Zwei Schätzing-Verfilmungen bei RTL:Die glänzende dunkle Seite

Uma Thurman besitzt die Filmrechte zu Frank Schätzings Bestseller "Der Schwarm". Doch jetzt hat erst mal RTL zwei Schätzing-Romane verfilmt - in höchst unterschiedlicher Qualität.

Hans Hoff

Wenn man mit Frank Schätzing redet, darf man ein paar Fakten nicht vergessen. Sein 2004 erschienener Öko-Thriller "Der Schwarm" wurde in 22 Sprachen übersetzt und allein in Deutschland 3,5 Millionen Mal verkauft. Auch seine Bücher aus den neunzigerJahren, darunter viele Köln-Krimis, laufen nach wie vor mehr als ordentlich. Absatzzahlen zwischen 500 000 und einer Million markieren eine amtlich wirkende Hausnummer. Gerade ist "Mordshunger" auf Japanisch erschienen, "Lautlos" auf Italienisch. Außerdem laufen die Vorbereitungen für eine internationale "Schwarm"-Verfilmung, die von Weihnachten 2010 an die Kinosäle füllen soll. Und nun zeigt auch noch RTL zwei Filme, die nach seinen Frühwerken entstanden sind.

Zwei Schätzing-Verfilmungen bei RTL: Wer hat gleich noch mal die Unternehmergattin ermordet? Die Frage geht bei "Mordshunger" unter. Auch Henry Hübchen (links) kann den Film nicht retten.

Wer hat gleich noch mal die Unternehmergattin ermordet? Die Frage geht bei "Mordshunger" unter. Auch Henry Hübchen (links) kann den Film nicht retten.

(Foto: Foto: RTL)

Man muss sich all das vergegenwärtigen, weil man Frank Schätzing nicht ansieht, was er für einer ist. Zum Interview in einem Kölner Innenstadt-Café erscheint er im lässigen weißen Hemdchen und sieht ziemlich blendend aus. Die 50 Jahre, die er schon auf diesem Planeten zubringt, haben kaum die üblichen sichtbare Spuren hinterlassen. Solche Typen fristen ihr Leben normalerweise als Surf- oder Tauchlehrer an irgendeinem sonnigen Strand und nicht als Schriftsteller in Köln. Böse Zungen sagen, Schätzing sehe besser aus, als er schreibe.

Wie ein Löffel Maggie-Pulver

Dass sich böse Zungen derart lästerlich mit ihm beschäftigen und ihm literarisches Gewicht absprechen, hat sicherlich viel damit zu tun, dass Schätzing sich gängigen Einordnungen verweigert. "Es wird Zeit, dem Geniekult um den einsamen Schriftsteller entgegenzuwirken", sagt er. Ein Genie mag er nicht sein. Eher sieht er sich als harten Arbeiter, als Ingenieur, der seine Geschichten wie ein Architekt plant und sie später mit Leben füllt. "Irgendwann sieht meine Story aus wie ein Rohbau, wie so ein Betongerippe. Die Statik muss stimmen. Erst dann fange ich an zu schreiben", sagt er.

Das Treatment, der Entwurf für sein neues Buch, umfasst dementsprechend 70 Seiten. "Eine Art Drehbuch fürs Buch", nennt er das und kommt dabei leicht ins Schwadronieren, bis er schließlich sein kreatives Wirken selbst zur literarischen Fünf-Minuten-Terrine degradiert. "Das ist wie ein Extrakt, wie ein Löffel Maggie-Pulver. Da kippe ich Wasser drauf, und das ergibt dann das Buch." Zehn Prozent Talent, zehn Prozent gute Ideen und 80 Prozent Fleiß, braucht ein Buch nach seiner Ansicht, damit es ein gutes wird.

Der kleine Frank

Am Morgen hat er an seinem neuen Roman gefeilt. Nicht im Büro, das über dem Café liegt, sondern daheim bei seiner Frau auf der sonnigen Terrasse. Aufstehen, losschreiben, so begrüßt er den Tag. Gerade arbeitet er an seinem neuen Roman, der Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres erscheinen soll. "Die neue Story ist fast schon komplexer als 'Der Schwarm'", kündigt er an. Früher hat er in der Werbung gearbeitet, hat an Kampagnen für Toyota und VW mitgewirkt. Möglicherweise kommt daher sein eher unromantisch anmutender Ansatz. "Ich bin ein Triebtäter", sagt er: "Ich begeistere mich für etwas, packe es an und ziehe es durch."

In den neunziger Jahren hat er so einiges durchgezogen, vornehmlich Köln-Krimis. Die waren zwar nicht unbedingt das, was der damals nebenberufliche Hobbyautor schreiben wollte, aber da ihn sonst niemand wollte und sich nur ein Verlag zugänglich zeigte, machte er sich des Nachts daran, das Verbrechen der Domstadt zu verschriftlichen. Zwei dieser Geschichten stehen nun bei RTL im Programm. Am Sonntag läuft "Die dunkle Seite", am Donnerstag darauf "Mordshunger".

"Für mich persönlich ist es schon ein Erfolg, dass zwei meiner Bücher verfilmt worden sind. Wenn man mir das vor zehn Jahren erzählt hätte, als ich meine ersten Krimis geschrieben habe, hätte ich kein Wort geglaubt", schwärmt der Autor und beginnt dann plötzlich von sich in der dritten Person zu reden: "Dass das dem kleinen Frank Schätzing passiert, darüber kann der sich schon freuen."

Auf der nächsten Seite: Warum "Mordshunger" fad schmeckt und "Die dunkle Seite" glänzt.

Die glänzende dunkle Seite

Auf den Zuschauer kommt indes keine durchgängige Freude zu, sondern ein durchaus zwiespältiges Erlebnis, denn die Filme sind von höchst unterschiedlicher Qualität. Während "Die dunkle Seite" durchaus Ansprüchen gerecht wird, wirkt die Verfilmung von "Mordshunger" derart verhunzt, dass sie nicht einmal mehr als konventioneller ZDF-Freitagskrimi um 20.15 Uhr taugen würde.

Zwei Schätzing-Verfilmungen bei RTL: "Wenn alles gut geht, sehen wir den Schwarm als Weihnachtsfilm 2010", sagt Autor Frank Schätzing.

"Wenn alles gut geht, sehen wir den Schwarm als Weihnachtsfilm 2010", sagt Autor Frank Schätzing.

(Foto: Foto: dpa)

Teilt man Schätzing mit, wie misslungen man Mordshunger findet, sagt er "interessant", mehr nicht. Er ist mit beiden Produzenten seiner Filme freundschaftlich verbandelt und möchte diese Beziehungen nicht öffentlich strapazieren. Dabei müsste er eigentlich schwer darunter leiden, wie hier von Regisseur Robert Pejo im Zusammenspiel mit der Produktionsfirma Zeitsprung und der Redaktion von RTL beinahe alles falsch gemacht wurde, was man falsch machen kann.

Man sieht Hans-Werner Meyer als Kommissar mit Gourmetambitionen, die man ihm nicht glaubt. Man sieht Bettina Zimmermann, die eine femme fatale spielen soll und völlig überzieht. Sehr schnell interessiert es da niemanden mehr, wer denn nun zu Beginn des Films die Unternehmergattin ermordete, und selbst der ordentliche Doppel-Auftritt von Henry Hübchen als verdächtiges Zwillingspaar rettet nichts mehr.

Eine ungefähre Soundsoße

Dass auch Schätzing trotz seines Schweigens gelitten haben muss, spürt man, wenn er später über die Rolle eines Soundtracks spricht. Den für Mordshunger hat Schätzing selbst gefertigt, wovon allerdings kaum etwas zu spüren ist, weil nur irgendwo im Hintergrund eine ungefähre Soundsoße blubbert. "Musik muss richtig knallig in den Vordergrund. Im Grunde ist sie ein zusätzlicher Schauspieler", erklärt er. Da ist er aber schon beim anderen Film.

"Die dunkle Seite" erzählt die Geschichte einer Privatdetektivin, die einen sonderbaren Auftrag erhält. Sie soll einen vor Jahren für tot erklärten Fremdenlegionär finden und stößt dabei auf allerlei Ungereimtheiten, die sie mehrfach auch mit der parallel ermittelnden Polizei in Konflikt bringen. Die dunkle Seite profitiert dabei sehr von wunderbar stimmungsvollen Bildern, die Regisseur Peter Keglevic für die im RTL-Auftrag aktive ZDF-Tochter Network Movie in Szene setzte, von der Stimmigkeit der verschachtelten Geschichte und vor allem von einer glänzenden Hauptdarstellerin.

Lara Croft und amerikanischer Geist

Melika Foroutan spielt die Detektivin Vera Gemini mit einer angemessenen Mischung aus Ernsthaftigkeit und klug gesetzten Comic-Sprenkeln. Einen Hauch der Action-Heldin Lara Croft legt Foroutan in ihre Rolle, in der sie oft böse gucken und mehr als einmal kräftig zulangen muss. Die zeichentrickartig überzogenen Momente sieht Schätzing durchaus in seinem Sinne verwirklicht. "Meine ganzen Storys funktionieren mit einer gewissen Prise Comic", sagt er und will auch den Vorwurf einer gewissen Realitätsferne nicht gelten lassen. "Sicherlich sind solche Stoffe immer ein bisschen an der Realität vorbei, aber das finde ich legitim."

Bestätigt sieht er sich durch das kluge Verhältnis von ausgeklügelten Spannungselementen und purer Action. Das sei durchaus eine Kunst, merkt der Autor an. Eine, die nach seiner Ansicht hierzulande nicht sehr viele beherrschen. Gerne preist er sich da als Ausweg an: "Seit ich denken kann, ticke ich amerikanisch. Ich habe nie diese Grenze zwischen E und U gezogen. Die Amerikaner verstricken auch mal Anspruch mit knackigem Entertainment. Da habe ich mich immer sehr zu Hause gefühlt."

Dass "Die dunkle Seite" in Berlin spielt und somit nicht länger ein Köln-Krimi ist, stört Schätzing wenig. "Ich bin der Meinung, dass man Bücher extrem verändern sollte. Die schlechtesten Filme sind jene, die das Buch Seite für Seite abdrehen", sagt er und gibt so etwas wie eine Grundregel für die Umsetzung aus. "Es muss erst einmal ein guter Film werden. Wenn er dann auch noch dem Buch entspricht, umso besser."

Weihnachtsfilm 2010

Während bei den RTL-Filmen abzusehen ist, dass "Die dunkle Seite" ein Erfolg und "Mordshunger" eher ein Flop werden wird, ist Schätzing längst weiter. Er werkelt nicht nur an seinem neuen Roman, sondern ist auch stark eingebunden in die Vorbereitungen für die Verfilmung von "Der Schwarm". Die nimmt sein Freund, der Zeitsprung-Produzent Michael Souvignier (Contergan) gemeinsam mit dem italienischen Kollegen Dino de Laurentiis in Angriff.

Derzeit laufe alles bestens, sagt Schätzing. Das Drehbuch, das ein Amerikaner schreibt, entwickle sich sehr zufriedenstellend, so dass ein Kinostart absehbar ist. "Wenn alles gut geht, sehen wir den Schwarm als Weihnachtsfilm 2010", sagt er, programmiert dann aber über eine Wortwiederholung noch einen leisen Zweifel ein. "Wenn alles gut geht!"

Das Wechselspiel von Optimismus und Zweifel speist sich für Schätzing wohl vor allem aus seinen Erfahrungen bei den RTL-Projekten. "Das Schöne ist, dass ich bei der neuen Geschichte sehr viel Einfluss habe", sagt er. Wer will, kann daraus viel lesen.

Die dunkle Seite, RTL, Sonntag, 20.15 Uhr; Mordshunger, 22. Mai, 20.15 Uhr.

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