Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Patricia Neal:Freiheit im Tausch

Sie war Gary Coopers Geliebte, sie war Roald Dahls Ehefrau, und im Kino hätte sie eine zweite Greta Garbo werden können. Doch Hollywood hat Patricia Neal nie begriffen. Nun ist die Schauspielerin im Alter von 84 Jahren gestorben.

Fritz Göttler

Eine Erscheinung wie aus einer anderen Welt, erschütternd, ins Groteske spielend, surreal. Mit langsamen Schritten, zwischen Zögerlich- und Zielstrebigkeit, geht die junge elegante Frau die Rampe des Steinbruchs entlang, an deren Fuß die staub- und schweißbedeckten Männer mit ihren Schlagbohrern am Werk sind. Der weiße Schal flattert unter den Windstößen, in der Hand hält sie den weißen Hut vor die Brust. Ihr Blick fällt, zwischen zwei Steinblöcken, auf den athletischen Mann, streift vom vibrierenden Bohrer in seiner Hand zum Gesicht. Er wischt mit dem freien Arm über die Stirn, nun fällt auch sein Blick auf sie. Patricia Neal und Gary Cooper in The Fountainhead, die Mechanik des Begehrens, so eindeutig in Szene gesetzt, mit all den sanften, aggressiven, masochistischen Momenten, wie nur die Traumfabrik es kann. Erstaunen liegt in Neals Blick und Lust und eine Ahnung, wie unnahbar dieser Mann sein muss.

The Fountainhead/Ein Mann wie Sprengstoff, 1949, ist der große erratische Hollywood-Block vom Ende der Vierziger, nach dem Roman von Ayn Rand, der Prophetin des radikalen amerikanischen Individualismus, inszeniert von King Vidor, dem Konstruktivisten amerikanischer Urgewalt. Patricia Neal, das zeigt der Film mehr als deutlich, hätte in Hollywood dort weitermachen können, wo Garbo Anfang der Vierziger aufhörte. Aber Hollywood hat Neal nie begriffen, sie wurde fehlplatziert in Romanzen und Komödien, dazu ein paar respektable Melos, Bright Leaf, erneut mit Gary Cooper, als Tabakfarmer, oder Der Tag, an dem die Erde stillstand.

In der Jugend schon wollte Patricia Neal, geboren am 26.Januar 1926 in der Bergwerksstadt Packard, Kentucky, auf die Bühne, mit zwölf hatte sie erstmals Schauspielunterricht, ein Weihnachtsgeschenk der Eltern. 1945 ging sie nach New York, Eugen O'Neill und Lillian Hellman förderten sie. Sie räumte bei den großen Theaterpreisen ab, und schnell waren Hollywoods Agenten da, ein Siebenjahresvertrag bei Warner.

Mit Gary Cooper hatte sie an affair to remember, eine unvergessliche Liebe: "One of the most beautiful things that ever happened to me in my life", schrieb sie 1988 in ihrer Autobiografie. Aber Cooper war verheiratet, er wollte dieser Liebe nicht die Ehe opfern. Neal hat dann 1953 den jungen Royal-Air-Force-Offizier Roald Dahl geheiratet, ihm durch ihre Gagen die Entwicklung als Autor ermöglicht, erst makabrer short stories, dann weltberühmter Kinderbücher. Es heißt, sie sei die weltbekannte Gattin des Fantastic Mr. Fox. Sie hatten fünf Kinder, eins starb mit sieben an Masern, der Sohn Theo war, nach einem Autounfall, hirngeschädigt.

Elia Kazan hat ihre Rückkehr zum Broadway unterstützt und dann mit ihr A Face in the Crowd gedreht, mit Paul Newman spielte sie 1963 in Hud, als Ranch-Haushälterin. Ganz bodenständig und unglamourös, ein wenig mürrisch werkelte sie mit Teig herum und erledigte den Abwasch, eine Zigarette zwischen die Lippen gekeilt - sie bekam einen Oscar dafür. Im Februar 1965, am ersten Drehtag von John Fords Seven Women, hatte sie einen Schlaganfall, zwei weitere folgten im Krankenhaus, sie war rechtsseitig gelähmt, hatte Sehkraft und Sprache verloren. Sie war 39 Jahre alt.

Roald Dahl hat sie ins Leben zurückgebracht, durch eisernes Training, "Roald der Sklaventreiber, Roald der Bastard, Roald the Rotten, wie ich ihn immer wieder nannte". Später hat Roald sie dann mit einer ihrer Freundinnen betrogen, 1983 kam die Scheidung. Einer ihrer letzten Filme war, in der Titelrolle, Robert Altmans Cookie's Fortune, 1999. Einer der schönen kleinen späten Gemeinschaftsfilme von Altman, so unscheinbar, so dicht. Eine meiner schönsten Erinnerungen, so Neal, war das Barter Theater in Abingdon, Virgina. Das war zur Depressionszeit, keiner hatte Geld und die Leute kamen zur Vorstellung und zahlten mit Nahrungsmitteln. Am Sonntag ist Patricia Neal im Alter von 84 Jahren in Edgartown, Massachusetts gestorben.

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SZ vom 10.08.2010/kar
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