Zum Tod von Roger Cicero:Souveräner Mr. Swing

Jazz und Swing waren seine Markenzeichen, an denen er gegen den Zeitgeist festhielt - mit Erfolg. Zum Tode von Roger Cicero, der viel zu früh starb.

Nachruf von Paul Katzenberger

Wenn jemandem eine Musikerkarriere in die Wiege gelegt wurde, dann war das Roger Cicero. Als Sohn des in den 1960er und 1970er Jahren europaweit populären exilrumänischen Jazz-Crossoverpianisten Eugen Cicero (1940-1997) wurde er am 6. Juli 1970 in Berlin geboren. Auch seine Mutter Lili stand als Tänzerin der Musik nahe, und so erhielt Sohn Roger bereits im Alter von vier Jahren Klavierunterricht und lernte danach Gitarre und Gesang.

Nach seiner Schulzeit, die er vor dem Abitur abgebrochen hatte, absolvierte er eine Gesangs-, Klavier- und Gitarrenausbildung am "Hohner Konservatorium" im badischen Trossingen. Von 1991 an studierte Cicero Musik im holländischen Hilversum.

Sein Vater verschaffte ihm Kontakt zu den Musikern des Rias-Tanzorchesters, mit dem er als 20-Jähriger Auftritte absolvierte, im Bundesjugendjazzorchester trat er als Solist auf.

Mitte der 1990er Jahre ging er nach Hamburg und trat mit seinem Jazz-Trio "First Show Band" auf. Neben Jazz begeisterte sich Cicero für Soulmusik und schloss sich zeitweise der 2001 gegründeten Berliner Band "Soulounge" um Sven Bünger und Bela Brauckmann an.

Obwohl Cicero in Szenekreisen schon als herausragende Figur galt, gelang ihm der kommerzielle Durchbruch erst mit seinem ersten Soloalbum "Männersachen" im Mai 2006.

Unser Mann in Helsinki

Sein Erfolgsrezept: Anders als viele in der Jazz- und Swingsparte verzichtete er auf die in Mode gekommenen Frank-Sinatra-Kopien. Nur eine Cover-Version ist auf dem Album enthalten: die deutsche Fassung von "Fly Me To The Moon". Stattdessen punktete er mit einem Mix aus Jazz, Soul und Swing- und mit witzigen und charmanten deutschen Texten. Die Platte kletterte auf Rang 25 der deutschen Albumcharts - ein Riesenerfolg. Doch es sollte noch steiler nach oben gehen: Im Februar 2007 erhielt Cicero einen "Echo" in der Kategorie "Künstler Rock/Pop National" und setzte sich gegen starke Konkurrenten wie Bela B., Sven Regener und Jan Delay durch.

Dann gelang ihm ein Coup: Im März 2007 trat Cicero im deutschen Vorentscheid für den "Eurovision Song Contest" an und setzte sich gegen Heinz Rudolf Kunze sowie die Castingband Monrose überraschend durch: Sein Titel "Frauen regier'n die Welt" errang mehr als 50 Prozent der Stimmen und die Single rangierte in den Top 10 der deutschen Charts. In Helsinki erreichte er mit seiner elfköpfigen Swingband aber nur einen enttäuschenden 19. Platz; mit einer Swing-Nummer war in diesem Rahmen doch nicht erfolgreich zu punkten.

Cicero ließ sich davon nicht beirren, blieb seinem Stil treu. Schon im Oktober 2007 folgte sein neues Album "Beziehungsweise", bei dem er nach bekannter Machart Swing, Jazz und Pop kombinierte. Die Platte wurde mit dreifachem Gold in Deutschland ausgezeichnet und hielt sich 44 Wochen in den Charts.

Zeit des Nachdenkens

2008 wechselte Cicero vorübergehend ins Schauspielfach und spielte in dem Film "Hilde" über das Leben von Hildegard Knef den Musiker Ricci Blum.

Im März 2009 meldete sich Cicero mit dem Album "Artgerecht" als ein Musiker zurück, der sich nun auch im Funk- und Soul-Fach beweisen wollte. Das gelang nach Kritikermeinung, wobei auch die amüsanten Songtexte von Frank Ramond viel Anklang fanden, die die Unterschiede von Mann und Frau unter die Lupe nahmen.

In dieser Zeit erweiterte Cicero seinen Radius in der Öffentlichkeit - als Synchronsprecher für den Disney-Film "Küss den Frosch" als Prinz Naveen. 2010 moderierte er auf Sat 1 die Musik-Ranking-Show Die Hit-Giganten; zwei Jahre später später interpretierte er für das Projekt "Giraffenaffen" mit anderen Künstlern Kinderlieder neu. Doch Jazz und Swing blieben seine Markenzeichen - ebenso wie seine Schiebermütze.

Cicero sagte selbst über sich: "Der Erfolg kam zwar nicht schnell, wenn man meinen Lebensweg betrachtet, aber dafür ziemlich plötzlich. Und auch ziemlich massiv: Ich hatte drei Jahre lang weder Zeit noch Kopf, irgendetwas zu verarbeiten."

Diese hektischen Zeiten beendete Cicero 2011, als er sich für das Album "In diesem Moment" für längere Zeit ins Studio zurückzog. Mit Erfolg: Die Platte, in der sich die Twenties ebenso finden wie moderner Beat und abgehangener Bar-Jazz, kam bis auf Platz 4 in den deutschen Charts. Anfang 2012 ging er mit "In diesem Moment" auf Tournee - mit mehr als 30 Konzerten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Auch 2013 interpretierte er sein Thema Jazz neu. In "The Roger Cicero Jazz Experience" präsentierte er auf deutschen Bühnen Jazz-Klassiker und Cover, lediglich begleitet von Schlagzeug, Piano und Bass.

Zwei Jahre mit Rückschlägen

Vor zwei Jahren geriet Cicero in private Turbulenzen, wobei er sich nicht scheute, diese im Frühjahr 2014 auf seiner Platte "Was immer auch kommt" zu thematisieren. Die zerbrochene Beziehung zu seiner Lebensgefährtin Kathrin Claasen floss in die Liedtexte mit ein und auch in zahlreichen Interviews äußerte sich Cicero dazu. Im Gespräch mit der Münchener Abendzeitung sagte Cicero zur musikalischen Umsetzung des Albums: "Ich habe versucht, dass ich jede Atmosphäre und Emotion, die ich in einem Titel vermitteln wollte, auch entsprechend musikalisch umsetzen konnte." Auch dieses Album wurde ein Erfolg - es stieg auf Platz 4 in die deutschen Charts ein.

Aber dann rächte sich der Erfolg doch. Im vergangenen Jahr brach Cicero mit akutem Erschöpfungssyndrom und mit dem Verdacht auf Herzmuskelentzündung zusammen. Als Ursache galten beruflicher Stress und ein verschleppter Virus.

In gut einer Woche wollte Cicero mit seiner neuen Tournee "Cicero sings Sinatra" in Frankfurt starten - am Ende doch noch mit Sinatra. Nachdem er zahlreiche Promotion- und TV-Auftritte absolviert hatte, traf ihn nach seinem letzten Live-Auftritt im Bayerischen Fernsehen am 18. März ein Hirnschlag, von dem er sich nicht mehr erholte. Roger Cicero, der souveräne Mr. Swing, starb im Kreise seiner Freunde im Krankenhaus.

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