Selten kann man die beiden Violinkonzerte Béla Bartóks hintereinander an zwei Tagen hören mit zwei exzellenten Solisten nebst zwei berühmten Orchestern unter zwei vielversprechenden jungen Dirigenten. Erst trat im Gasteig Veronika Eberle bei den Münchner Philharmonikern unter dem Venezolaner Rafael Payare auf. Tags drauf spielte Renaud Capuçon beim BR-Symphonieorchester unter Lahav Shani das 2. Violinkonzert. So lässt sich dabei die Entwicklung des Komponisten vom Junggenie zum Meister gut nachvollziehen. Auch weil das BR-Symphonieorchester im Herkulessaal vor dem 2. Violinkonzert mit Bartóks "Bildern aus Ungarn" begann und mit dem späten "Konzert für Orchester" endete. Bei den Philharmonikern stand das Programm unter dem Thema Liebe mit "Don Juan" von Richard Strauss, dann Bartók und nach der Pause Auszüge aus Sergei Prokofjews zwei "Romeo und Julia"-Suiten.
Um mit dem zweiten Abend zu beginnen: Spiel mag als Charakterisierung kaum auf Capuçons aufwendige Kraftgeigerei zutreffen, die aber zum leider insgesamt lauten Konzert passte, zu dem Shani die BR-Musiker unentwegt animierte. Was Shani beim allzu pauschal rasch genommenen "Konzert für Orchester" an Phonstärken aus dem Orchester alles herausboxte, -peitschte und -stach, war imponierend, erinnerte aber stark an einen bedenkenswerten Spruch von Sergiu Celibidache: "Wenn hundert Mann wie die Teufel agieren, macht das natürlich Eindruck. Ob es auch mit Musik zu tun hat, ist eine ganz andere Frage."
Shani ließ nur wenige Momente von Ruhe, Zartheit, Wehmut und Schönheit aufkommen. Capuçon hielt es ebenso, indem er fast nur dem Dauermezzo- bis Doppelforte traute. Das aber ebnet die Klangfarbenkontraste und -nuancen ebenso ein wie es den melodiösen Gestaltenreichtum von Bartóks großem 2. Violinkonzert gleichsam zerdrückt. Zum Glück gab Capuçon mit Konzertmeister Radoslaw Szulc noch zwei Bartók-Duos zu.
Veronika Eberle bot das 1. Violinkonzert im Kopfsatz mit leuchtendem Ton voller poetischer Sehnsucht und realisierte im zweiten Satz Bartóks Idee vom kratzbürstigen Humor seiner Angebeteten virtuos zupackend. Das Stück entstand 1907/ 08, erwachsen aus der verunglückten Liebesgeschichte mit der Geigerin Stefi Geyer, wurde aber erst posthum 1958 in Basel uraufgeführt. Weder Geyer noch Bartók mochten zu Lebzeiten ans Unterpfand ihrer gescheiterten Beziehung rühren. Rafael Payare und die Philharmoniker begleiteten aufs Feinste die Geigerin bei ihren schwärmerischen Ausflügen, ihrem träumerischen Innehalten und boten im zweiten Satz jenen nötigen Widerstand, dem Witz und Schwung der Violine antworten. Dem Beifall dankte Veronika Eberle mit dem Andante aus Prokofjews Solosonate. Payare und das Orchester waren in Weltklasselaune: Den "Don Juan" tanzte Payare geschmeidig aus, ohne den Überblick zu verlieren, es klang reich, vielfältig und transparent. Die "Romeo und Julia"-Musik entfalteten Payare und die Musiker glanzvoll als hinreißenden vielfarbigen Bilderbogen.