Das niederösterreichische Zwettl, eine Fluchtstation, gab später einem seiner Bücher den Titel, von der Angst vor der Roten Armee, der Vergewaltigung der Mutter und ihrem Selbstmord 1946 erzählte er noch im hohen Alter, auch davon, dass der Selbstmörderin auf dem Friedhof in Nürtingen kein Grab mit Namen zugestanden wurde und die Flüchtlinge alles andere als willkommen waren und mit Spottnamen bedacht wurden.
Und er machte kein Hehl aus seiner Beobachtung, dass manche der damaligen Flüchtlinge nach 2015 Teil der härtesten Abwehrfront gegen die aktuellen Migranten waren.
In der Küche hörte der junge Peter Härtling 1947, so hat er es in "Leben lernen" (2003) erzählt, als er am "Ess-, Schreib- und Lerntisch" seine Schulaufgaben machte, jemanden im Radio rülpsen. "Sehr kunstvoll. Das konnte ich auch. Damit ärgerte ich manchmal Großmama und beeindruckte Schulkameraden. Der im Radio rülpste besser. Ich horchte hin."
Der Rülpser war Hans Quest, das Hörspiel war "Draußen vor der Tür". "Sie (die Figuren im Stück) gehörten zu mir. Sie drückten sich in einer Sprache aus, die sich in meinem Gedächtnis absetzte in Wendungen und Formeln, auch in Bildern, die ich hören konnte. (...) manchmal sangen Soldaten mit. An dieser Stelle schossen mir Tränen in die Augen. Ich weinte vor mich hin bis zur Absage. Großmama, daran erinnere ich mich, hinderte Tante Käthe mit einer abwehrenden Geste, mich ins Bett zu schicken. Hans Quest habe ich später im Stuttgarter Schauspielhaus gesehen. Er glich ganz und gar der Stimme Beckmanns."
Gelingende Bildung, das war der immer zurückweichende Fluchtpunkt in Härtlings Annäherungsprojekt. Was die Einfühlung anbelangt, schoss er dabei nicht selten über das Ziel hinaus, gelangte zu weit in eine fiktive Intimität mit Hölderlin oder Schumann hinein. Die Einfühlung wurde aber durch die Aufmerksamkeit auf die Widerstände ausbalanciert, denen sich seine Helden gegenübersahen.
Auf den Spuren Hermann Hesses und Robert Walsers
Damit stand er in einer großen, bis in die Goethezeit zurückgehenden Tradition, die mit Hermann Hesse gerade im Schwäbischen im frühen zwanzigsten Jahrhundert aufblühte: die literarische Musterung der Bildungsinstitutionen.
Härtling notierte die "Kargheit, den Druck, die Rohheit", der er Hölderlin im Kloster Denkendorf und in Maulbronn ausgesetzt sah, die Heranwachsenden in Schulen und Heimen gehörten zum festen Personal seiner Romane, einen seiner schönsten Essays widmete er unter dem Titel "Die angewachsene Tarnkappe" dem großen Schweizer Berichterstatter aus den Innenwelten der Zöglinge und ihrer Erziehungsanstalten, Robert Walser.