NS-Zwangsarbeiter:"La vita era difficile"

NS-Zwangsarbeiter: Ein Bild von Giuseppe Burani - gehalten von seinem Sohn Alfredo.

Ein Bild von Giuseppe Burani - gehalten von seinem Sohn Alfredo.

(Foto: Alessandra Schellnegger/Alessandra Schellnegger)

Das spätere Leben vieler ehemaliger Zwangsarbeiter aus der NS-Zeit eint, dass sie wenig erzählten. Doch was wissen die Nachfahren? Zu Besuch bei Familie Burani.

Von Alex Rühle

Die Geschichte von Giuseppe Burani (* 15.07.1924 in Ciano d'Enza, Emilia Romagna. + 05.01.2014 in Mailand, Lombardei), erzählt von seinem Sohn Alfredo Burani:

"Mein Vater war ein sehr kontaktfreudiger Mensch. Wir fuhren in den Sommerferien immer an die Riviera, in den Sechzigerjahren war das. Da kam er oft ins Gespräch mit deutschen Touristen; und danach hat er dann manchmal was angedeutet. 'La vita era difficile', das war eine Art diffuses Mantra. Später dann, im Alter, hat er mehr erzählt, vor allem seiner Enkelin, wahrscheinlich weil die ganz unbedarft Fragen stellte. Er wurde am 18. August 1943 eingezogen und nur drei Wochen später in seiner Kaserne von den Deutschen festgesetzt. Als er versuchte, in seiner Alltagskleidung zu fliehen, wurde er geschnappt und in einem Viehwaggon nach Deutschland geschickt.

Erst musste er in Moosburg arbeiten, anscheinend bei der Kartoffelernte. In Neuaubing - keine Ahnung, was er da genau gemacht hat. Er muss sehr unter der Kälte und dem Hunger gelitten haben, das kam immer wieder. Wie sie nach Essensresten suchten ... Er hat später nie auch nur einen Krümel im Teller gelassen. Im Alter war er extrem kälteempfindlich, ich denke oft, das kam aus dieser Zeit. Er konnte etwas Deutsch, hat deshalb oft zwischen seinen Kameraden und den Deutschen vermittelt und hatte dadurch ein besseres Verhältnis zu einem der Aufpasser. Der hat ihn wohl mehrfach zu sich nach Hause mitgenommen. Der Aufpasser hatte eine Tochter, und zwischen der und meinem Vater muss es etwas gefunkt haben. Angeblich wollte der Aufpasser sogar, dass mein Vater nach dem Krieg in Deutschland bleibt.

NS-Zwangsarbeiter: Der Vater ging zur Eisenbahnpolizei, der Sohn hat eine Modelleisenbahn im Keller: Alfredo Burani.

Der Vater ging zur Eisenbahnpolizei, der Sohn hat eine Modelleisenbahn im Keller: Alfredo Burani.

(Foto: Alessandra Schellnegger/Alessandra Schellnegger)

Vor dem Kriegsende sagten die deutschen Kapos mehrfach, wenn wir die Superwaffe haben, dann bringen wir euch italienische Verräter alle um, und machten dazu diese Halsabschneider-Geste. Sie mussten dann bei den Bombenangriffen immer ungeschützt die Trümmer wegräumen. Im April '45 wurde er wegen einer angeblichen Sabotageaktion verhaftet. Am 30. April ist er während eines Bombenangriffs abgehauen und hat sich zu Fuß bis Innsbruck durchgeschlagen. Ein paar Tage später traf er die ersten Amerikaner.

Er hat dann bei der Eisenbahnpolizei angefangen und auf dem Mailänder Bahnhof eine junge Frau angesprochen, die ihren Zug verpasst hat. So haben meine Eltern sich kennengelernt.

Zweimal hat er Entschädigungsanträge gestellt, einmal an die italienische Regierung, einmal nach Deutschland. Beide Male gab es nichts. Er war ein außerordentlich positiver Mensch, aber das hat ihn sehr getroffen."

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