Sie habe als Kind einen Pakt mit Gott geschlossen, sagte Witta Pohl einst bei Sandra Maischberger, als die Schauspielerin 2007 unter dem Motto "Aufstand der Ungläubigen" ins ARD-Studio geladen war. Damals erzählte sie davon, wie sie zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges gehungert, gefroren und sich geängstigt habe - und dem "lieben Gott" einen Deal vorgeschlagen habe nach dem Motto: Wenn du mir jetzt hilfst, dann helfe ich später auch anderen, die Hilfe brauchen. Witta Pohl hat ihr Versprechen viele Jahre später eingelöst - und ist nun, 73-jährig, an diesem Montag in Hamburg an Leukämie verstorben.
Am 1. November 1937 als Arzttochter Witta Breipohl in Königsberg geboren, übersiedelte die Familie1941 in die Nähe von Bielefeld. Nachdem der Vater wenige Tage vor Kriegsende von sowjetischen Truppen in der Berliner Charité erschossen worden war, folgten für die Familie schwierige, von Armut gezeichnete Jahre in Westfalen. Zunächst zur Kosmetikerin ausgebildet, verfolgte Witta Pohl ihr Ziel, Schauspielerin zu werden, von 1955 an in einer Berliner Schauspielschule bei Herma Clement.
1957 debütierte sie in als "Anne Frank" in Kassel, 1960 wurde sie in Bad Hersfeld als "beste Jungschauspielerin" ausgezeichnet für die Rolle der Hermenia in Shakespeares Sommernachtstraum, 1963 spielte sie an den Münchner Kammerspielen, von 1965 an gehörte sie sieben Jahre lang zum festen Ensemble des Hamburger Schauspielhauses und ging 1982 als Bertha in Joyce' Die Verbannten auf Tournee.
Ihre erste TV-Rolle spielte Witta Pohl 1960 in Floß der Medusa - und zählte nur zehn Jahre später schon zu den meistbeschäftigten Schauspielerinnen des deutschen Fernsehens. Ob in Der Führerschein (1979), Quartett bei Claudia (1981), in verschiedenen Tatort-Folgen oder in den Serien Die Lehmanns (1984), Eine Schülerliebe (1984) oder Ein Heim für Tiere (1985) - Witta Pohl war ein Fernsehstar vor allem der achtziger Jahre.
Größte Beliebtheit erlangte sie in der Rolle der Mutter Drombusch in der ZDF-Serie Diese Drombuschs (1983-1985): Die ersten zwölf Folgen wurden von durchschnittlich 51 Prozent der Fernsehhaushalte gesehen. Hans-Peter Korff als bis zum Herzinfarkt treu sorgender Familienvater und Witta Pohl als patente Familienmanagerin machten den Erfolg der Serie aus, die nach der Wiederholung der ersten Episoden mit neun neuen Folgen im Herbst 1987 fortgesetzt wurde, wobei die Drombusch-Fans auf das Ausscheiden des Mit-Sympathieträgers Korff alias "Sigi" durch Fernsehtod etwas unwillig reagierten.
"Wenn es mir gelingt, für wenige einen wirklichen Menschen rüberzubringen, bin ich schon zufrieden", wehrte Witta Pohl das Lob für ihre Rolle als Vera Drombusch ab und sträubte sich danach vehement gegen das ihr verliehene Etikett der "Mutter der Nation".
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Zum Tod von Witta Pohl:Die Königin der Wohnzimmer
Sie wollte nie die Mutter der Nation sein, denn Witta Pohl war mehr als nur Vera Drombusch. Nun ist sie im Alter von 73 Jahren verstorben.
Doch dem Fernsehzuschauer blieb sie von da an die unvergessliche "Mutter Drombusch", weshalb die Serie sich Anfang der neunziger Jahre immer noch einer 40-prozentigen Einschaltquote erfreuen konnte. Mit der sechsten Staffel 1994, in der Pohl als der ruhende Pol der Drombusch-Familie selbst einmal einen Zusammenbruch erlitt, wurde nach 39 Folgen das unwiderrufliche Ende der Erfolgsserie verkündet.
Obwohl Witta Pohl danach noch viele und andere Rollen spielte, blieb ihre bekannteste die der patenten Fernsehmutti, die für jedwegliche Probleme eine stets patente Lösung parat hält. Auf dem Videoportal Youtube kursieren deshalb Zusammenschnitte, die sie als "ungekrönte Königin des vorwurfsvollen Blickes" zeigen und ihre Rolle als moralisch unfehlbare Fernsehmutter der Nation liebevoll persiflieren.
Da sie danach im Fernsehen spielen konnte, was sie wollte, und ihre berühmteste Rolle doch nie überspielen konnte, blieb es die Theaterbühne, an der sich Witta Pohl ihren anderen Facetten widmen konnte.
So beeindruckte sie etwa in Sabrautzkys Inszenierung von Marsha Normans Problemstück Nacht, Mutter 1987 im Ernst-Deutsch-Theater und auf Tournee mit Dürrenmatts bissiger Ehekomödie Play Strindberg (1988) zeigte die Darstellerin auch ihre komödiantische Seite.
Neben der Schauspielerei galt Witta Pohls Engagement vor allem notleidenden Kindern weltweit. Seit 1980 übernahm sie persönliche Patenschaften für Kinder in Sri Lanka, auf den Malediven, in Uganda und Polen und organisierte und finanzierte Klinikaufenthalte und Operationen kranker Kinder aus diesen Ländern. 1991 gründete sie die Kinder-Hilfsorganisation "Kinderluftbrücke e. V." in Hamburg , mit der sie sich um die medizinische Versorgung von Sozialwaisen unter anderem in Russland, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine bemühte. Zugleich engagierte sie sich seit 1991 als Unesco-Ehrenbotschafterin für das Tschernobyl-Hilfsprogramm.
Mit ihrem Einsatz für kranke Kinder hat Witta Pohl ihren Teil des Paktes erfüllt: Kinder zu unterstützen, die Hilfe benötigen. Dass sie selbst bei ihrem Einsatz im verstrahlten Tschernobyl womöglich krank geworden sei, ließ sie selbst dementieren: Die Ärzte hätten einen Zusammenhang ausgeschlossen.
Im März war bekanntgeworden, dass die Schauspielerin an Leukämie erkrankt war. Sie war im Hof ihres Hauses in Hamburg zusammengebrochen. Kurz darauf wurde Blutkrebs diagnostiziert. "Nach achtwöchigem Leiden hat sie ihren schwersten Kampf verloren", heißt es in der Mitteilung der Familie. Witta Pohl, die in zweiter Ehe mit dem Schauspieler Charles Brauer verheiratet war, hinterlässt aus dieser Beziehung zwei Kinder, ein Zwillingspaar. Sie lebte zuletzt allein in Hamburg. Ihr letzter Auftritt im TV war 2009 in einer Folge der Serie Großstadtrevier.
Die Mutter der Nation, die sie nie sein wollte - sie wird der Nachwelt nicht nur als "Mutter Drombusch" in Erinnerung bleiben, sondern vielen auch als die Schauspielerin, die ihre übergroße Mutterrolle in eine tatsächlich helfende Hand verwandelte. Patent zu sein, das war eben ihr Patent.