Designer: Entlassungswut in Modehäusern:Aus dem Schneider

Derzeit schwappt eine Entlassungswelle durch die Pariser Modehäuser. Jüngster Fall: Das Traditionshaus Balmain hat sich seines Kreativchefs Christophe Decarnin entledigt.

Tanja Rest

Es scheint fast so, als habe sich die Modebranche mit dem Rausschmiss von John Galliano bei Dior ein Virus eingefangen: Vier weitere europäische Häuser, darunter so renommierte Namen wie Cacharel und Azzaro, haben sich seit dem 1.März geräuschlos und ohne große Angabe von Gründen von ihren Chefdesignern getrennt. In der Branche deutet man diese Serie so, dass sich die Zeit der extravaganten Superstars und feinnervigen Paradiesvögel allmählich dem Ende zuneigt. Die jüngste Personalie stützt diese These: Am Mittwoch verkündete das französische Traditionshaus Balmain, dass Kreativdirektor Christophe Decarnin nach fünf Jahren aus dem Amt geschieden sei.

Christophe Decarnin

Ist die Zeit der extravaganten Superstars und feinnervigen Paradiesvögel allmählich vorbei? Balmain hat Christophe Decarnin entlassen.

(Foto: AP)

Richtig überraschend kam diese Nachricht nicht mehr. Beim Balmain-Defilee im März in Paris war Decarnin bereits nicht erschienen - von einem erbitterten Richtungsstreit mit Balmain-Chef M. Alain Hivelin war die Rede. Ungenannte Quellen munkelten außerdem, der Designer leide an Depressionen und habe sich nach einem Nervenzusammenbruch in psychiatrische Behandlung begeben müssen. So oder so: Es ist, nach einem beispiellosen Hype, ein jäher Absturz für den 46-jährigen Shootingstar.

Das ehrwürdige Haus Balmain, das in den 50ern und 60ern Stars wie Ava Gardner, Brigitte Bardot und Josephine Baker ausstaffiert hatte, lag finanziell und künstlerisch am Boden, als Decarnin 2005 übernahm. Sein Konzept brachte den Bruch mit allem, wofür die Marke bisher gestanden hatte - und bescherte ihr eine spektakuläre Renaissance. Hautenge Röhrenjeans, zerlöcherte T-Shirts, glitzernde Jacketts und Bikerjacken: Balmain war plötzlich jung, cool und sexy. Noch aufsehenerregender als die Mode waren die Preise: 1000 Euro für ein T-Shirt, 1500 Euro für eine Jeans, bis zu 20.000 Euro für ein Kleid, das schien zunächst unvorstellbar - und funktionierte doch. Die Umsätze stiegen rasant, in Asien schossen die Flagship-Stores nur so aus dem Boden, die "Balmania" griff um sich. Und dann - war es wieder vorbei.

Zuletzt sah es so aus, als habe Decarnin seinem sexy Rockstar-Style nichts mehr hinzuzufügen, vielleicht war er einfach ausgebrannt. Als Nachfolgerin wird Balmain-Stylistin Melanie Ward gehandelt, über die man bisher fast nichts weiß. Was in diesen Zeiten möglicherweise eine Empfehlung ist.

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