"Zwei vom alten Schlag" im Kino:Die vertrauten, ergrauten Gesichter

Robert de Niro und Sylvester Stallone in "Zwei vom alten Schlag"

Traumbesetzung von 1984: Robert De Niro (links) und Sylvester Stallone sind "Zwei vom alten Schlag".

(Foto: Warner Bros.)

Robert De Niro und Sylvester Stallone treffen sich 30 Jahre nach ihren großen Kämpfen im Boxring. Peter Segals Komödie "Zwei vom alten Schlag" beruft sich gleichzeitig auf "Rocky" und "Wie ein wilder Stier". Doch ist auf diese beiden noch Verlass?

Von David Pfeifer

Die zweitwichtigste Information zuerst: "Zwei vom alten Schlag" ist kein guter Film. Gemessen an den Schenkelklopfstandards moderner US-Komödien fallen viele Gags lahm aus, die Geschichte ist konstruiert, wendungsfrei und im letzten Drittel zieht sich alles sehr in die Länge.

Doch nun die wichtigste Information: Die Qualität dieses Films ist nicht entscheidend für seinen Genuss, er taucht seine Zuseher ein in Wiedersehensfreude. Sylvester Stallone, Robert De Niro, Kim Basinger und Alan Arkin, dazu noch Gastauftritte der Box-Legenden Mike Tyson und Evander Holyfield - eine Traumbesetzung aus dem Jahr 1984. Dass wir mittlerweile schon 2014 schreiben und alle Beteiligten mehr oder minder stark in die Jahre gekommen sind - bis auf Kim Basinger, der die Zeit offenbar nichts anhaben kann -, macht den Charme des Films aus.

Denn "Zwei vom alten Schlag" handelt von zwei Box-Rentnern, die sich zu ihrer besten Zeit zwei große Gefechte lieferten, aber nie zum entscheidenden dritten Kampf antreten konnten (dem "Grudge Match", so der Originaltitel).

Nun wollen sie dieses Versäumnis, das sonst bis ans Lebensende auf ihnen lasten würde, mit 30 Jahren Verspätung nachholen. Gespielt werden diese Boxer von den weltweit berühmtesten Boxer-Darstellern: Robert De Niro und Sylvester Stallone. Es kämpfen also nicht zwei beliebige alte Haudegen gegeneinander, sondern "Raging Bull" gegen "Rocky".

Mit dieser Referenz bietet "Zwei vom alten Schlag" seinem Publikum die Möglichkeit, sich abzugleichen, die vertrauten ergrauten Gesichter freundlich zu betrachten und daran abzulesen, wie man selber altert. Denn älter wird man ja nur für die anderen, man bemerkt es daran, wie man angesehen wird - innen drin fühlt sich alles so an wie immer. So geht es nicht nur Boxern, sondern den meisten Menschen, die nicht mehr ganz jung sind, also zwischen 40 und wirklich alt.

Kinobesuch als Klassentreffen

Für diese Zielgruppe hat Sylvester Stallone, der große Mythenmacher, vor wenigen Jahren ein eigenes Genre erfunden: den Kinobesuch als Klassentreffen.

Es fing an mit dem sechsten Teil der "Rocky"-Saga und dem vierten "Rambo"-Teil. Das waren eher noch liebevolle Restaurationsarbeiten an eingerosteten Kampfmaschinen. Ernsthafte Meditationen darüber, wie unfair es ist, älter zu werden, und wie aussichtslos, dagegen zu kämpfen.

Doch schon beim ersten Teil der "Expendables" arbeitete Stallone eine neue Botschaft heraus: Wer alt wird, wird schwächer, müder und langsamer - lernt dafür aber, dorthin zu schlagen, wo's wehtut. Ein Scherz auf eigene Kosten hilft außerdem, Verlustschmerz leichter zu ertragen.

Hoffen, dass noch ein bisschen was geht

In den "Expendables" spielte Stallone humorvoll mit seinem Rambo-Image und auch Henry "Razor" Sharp, den Stallone in "Zwei vom alten Schlag" darstellt, ist ein eher ulkiger Alter, der merkwürdige kleine Skulpturen zusammenschweißt.

Ein Drama wäre Rockys und des Raging Bull zwar würdig, würde die beiden Boxer in ihrem hilflosen Versuch der späten Ehrenrettung aber zu ernst nehmen. Eine Komödie bietet Raum, sich über die Vergeblichkeit zu amüsieren und doch mit ihnen zu hoffen, dass noch ein bisschen was geht. Dass Tempo und Gag-Härte des Films dabei antiquiert wirken, ist nur folgerichtig.

"Zwei vom alten Schlag" legt sich wie eine Übermalung auf seine Vorläufer, lässt Fragmente durchblitzen und spielt mit der Erinnerung des Publikums. In den ersten Minuten werden die jungen Jahre der Kämpfer erzählt, wobei Schnipsel aus "Rocky" und "Wie ein wilder Stier" zum Einsatz kommen. Die Posen haben die Zuseher so gut gelernt wie Abba-Songs - selbst wenn man für die Figuren nichts übrig hatte, meint man, sie zu kennen.

Doch der Film zitiert nicht nur Bilder, sondern steckt auch voller Bezüge zu seinen Vorläufern: Stallone wird von seinem Trainer gebremst, als er im Schlachthaus gegen Rinderhälften boxen will, wie sein Alter Ego Rocky, "Du musst nicht auf alles einschlagen, wir sind hier nur, um was zu essen zu kaufen."

Der Ex-Champion, den De Niro darstellt, verdingt sich wiederum als Comedian mit Übergewicht. Eine Rolle, die De Niro schon ausfüllte, als er 1981 - damals auf dem Höhepunkt seiner Method-Acting-Schrulle - mit einer extra angefressenen Wampe den alten Jake LaMotta spielte. Im Grunde funktioniert das wie bei Evergreens: Bekannte Melodien werden angesummt, variiert, auch mal ironisch überhöht. Der Subtext, "Ach, schön war es doch", bleibt dabei erhalten.

Viriler als aktuelle Blockbuster

Interessant ist vor allem das angepeilte Publikum: Es kann nur aus Menschen bestehen, denen diese Männer in ihrer Jugend etwas bedeutet haben und die den filmischen Kontext kennen. Ohne seine Vorläufer wäre "Zwei vom alten Schlag" gar nicht denkbar.

Auch die "Expendables" beziehen ihren Reiz aus einer "All-Star"-Besetzung, die vor zwanzig Jahren unbezahlbar gewesen wäre, neben Stallone noch Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis, Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren, Mickey Rourke, Jason Statham und sogar Chuck Norris, der Urgroßvater des Action-Kinos.

Die alten Haudegen treffen sich auf der Leinwand, und im Kinosaal breitet sich der Trost aus, dass die wahlweise zerfurchten oder zerschnippelten Gesichter irgendwie trotzdem noch viriler wirken als die männliche Besetzungsliste aktueller Blockbuster.

Der wahre Gegner ist außerhalb des Rings

Ein bisschen was geht eben noch. Nach demselben Prinzip funktionieren auch die beiden Teile der Agenten-Klamotte "R.E.D." (als Abkürzung von "Retired, Extremely Dangerous"), die neben Bruce Willis noch John Malkovich und Helen Mirren zeigen. Der Held aus den "Stirb langsam"-Teilen als Ruheständler? Dem ist natürlich alles zuzutrauen.

Wenn "Zwei vom alten Schlag" seinem unvermeidlichen Finale im Ring entgegentreibt, ist man zwar schon ein wenig erschöpft, will aber doch wissen, wer als Sieger aus diesem Gefecht hervorgeht.

Wer Freude an diesen Filmen hat, muss sich womöglich vorhalten lassen, dass er den alten Zeiten zu sehr nachhängt und Nostalgie über Anspruch stellt. Keine unsympathische Schwäche.

Handys, Computer, Internet kommen darin tendenziell schlecht weg. Auch die beiden Boxer in "Zwei vom alten Schlag" graben ihr Kriegsbeil wieder aus, als sie für ein Computerspiel in lächerlichen grünen Strampelanzügen auf einen imaginären Gegner einschlagen sollen, damit ihre Bewegungsabläufe digitalisiert werden können. Dabei begegnen sich die Rivalen erstmals nach 30 Jahren wieder und verprügeln sich gleich an Ort und Stelle - einer der lustigsten Momente des Films.

Im Studio befinden sich außer den Oldies nur junge Leute, die diese entwürdigende Szene filmen und gleich auf Youtube einstellen, wo sie ein viraler Hit wird - was schließlich dazu führt, dass die Alten ein erneutes Kampfangebot bekommen. Sobald sie sich lächerlich machen wollen, zücken ein paar Twitter-Zombies ihre Handys, um den Tiefpunkt festzuhalten.

Wie in allen Box-Filmen ist der wahre Gegner also auch hier außerhalb des Rings zu finden, in einer modernen Welt, die weder Regeln noch Anstand kennt.

Mit dieser Haltung adressieren Sylvester Stallone und seine Kollegen eine reifere Zielgruppe, die weder streamed noch downloaded und "Redtube" vermutlich für eine vergessene Kaugummisorte mit Zimtgeschmack hält. Diese Zuschauer gehen noch ordentlich ins Kino und kaufen sich DVDs. Für dieses Jahr ist der bereits dritte Teil der "Expendables" angekündigt. Diesmal stoßen Harrison Ford, Wesley Snipes und Mel Gibson zur Stammbesetzung. Mal sehen, wie die sich so gehalten haben.

Grudge Match, USA 2013 - Regie: Peter Segal. Drehbuch: Tim Kelleher, Rodney Rothman. Kamera: Dean Semler. Mit: Robert De Niro, Sylvester Stallone. Warner, 113 Min.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: