Paul Newman witzelte gern, er habe einen wiederkehrenden Albtraum, in dem über Nacht seine Augen braun würden - und deshalb seine Karriere vorbei sei. Für diejenigen, die es nicht wissen: Paul Newman war ein Schauspieler mit spektakulär blauen Augen. Ein echter Filmstar, seit er Rocky Graziano gespielt hatte in "Die Hölle ist in mir" (1956).
Leider muss man das inzwischen erklären - weil viele Jugendliche von dem Mann noch nie gehört haben. Früher war das ein deutliches Zeichen, dass man hinter dem Mond lebte. In den Siebzigern aber, als er schon eine Legende war, konnte er einen Fotografenstreik auslösen, indem er sich bei den Filmfestspielen in Cannes einmal weigerte, für Paparazzi zu posieren. Ansonsten zog er sich zwar zwischen Dreharbeiten auf ein Anwesen in Neuengland zurück und kochte für wohltätige Zwecke Spaghetti in seinem Gartenhaus, eher langweilig. Aber er blieb doch für zwei Generationen ein Superstar - wegen Rocky Graziano, "Butch Cassidy", "Der Clou" und dem supercoolen Billard-Profi Fast Eddie Felson, den er in "Haie der Großstadt" (1961) und "Die Farbe des Geldes" (1986) spielte.
Ob Paul Newman heute noch ein Star würde? Das ist die Frage - und ob das Kino eigentlich überhaupt noch neue Stars produziert. Nachwuchs, der einmal Karrieren haben wird, wie es sie im Kino fast hundert Jahre lang immer wieder gab. Denn wie man berühmt wird und für was, scheint sich in den letzten Jahren massiv verändert zu haben. Ruhm misst sich nicht mehr unbedingt an einem Filmerfolg; oft hat er mehr zu tun mit einer Reality-Show oder einem Instagram-Account. Wofür ist Kim Kardashian gleich wieder berühmt? Jedenfalls nicht für Schauspielerei. Und PewDiePie, der auf seinem Youtube-Kanal 29 Millionen Abonnenten hat - mehr als irgendwer sonst - spielt in seinen Videos: Videospiele. Letzteres mag ganz lustig sein, Ersteres, das Berühmtsein für gar nichts, hat einen unangenehmen Beigeschmack.
Leinwandstars waren gottgleich und unerreichbar
Auch der alte Starrummel hatte mit Personalisierung zu tun. Das Berühmtsein fürs Berühmtsein aber ist die vollkommene Personalisierung, die keinen Platz mehr lässt für irgendetwas, das über die Person hinausweisen würde, wie beispielsweise einen Film. Was aber bedeuten diese Entwicklungen fürs Kino? Das nämlich hat sich jahrzehntelang auf seine Stars als Zugpferde verlassen.
Die Veränderungen sind schon da. Das Forbes Magazine hat in dieser Woche seine jährliche Liste der bestbezahlten Schauspielerinnen veröffentlicht, die Siegerin ist Sandra Bullock, die wegen ihrer Gewinnbeteiligung an "Gravity" 2013 51 Millionen Dollar verdient hat. Bullock ist gerade 50 Jahre alt geworden. Es ist einerseits eine schöne Neuerung, dass eine Schauspielerin in diesem Alter nicht längst aussortiert wurde, sondern der Top-Star ist. Das aber liegt wohl genau daran, dass sie 50 Jahre alt ist: Es macht sie für das ältere Publikum interessant. Jene Leute, die sich überhaupt noch merken, wie die Leute heißen, die in den Filmen spielen, die sie sich ansehen.
Jugendliche gehen einstweilen durchaus immer noch ins Kino - nur hat das wenig mit Stars zu tun. Besonders die Comic-Verfilmungen der Marvel-Studios haben derzeit immensen Erfolg: "Captain America: The First Avenger" im Frühjahr und "Guardians of the Galaxy", der in den USA am vergangenen Wochenende angelaufen ist und bei uns am 26. August ins Kino kommt, haben die erfolgreichsten Start-Wochenenden in diesem Jahr hingelegt - bei einem überwiegend sehr jungen Publikum. Um das mal in eine Relation zu PewDiePies 29 Millionen zu setzen: "Captain America" hat 710 Millionen Dollar eingespielt, hatte also mehr als doppelt so viele Besucher - illegale Downloads, legale DVD-Auswertung und spätere Fernsehausstrahlungen kommen da noch dazu.
Nur sind die Leute, die da die Hauptrollen spielen, eigentlich keine Stars. Chris Evans, der Captain America, und Chris Pratt, Anführer der Guardians, sind nicht nur den älteren Zuschauern unbekannt - auch bei Jugendlichen sind sie lange nicht so populär wie mancher Youtube-Star. Über die hat das Branchenblatt Variety diese Woche eine Titelgeschichte gemacht - einer im Juli veröffentlichten Studie zufolge sind Internetstars wie Jenna Marbles bei Jugendlichen inzwischen tatsächlich berühmter als, sagen wir mal, die Oscar-Gewinnerin Jennifer Lawrence, die doch immerhin in den sehr erfolgreichen "Tribute von Panem"-Filmen spielt.