner, 80 Jahre alt, neulich seine Briefmarkensammelleidenschaft. Bei schlechtem Wetter, sagte er, sitze er oben im Zimmer und sortiere seine Marken.

Exakt das tut Lara, zehn Jahre alt, bei schlechtem Wetter mit ihren Glubschis. Und fällt für einen kurzen Moment aus der Zeit. Dafür sollte man den Glubschis sehr dankbar sein.

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