Zum Tode von Rosa Parks:Als die Geschichte sitzenblieb

Die schwarze Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die sich vor 50 Jahren weigerte, den Sitzplatz im Linienbus für Weiße zu räumen, war eine der bedeutendsten Heldinnen unserer Zeit.

WILLI WINKLER

Ein Bus ist ein Transportmittel und sonst nichts. Ein Bus befördert Menschen von A nach B, wenn auch niemals auf dem kürzesten Weg. Ein Bus ist demokratisch: Er bringt die Kinder zur Schule und die pendlerpauschalierten Arbeiter zur Frühschicht. Wenn er hält, bremst er sehr laut und stört damit die Anwohner. Autofahrer irritiert er, weil er nach dem Verlassen der Haltestelle ausschert und sich zurück in den Straßenverkehr drängt. Im Bus fahren nur die, die sich ein Auto nicht leisten können.

Zum Tode von Rosa Parks: Rosa Parks auf einem Foto von 1999

Rosa Parks auf einem Foto von 1999

(Foto: Foto: AP)

Am 1. Dezember 1955, also vor ziemlich genau 50 Jahren, setzte sich die 42-jährige Näherin Rosa Parks in Montgomery abends nach der Arbeit in den Bus und wollte heimfahren. Sie hatte dem Fahrer zehn Cents bezahlt und war damit einen Beförderungsvertrag eingegangen. Allerdings enthielt dieser Vertrag eine gewohnheitsrechtliche Klausel, die ihr Recht auf drastische Weise beschnitt.

Wenn du schwarz bist, besagte diese Klausel, kannst du Bürger unseres demokratischen Landes sein, so viel du willst, du bleibst doch einer von den Sklaven, die wir uns einmal kommen ließen, damit sie uns die harte Arbeit auf den Plantagen abnehmen und die Muße geben, über unsern freien Staat für freie Bürger nachzusinnen. Schwarze Bürger gab es nach dem Willen der Staatsgründer George Washington und Thomas Jefferson nicht, denn Gottes Schöpfungsplan kannte nur weiße Amerikaner, und wer wäre der Mensch, dass er in diesem weisen Plan herumpfuschen dürfte.

So konnte Präsident Washington weiter seine Sklaven halten und Präsident Jefferson mit seiner schwarzen Geliebten munter Nachkommen zeugen, die von den weißen Abkömmlingen erst vor wenigen Jahren in einem Gnadenakt in die Familie aufgenommen wurden. Der amerikanische Bürgerkrieg, in dem Präsident Lincoln den Sklaven die Freiheit schenkte, brachte sie ihnen doch nur, wenn sie den Süden verließen und in die Städte im Norden umzogen.

Im Süden verarmten sie zusammen mit den Weißen, die ihren Mitmenschen die neuen Rechte verübelten und die eigenen Rechte mit Lynchjustiz und Brandstiftung verteidigten. Rosa Parks wollte das alles nicht hinnehmen und beteiligte sich am milden Widerstand der Schwarzen gegen dieses munter fortpraktizierte Unrecht.

Vorne, in den ersten vier Reihen, saßen nur Weiße, hinten saßen die Schwarzen, die, da sie drei Viertel der Passagiere im öffentlichen Personennahverkehr von Montgomery ausmachten, auch in der Mitte (aber nicht vorn!) Platz nehmen durften. Sollte aber auch nur ein einzelner Weißer Anspruch darauf erheben, mussten alle Andersrassigen weichen, nämlich hinten stehen.

Und so kam es auch an jenem 1. Dezember 1955. Nach drei Haltestellen begehrte ein Weißer in der Mitte zu sitzen, und der Fahrer forderte die vier Schwarzen auf, ihre Sitzplätze zu räumen, damit sich der Weiße ungestört seines Weißseins erfreuen konnte. Drei Männer gehorchten und rückten nach hinten, eine Frau weigerte sich und blieb sitzen, und das war Rosa Parks.

Als die Geschichte sitzenblieb

Als drei Tage später über den Verkehrsverstoß von Mrs. Parks verhandelt wurde, erlegte ihr das Gericht eine Strafe von zehn Dollar zuzüglich vier Dollar Verfahrenskosten auf. Im Februar 1956 wurde sie sogar in Haft genommen. Man machte sie mitverantwortlich für den Boykott der Schwarzen gegen die Verkehrsbetriebe der Stadt Montgomery. Nach jenem 1. Dezember nahm - mehr als ein Jahr lang - kein Schwarzer mehr den Bus. Sie bildeten lieber Fahrgemeinschaften oder gingen zu Fuß. Der weißen Minderheit missfiel dieser passive Widerstand, und die großen Reden von Pfarrer Martin Luther King wurden mit Bombenanschlägen beantwortet. Der Süden setzte den Bürgerkrieg fort, nur kämpften diesmal Weiße gegen Schwarze. Schließlich erging ein Beschluss des Supreme Court, wonach die Rassentrennung in Bussen gesetzeswidrig sei. Das war Rosa Parks zu danken, die dieses eine Mal nicht aufgestanden war.

Zum Tode von Rosa Parks: Das Foto des Sheriff- Departments von Montgomery vom 22. Februar 1956.

Das Foto des Sheriff- Departments von Montgomery vom 22. Februar 1956.

(Foto: Foto: AP)

Es gab noch manchen Boykott, den bei Woolworth 1959, als sich Schwarze, die man nicht bedienen wollte, von Weißen lieber stundenlang mit Eis und Süßigkeiten beschmieren ließen, als der Apartheid zu weichen. Es mussten noch manche sterben, Schwarze und auch Weiße, die sich der Bürgerrechtsbewegung angeschlossen hatten, bis die Diskriminierung endlich verschwand. Bill Clinton, den die Schriftstellerin Toni Morrison als "unseren ersten schwarzen Präsidenten" bezeichnete und der mit seinem zweiten Vornamen an den großen und groß fehlbaren Aufklärer William Jefferson erinnert, ehrte Rosa Parks 1996 endlich mit der Medal of Freedom. In Chicago wurde eine Straße nach ihr benannt, und es gibt viele Schulen im Land, die ihren Namen tragen.

In ihren letzten Jahren litt Rosa Parks an fortschreitender Demenz. In der US-Regierung gibt es bereits den zweiten schwarzen Außenminister, allerdings, auch das ein Zeichen von Vergesslichkeit, legt Condoleezza Rice größten Wert darauf, nicht mit der Sache der Schwarzen verbunden zu werden. Ann Moody, die sich 1959 am Woolworth-Boykott beteiligt hatte, zitiert am Ende ihrer Erinnerungen "Erwachen in Mississippi" die Nationalhymne der Bürgerrechtsbewegung, "We shall overcome". Zweifel bleiben ihr aber dennoch und sie schließt: "Ich weiß nicht, ich weiß es wirklich nicht."

Am Montag starb Rosa Louise Parks, geborene McCauley, 92-jährig in Detroit. Sie war eine der wenigen Heldinnen unserer Zeit.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: