Floating:Einfach wegschweben

Im Dunkeln im Salzwasser driften - beim Floating werden alle Reize ausgeblendet. Nichts dringt mehr durch zum Gehirn. So geht Extrem-Entspannung.

Chris Aichner

Es ist dunkel. Und still. Das Salz und der schwere Wassergeruch beruhigen die Atmung. Das Raumgefühl für oben und unten verschwimmt. Durch die Stille und die Dunkelheit, den totalen Reizentzug, ist nur noch der eigene Herzschlag in gedämpftem Ton wahrnehmbar. Blitze leuchten hell auf, wo eigentlich nichts ist, Bilder in kurzen Filmsequenzen erscheinen vor dem inneren Auge und verschwinden langsam wieder. Der Drift im wachen Schlafzustand entspannt Körper und Geist, das Zeitgefühl geht im schwarzen Nichts verloren.

Floating

Dem Stress einfach wegschweben - das hielt schon John Lennon für eine gute Idee.

(Foto: Foto: float.de)

So fühlt sich Floating an. Nach dem einstündigen Dahindümpeln im Salzwasser ist der Körper von allen Lasten befreit, im Wortsinn. Der Körper scheint leicht, so leicht, dass ihn der Winterwind schier hinwegbläst, als man wieder auf die Straße tritt.

Der steife PC-Arbeiter-Nacken fühlt sich beweglich und frei an, aus der gekrümmten Großstadt-Haltung kehrt man in den aufrechten Gang zurück, weil die Schwerkraft für kurze Zeit ausgehebelt wurde - und die Wirkung hält mehrere Tage an.

Von diesen Erlebnissen berichten fast alle "Floater", wenn sie gerade aus dem knapp zwei Quadratmeter großen muschelförmigen Tank gestiegen sind.

In diesem sorgt körperwarmes Wasser mit einem Magnesiumsulfatgehalt von 70 Prozent für Tiefenentspannung. Die Mineralien diffundieren durch die Haut, sie wirken pflegend und entschlackend. Wie im Toten Meer wird der Körper von der Sole getragen, das Gefühl der Schwerelosigkeit imitiert.

Dann beginnen die Hirnwellen im Theta-Bereich zu schwingen, wie es sonst nur kurz vor der Tiefschlafphase, bei der Meditation, autogenem Training oder dem sogenannten Runner's High der Fall ist.

Der Kopf arbeitet also noch, während der Körper ausgeschaltet ist. Die Folge: Eine Tiefenentspannung, die die Kreativität und Konzentrationsfähigkeit steigert. Zahlreiche Studien haben die positive Wirkung des Wasserbades auf Körper und Geist belegt, eine positive Wirkung bei Rückenschmerzen, Verspannungen und eine Senkung des Blutdrucks werden ebenfalls attestiert.

Durch die Stressreduktion werde zudem das Immunsystem gestärkt. Eine Studie des Psychologen Sven-Åke Bood von der schwedischen Karlstad-Universität aus dem vergangenen Jahr hat außerdem einen positiven Einfluss auf Depressionspatienten nachgewiesen.

John Lennon und der Stimmungsheller

Entwickelt wurde der muschelförmige Wassertank bereits in den fünfziger Jahren. Der Gehirnforscher John C. Lilly wollte herausfinden, was passiert, wenn die Sinneswahrnehmung gezielt entzogen wird und baute dafür den ersten Floating-Tank.

Er bewies, dass bei einer sensorischen Deprivation - so nennt man den absoluten Reizentzug - das Gehirn weiterarbeitet und nicht etwa in einen Tiefschlaf fällt.

In den sechziger Jahren wurde die Entspannungstechnik in den USA populär. Unter dem Namen Samadhi-Tank entdeckten Esoteriker Floating, wegen der bewusstseinserweiternden Wirkung auf der Suche nach sich selbst. Auch John Lennon setzte auf Deprivation.

Er ist wohl der bekannteste Floating-Anhänger. In den neunziger Jahren entwickelten sich in Großbritannien gestresste Londoner Banker und Geschäftsmänner zum neuen, gar nicht esoterischen Kundenstamm. Von dort schwappte Anfang des letzten Jahrzehnts die Floating-Welle nach Deutschland.

Das Münchner Unternehmen Floatzero bietet seit 2004 mitten in der Münchner City die Entspannungstechnik in Verbindung mit ganzheitlicher Massage an. Jürgen Schmidt, der stellvertretende Manager des Floating-Centers in Schwabing, erklärt, für wen das Bad im Wassertank geeignet ist: "Floaten ist vor allem etwas für gestresste Großstädter, die dringend Entspannung brauchen, Personen, die kurz vor dem Burn-out stehen, aber keine Zeit für wochenlangen Urlaub haben."

Der Kundenstamm sei breit gefächert, erklärt Schmidt weiter: "Handwerker, die ihrem Körper eine Auszeit gönnen, gehören ebenso zu unseren regelmäßigen Kunden wie Studenten, Künstler oder Geschäftsmänner, die ihre Kreativität und Konzentrationsfähigkeit steigern wollen."

Das Schwingen der Thetawellen könne zwar ebenso durch Meditieren, autogenes Training oder eine Massage hervorgerufen werden, aber das sei bei weitem aufwendiger. Zudem wirke Floating stimmungsaufhellend und stärke das Immunsystem.

Deswegen sei das Schweben im Salzwasser anderen Entspannungstechniken überlegen, behauptet eine Meta-Analyse von 17 Studien, erschienen 2005 in der Fachzeitschrift Psychology and Health. Eine Zeitlang ohne jeden Reiz zu verbringen, kann also durchaus seinen Reiz haben.

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