"Er sagt sie sagt" zu Camping:Fahren wir in den Dschungel?

"Er sagt sie sagt" zu Camping: Camping: Überlebenskampf oder romantische Nacht im Grünen?

Camping: Überlebenskampf oder romantische Nacht im Grünen?

(Foto: Yinfinity / iStockphoto)

Sie freut sich auf ein entspanntes Wochenende im Grünen. Er rüstet sich für einen Survivaltrip. Ein Beziehungsdrama mit Rucksack.

Von Violetta Simon

Freitagabend. Sie steht im Türrahmen und beobachtet ihn entgeistert dabei, wie er sein komplettes Survival-Equipment auf dem Sofa, dem Tisch, dem Boden ausbreitet.

Sie: Wo kommt der ganze Krempel her, wanderst du aus?

Er: Wandern trifft es in etwa - wie du weißt, wollen wir am Wochenende Campen.

Sie: Und ob ich das weiß, mein Rucksack ist bereits gepackt.

Er: Sicher wieder mit lauter überflüssigem Zeug.

Sie: Gar nicht: Jogginghose, Bikini, Waschbeutel und Picknickdecke - alles drin. Und mein Kopfkissen, natürlich.

Er: Das dachte ich mir. Und das Regenzeug hast du vergessen, stimmt's?

Sie: Brauche ich nicht, der Wetterbericht hat ausschließlich Sonne vorhergesagt. Sonst könnten wir ja gleich daheim bleiben.

Er: Siehst du, da haben wir es: Ganz falsche Einstellung zum Campen. Du denkst nur an Fun. Ich denke an unsere Sicherheit. Und genau darum brauchen wir das alles. Einer muss sich schließlich um eine vernünftige Ausrüstung kümmern.

Sie: Ich bitte dich. Hier liegt ein Kompass, ein Feuerstein und - eine Machete. Nennst du das vernünftig?

Er: Nur für den Fall. Könnte doch sein, dass wir uns verirren und kein Durchkommen mehr ist.

Sie: Entschuldige, wir sind in der Nähe von Bad Tölz, einem Kurort für Leute, die doppelt so alt sind wie wir. Den Wanderweg kannst du von Anfang bis Ende bei Google Maps studieren. Erwartest du in dieser Gegend etwa einen Dschungel?

Er: Ich hatte gehofft, es würde sich eine Gelegenheit ergeben, wo ich die Machete endlich nutzen kann. Zur Not kann ich ja Feuerholz damit hacken!

Sie: Wozu Feuer? Hast du vor, ein Wildschwein zu erlegen und über dem Lagerfeuer zu braten?

Er: So was in der Art. Ich habe Angelhaken dabei, wir könnten frischen Fisch grillen.

Sie: Frischer Fisch klingt in meinen Ohren erst einmal nach: stundenlang herumsitzen und warten. Fisch totschlagen. Fischschuppen entfernen. Fischorgane entnehmen. Darauf habe ich wirklich nicht die geringste Lust. Und überhaupt, Grillen - womit, bitteschön?

Er: Mit meinem ultraleichten, zusammenklappbaren Campinggrill.

Sie: Na toll. Und am besten noch Holzkohle dazu. Ach nein, ich vergaß: Du gehst ja in den Urwald, Feuerholz hacken. Dann brauchen wir aber gleich noch ein paar Pappteller und Plastikbesteck.

Er: Auf keinen Fall, wir haben doch das Allroundbesteck von dieser schwedischen Firma. Und wozu habe ich wohl das sündteure Alugeschirr bei dem Outdoorausstatter gekauft, das sich übrigens gleichzeitig als Topf eignet, damit können wir was Leckeres auf dem Gaskocher zubereiten.

Sie: Gaskocher - kommt der etwa auch mit?

Er: Na, du willst doch sicher einen Kaffee zum Frühstück.

Sie: Du willst Kaffee kochen? In einer Kanne? Und ihn aus Tassen trinken? Dann schnall dir doch gleich unseren Kühlschrank auf den Rücken. Wir brauchen ja auch noch Milch, Butter, Joghurt und Eier.

Er: Ha! Von wegen: Ich habe Milchpulver eingepackt, das wiegt so gut wie nichts.

Sie: Aber es schmeckt widerlich!

Hier geht es nicht um Genuss

Er: Hier geht es aber nicht um Genuss, es geht darum, Gewicht zu sparen. Dein Duschgel und dein Shampoo kannst du auch gleich wieder auspacken, die sind viel zu schwer. Ich habe ein hochkonzentriertes Waschgel von dem Outdoorausstatter meines Vertrauens bekommen. Für das gesparte Gewicht kann ich zwei Stirnlampen, die Blechkanne und Insektenspray mitnehmen.

Sie: Ich dachte, wir wollten ein romantisches, entspanntes Wochenende im Grünen verbringen. Was sollen wir da mit Stirnlampen? Lass uns lieber ein paar Kerzen oder unsere solarbetriebene Lichterkette mitnehmen. Wenn du Gewicht sparen willst, warum lässt du nicht einfach den Grill und die Machete zuhause. Oder das Insektenspray.

Er: Entschuldige mal, willst du verhungern? Oder wehrlos im Wald verenden? Außerdem wimmelt es in dieser Gegend vermutlich von Zecken, deren Biss zum Tod führen kann.

Sie: Wenn ich dir so zuhöre, vergeht mir echt die Lust. Offensichtlich scheint Campen eine lebensbedrohliche Angelegenheit zu sein, die einfach nur anstrengend ist und kein bisschen Spaß machen darf.

Er: Das ist der Abenteuerfaktor, mein Schatz. Das muss so.

Sie: Ich will ja Abenteuer, aber deswegen muss ich mich noch lange nicht so quälen, dass ich anschließend Urlaub brauche. Schon mal was von Glamping gehört? Da hast du beides: Abenteuer und Komfort. Wir wohnen in einem hübschen Leinenzelt, das ist fix und fertig aufgebaut. Es gibt sogar Feldbetten. Mit richtigen Decken! Nix Isomatte und Schlafsack.

Er: Bist du verrückt? Das klingt wie Kinderzelten im Garten. Fehlt nur noch, dass du Marshmallows einpackst.

Sie: Hervorragende Idee!

Er: Ich sehe schon, du bist überhaupt nicht belastbar, wenn es um Herausforderungen in der Natur geht.

Sie: Ja, da hast du vollkommen recht. Fahr du mal alleine mit deiner Machete in den Dschungel. Ich mache mir ein erholsames Glamping-Wochenende.

Er: Wie du meinst, langweile du dich meinetwegen mit deiner Weichei-Kolonialstil-Pseudo-Zeltnummer. Ich stelle mich der Natur. Vielleicht sollte ich gleich mal eine Testnacht im Garten verbringen.

Sie: Na dann: Viel Spaß beim Wurzelnessen ...

Wutschnaubend befüllt er seinen Rucksack mit der Ausrüstung, stopft Survival-Accessoires in Seitentaschen und verschnürt alles. Als er sich den Rucksack auf die Schultern wuchtet, taumelt er kurz, fängt sich aber wieder. Sie beobachtet die Szene amüsiert, da fällt ihr Blick auf einen länglichen Gegenstand in olivfarbener Hülle, der an der Couch lehnt.

Sie: Sag mal, was ist eigentlich das Große da?

Er: Wie, was? Ach das! Oh. Das Zelt. Ganz vergessen. Das muss ja auch noch mit!

Seufzend lässt er sich und seinen Rucksack auf die Couch fallen.

Sie: Letztes Angebot: Noch kannst du mitkommen. In mein Lodgezelt im Kolonialstil. Mit Dusche und Komfortbetten.

Er: Kann ich wenigstens die Angelschnur und die Haken mitnehmen?

Sie: Na klar! Für die werden wir sicher Verwendung finden. Zum Aufhängen der Lichterkette zum Beispiel. Oder wenn uns die Schlüssel fürs Zelt in den Gulli von der Duschkabine fallen.

Die besten Folgen der Kolumne "Er sagt, sie sagt" sind bei SZ Editionen als Buch erschienen.

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