Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Prince:Goodbye, you sexy Motherfucker

Prince war nicht nur ein Sex-Symbol, er, ganz allein, war eine sexuelle Revolution.

Von Sebastian Gierke

Ah, wie wunderbar schmutzig er war. Über seinen "Johnny" gesungen hat er, und wie hart der wird. Härter nämlich "als der Griff des Rechens im Garten". Prince wollte explodieren und warnte für diesen Fall: "Mädchen, ich hab 'ne ganze Menge." Es geht um die verschiedensten sexuellen Spielarten, um Masturbation, Körperflüssigkeiten, um "Finger rein und raus" und allerlei hier Unaussprechliches. "Sexy motherfucker, shakin that ass ..."

Es war Prince, dem wir den Parental-Advisory-Aufkleber zu verdanken haben, diesen Hinweis für die Erziehungsberechtigten, dass das hier etwas sein könnte, wofür sich der Nachwuchs besonders interessiert. Und auf der Bühne hat er uns stolz sein Schamhaar präsentiert, obwohl die Hose so eng war, dass sie sowieso kaum etwas verborgen hat.

Prince war ein Macho, der scheinbar vor allem eins im Kopf hatte: Sex.

Damit wurde er zum Symbol, zum Sex-Symbol. Und ja, auch deshalb hat er Millionen Platten verkauft. Doch dem 1958 in Minneapolis geborenen Popkünstler ging es nicht nur um den billigen Effekt, die Aufmerksamkeit. Prince war nicht nur ein Sex-Symbol, er, ganz allein, war eine sexuelle Revolution.

Sex - nimmt man ihn ernst - ist ja vor allem etwas Mentales. Beschränkt man die körperliche Liebe auf das Physische, bleibt nicht viel übrig. Sex ist die absolute Verklärung, Sex ist, was er im Kopf auslöst. Dann erst wird er zu einer Kraft. Einer Kraft, die uns Wege aus der menschlichen Beschränktheit weisen kann. Genau das hat Prince getan.

Er trat in High Heels und Reizwäsche auf. Oder 1981, im Vorprogramm der Rolling Stones, bekleidet nur mit einem klitzekleinen Frauenhöschen. Die Stones-Fans, die richtigen Männer unter ihnen, bewarfen ihn mit Obst, brüllten ihm homophobe Beleidigungen entgegen. Nach 15 Minuten verließ Prince die Bühne. Am nächsten Tag, zum zweiten Konzert, kam er wieder.

Prince war ein Macho, aber keiner, wie ihn sich die, die auch heute noch "richtige Männer" sagen, ohne sich dafür zu schämen, einen Macho vorstellen. Schon 1981, auf dem Album "Controversy", hat er gesungen: "Am I black or white, am I straight or gay?" Und in "If I Was Your Girlfriend" von 1987, einem Liebeslied, will er selbst zur Frau werden und mit seiner Freundin Sex haben. Prince war ein geschlechtsloser Macho.

Queerness im Pop ohne Prince? Undenkbar!

Was heute für viele zum Erfolgsrezept geworden ist - eindeutige Gender-Zuordnungen zu unterlaufen - war damals, in den 80ern, nicht ohne Risiko. Little Richard oder Lou Reed haben zwar davor schon mit Rollen gespielt, doch erst Prince und David Bowie, dem anderen überlebensgroßen Popkünstler, der dieses Jahr verstarb, ist es gelungen, die Grenzen zwischen männlich und weiblich aufzulösen, patriarchale Geschlechterverhältnisse und sexuelle Normen ganz grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Einteilung in Kategorien wie Geschlecht oder Rasse hat er ad absurdum geführt - ohne groß darüber zu reden. Beinahe jede relevante Performance im Pop hat seither etwas mit der Überschreitung von Geschlechterrollen zu tun.

Queerness im Pop ist ohne Prince nicht denkbar. All die Umdeutungen, Umbenennungen, Abweichungen, Mehrdeutigkeiten, die aktuelle Künstler wie Beyoncé, Janelle Monae, The Weeknd oder D'Angelo heute so großartig machen. Der schwule Frank Ocean hat gerade erklärt, Prince habe es ihm leichter gemacht, sich mit seiner sexuellen Identität gut zu fühlen, "einfach, in dem er gezeigt hat, wie irrelevant die archaischen Ideen der Gender-Konformität heute sind."

Prince wurde so auch zur Projektionsfläche. Für die Fans ging es nicht mehr nur darum, einen unerreichbaren Star anzuhimmeln, ihn zu begehren. Das war auch kaum möglich. Wen solltest du begehren? Die schwarze Frau Prince? Den weißen Mann?

Prince, Kunstfigur und Visionär, hat mit seiner so provokativ zur Schau gestellten Skepsis gegenüber der heterosexuellen Ordnung, gezeigt, was möglich ist. Was heißt es, ein Mann zu sein? Durch Prince gibt es auf diese Frage heute viel mehr Antworten. Die Grenzenlosen sind nicht mehr automatisch die Ausgegrenzten der Gesellschaft. Prince hat vielen, vor allem Jugendlichen, neue Welten eröffnet.

Damit wurde er auch zu einem politischen, emanzipatorischen, feministischen Künstler. Denn er hat wie kein anderer klargemacht, dass das, was als Frau und Mann gilt, nicht mehr ist als eine Vereinbarung zwischen Menschen. Eine, die geändert werden kann.

Wie wichtig diese Errungenschaft ist, das zeigt sich heute in der Rückkehr des aggressiven Normalismus und Anti-Feminismus, wie er von der AfD gepredigt wird, die gegen Queerness oder sogenannten Genderwahn mobil macht.

Dagegen noch mal ein bisschen Prince hören: "Am I black or white, am I straight or gay?"

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