Festtagsbraten:Ente gut, alles gut

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Würmer im Futter machen das Fleisch würziger, weibliche Enten sind saftiger: Was der Geflügel-Gourmet so alles beachten sollte.

Robert Lücke

Es war eine der merkwürdigsten Zeremonien, derer Gourmets angesichtig werden können: Zuerst säbelte ein befrackter Kellner das Fleisch von Brust und Keulen einer im Ofen gebratenen Ente, dann wanderte die Karkasse mit allem Drum und Dran in ein silbernes Gerät, Entenpresse genannt: Mittels gewaltigen Drucks einer großen Schraube wurde nun alles unter vernehmlichem Knacken und Bersten zerbrochen und gepresst, bis nur noch Saft aus Haut und Knochen herausquoll.

(Foto: Foto: istockphoto)

Daraus machten die Köche im Pariser Luxusrestaurant "Tour d"Argent" eine Sauce, und mit Blick auf Notre Dame aß man eine traurige und gewaltig überteuerte Ente. Denn ihr Fleisch war leider staubtrocken.

Dabei ist eine Ente eigentlich etwas Wunderbares. Leider wird sie nicht nur in feinen Pariser Lokalen, sondern erst recht bei uns landauf, landab so schlecht (weil viel zu lang gebraten) zubereitet, dass sie niemals mehr saftig sein kann - sondern nur noch trocken, hart, zäh und ledrig. Grund sind schlechte Rezepte, ebensolche Köche und neuerdings die Angst vor der Vogelgrippe, deren Erreger nur bei Temperaturen jenseits der 69 Grad stirbt.

Über Enten muss man einiges wissen, um sie wirklich schmackhaft zubereiten zu können. Das fängt damit an, welche Ente wie schmeckt. Denn es gibt nicht nur eine Vielzahl von Rassen, die völlig unterschiedlich schmecken - auch das Geschlecht ist entscheidend. Weibliche Enten sind immer kleiner, saftiger und aromatischer als Erpel, dafür sind diese würziger.

Es gibt Frühmastenten, die jünger sind als neun Wochen und Enten, die bis zu drei Monate alt sind. Wie alt eine Ente ist, weiß mit Glück der Metzger oder Geflügelhändler. Wer sichergehen will, bittet ihn, auf das Brustbein zu drücken. Ist es noch weich und flexibel, ist das Tier jung, ist es hart und starr - so ist es alt. Eine junge Ente schmeckt besser als eine alte. Doch im Supermarkt liegt die Ente meist tiefgefroren und in Plastikfolie eingeschweißt im Kühlfach. Was also tun? Steht "Jungente" oder "Frühmastente" darauf, dürfte sie etwa acht Wochen alt und zur Rasse Pekingente gehören.

Steht "Barbarieente" auf dem Etikett, dann ist es entweder eine Kreuzung aus Wild- und Hausente oder ein Abkömmling einer bunt gefiederten Entenart aus Lateinamerika, die auf Bäumen lebte. Heute wird sie fast überall auf der Welt gehalten, dient afrikanischen Bauern als Nutztier und Feinschmeckern als Luxusgut. Früher nannte man diese Enten bei uns auch Flugente, doch seit einiger Zeit müssen die Tiere genauer bezeichnet werden: Moschusente, Warzenente oder eben Barbarieente. Weil die normalerweise dunkel gefiederten Tiere auch dunkle Federkiele haben und die deutsche Hausfrau das nicht mochte, wurden die Enten solange gekreuzt, bis sie weiße Federn und helle Kiele bekamen.

Barbarieenten haben das beste Brustfleisch und sollten stets jung gegessen werden. Daneben gibt es noch, allerdings viel seltener, Wildenten zu kaufen, meist Krick- Stock- oder Schnatterenten, die entweder vom Jäger geschossen oder wie Peking- und Barbarieenten in Gefangenschaft aufgewachsen sind. Sie erkennt man sofort, denn im Gegensatz zu ihren domestizierten Verwandten sind sie vergleichsweise winzig, etwa so groß wie die Navigationsgeräte an deutschen Windschutzscheiben, und schmecken deutlich nach Wild, also streng.

Abgesehen von Rasse und Alter ist die Aufzucht und das Futter der Tiere ein weiterer Faktor für den Geschmack. Wird die Ente nämlich artgerecht gehalten, darf draußen umherlaufen und mal was anderes picken als nur Industriemastfutter, nämlich Gras, Ameisen, Käfer, Würmer oder Schnecken und schmeckt deswegen würziger.

In Frankreich ist das zum Beispiel bei der Challansente so oder den Tieren aus der Bresse, die es in guten Geschäften auch bei uns zu kaufen gibt. Besonders aromatisch sind die Enten von Stefan Nobis. In Bakum, einem niedersächsischen Dörfchen bei Vechta, schlachtet Nobis im Jahr Enten im Gesamtgewicht von bis zu 700 Tonnen, anders könne er die Menge gar nicht schätzen, sagt Nobis. Landwirte und Mäster bekommen auf Nobis Geheiß vom Züchter Entenküken und füttern sie drei Monate lang mit einer von ihm eigens ausgetüftelten Mischung, hauptsächlich Mais und Weizen.

Kurz vor der zwölften Lebenswoche werden die Enten mit Stromschlag betäubt, danach sticht der Schlachter dem Tier mit einem Messer unterhalb des Schnabels in den Hals und lässt es ausbluten. Anschließend werden diese Enten trockengerupft - dabei wird die empfindliche Haut geschont. "Denn in der Haut sitzen die Geschmacksstoffe", sagt Nobis.

Würde man sie, wie es anderswo oft geschieht, in heißem Wasser rupfen, nähmen Haut und Aroma Schaden. Nobis "Südoldenburger Barbarieflugente" wurde sogar richtig berühmt, der frühere Sternekoch Hans-Peter Wodarz serviert sie in seinem Restaurant-Theater "Pomp Duck And Circumstance" im Berliner Spiegelpalast. Richtig lecker sind die Enten auch, wenn sie aus der Küche von Klaus Brechtmanns Landgasthof in Schürsdorf an der Ostsee kommen. Brechtmann kennt sich aus, er macht das ja seit über 20 Jahren.

Eine Ente darf nicht zu fett und nicht zu mager sein, sagt Brechtmann. Am besten irgendwas dazwischen. Brechtmann brät die drei Monate alten und zwei Kilo schweren Nobis-Enten etwa eindreiviertel Stunden lang durch, dazu serviert er, je nach Jahreszeit, Spargel, Steckrüben, Birnen, Bohnen und Speck oder Pflaumen. Fast alle Gäste bestellen in seinem Lokal Ente, die Portion zu 18,90 Euro. "Wir haben uns darauf ganz und gar eingeschossen", sagt Brechtmann. Er ist mächtig stolz, in ein bis zwei Stunden kann er 60 Enten braten - so viele Öfen hat er.

Alles Wissen um Rasse und Herkunft aber nützt rein gar nichts, wenn das ausgesuchte Tier nicht vernünftig zubereitet wird. Wer Hilfe bei Rezeptsammlungen und Kochbüchern sucht, wird nicht nur enttäuscht, sondern glatt hereingelegt: Fast alle empfehlen viel zu lange Garzeiten, nach denen eine Ente niemals mehr saftig sein kann - und dann ist die Ente zum zweiten Mal tot.

Im Hamburger "Landhaus Scherrer" wird der Klassiker, die "Vierländer Ente" nur eine Dreiviertelstunde bei 220 Grad Umluft gebraten, das Fleisch ist dann rosa. Aber jeder Spitzenkoch hat seine eigenen Vorstellungen. Harald Wohlfahrt, Drei-Sterne-Koch aus Baiersbronn, kann auch einer durchgebratenen Ente durchaus etwas abgewinnen. "Wenn sie schön langsam und schonend an der Karkasse geschmort wird, ist sie hinterher nicht nur zart und mürbe.

Ihr Geschmack wird immer intensiver sein als bei einer nur rosa gebratenen Ente", sagt Wohlfahrt, der regelmäßig bei Klaus Brechtmann einkehrt, um dort Ente zu essen. Wohlfahrt kennt ein grundsätzliches Problem beim Entenbraten. "Wenn die Brust noch rosa ist, was viele am liebsten mögen, sind die Keulen noch halb roh und zäh". Deswegen servieren findige Köche Enten in zwei Gängen. Erst wird nur die Brust tranchiert, dann wandern die Keulen zurück in den Ofen, und während der Gast nun die Brust isst, sind die Keulen gar. Und allein die Vorfreude auf den zweiten Gang ist ja schon was schönes.

© SZ vom 18.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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