Zum Tod von Michael Jackson:"Tot mehr wert als lebendig"

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Michael Jackson hat zu Lebzeiten mehr als 750 Millionen Alben verkauft und hunderte Millionen Dollar verdient. Doch der Star starb trotzdem hoch verschuldet. Nach seinem Tod könnte das große Geschäft beginnen, mutmaßen Branchen-Experten.

Michael Jackson hat die letzten Jahre seines Lebens hoch verschuldet verbracht. Aber der Tod des "King of Pop" eröffnet Branchenkennern zufolge mit großer Wahrscheinlichkeit eine Bonanza, die lukrativer als die Comeback-Tournee sein wird, auf die sich der 50-Jährige Musiker vorbereitet hatte.

Trauernde Fans legen vor der Neverland-Ranch Blumen nieder. (Foto: Foto: AP)

Denn mit der Nachricht von Jacksons Tod vervielfachten sich die Umsätze mit Jacksons Musik und Memorabilia, und seine gerade noch der Zwangsversteigerung entgangene Neverland-Ranch könnte zum zweiten Graceland werden.

Hoch verschuldeter Star

Mit "Thriller" nahm Jackson das weltweit bestverkaufte Album auf. Es gab Zeiten, da verdiente der "King of Pop" 50 Millionen Dollar im Jahr, seine gesamten Einnahmen wurden auf 750 Millionen Dollar geschätzt. Doch als er starb, war der Megastar hoch verschuldet. Drei Jahrzehnte führte Jackson ein extravagantes Leben: Übernachtete in Spitzenhotels mit einer riesigen Entourage, kaufte spontan Kunst und überhäufte Freunde wie Elizabeth Taylor mit Luxusgeschenken. Viel Geld musste der Popstar ausgeben, um zwei Skandale wegen des angeblichen Missbrauchs Minderjähriger zu überstehen.

Das Wall Street Journal berichtete, dass der US-Sänger am Ende Schulden von 500 Millionen Dollar angehäuft haben soll. Und das, obwohl das Idol ganzer Generationen schätzungsweise 750 Millionen Platten verkaufte und 13 Grammys gewann - und obwohl der Popstar große Summen mit Konzerten und Lizenzrechten verdiente. "Es gab keinen Plan darüber, wie viel er ausgeben sollte", hatte Alvin Malnik, Rechtsanwalt und früherer Finanzberater Jacksons, bereits 2006 in der New York Times gesagt.

"Millionen von Dollar wurden verwendet für das Chartern von Flugzeugen, dem Ankauf von Antiquitäten und Bildern." Dabei besaß Jackson durchaus Sinn für gute Geschäfte, eine kluge Entscheidung traf er 1985: Er kaufte für 47,5 Millionen Dollar ATV Music, die Firma besaß die Rechte an 251 Songs, die John Lennon und Paul McCartney mit den Beatles geschrieben hatten. Zehn Jahre später verkaufte der Künstler die Hälfte der Lizenzrechte für 150 Millionen Dollar an Sony.

Ein guter Deal

Sony und ATV managten die Rechte gemeinsam, auch die von Jacksons eigener Musik. Zum Zeitpunkt seines Todes war der Anteil des Megastars schätzungsweise eine Milliarde Dollar wert, wie Ivan Thornton, privater Finanzberater, der auch für die Jacksons tätig war, der Finanznachrichtenagentur Bloomberg sagte. Mit dem Sony-Deal waren die Finanzen des US-Musikers trotz hoher Ausgaben Ende der 1990er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrzehnts in einigermaßen ruhigem Fahrwasser - allerdings mangelte es dem einstigen Megastar an liquiden Mitteln.

Denn Sorgen musste Jackson sich auch um sinkende Absatzzahlen machen: Verkaufte sich "Thriller" nach Angaben seines Managements mehr als 100 Millionen Mal, waren es bei "Invincible" (2001) nur noch sechs Millionen Exemplare, die Produktionskosten erreichten aber 25 Millionen Dollar.

Kostspielig waren auch die Vorwürfe wegen des nie bewiesenen Missbrauchs von Kindern: 1993 behauptete ein 13-jähriger Junge, in Jacksons Schlafzimmer Opfer sexueller Annäherungen geworden zu sein. Der Star bestritt das konsequent, einigte sich aber schließlich mit der Familie des Jungen auf eine Abfindung in Millionenhöhe, von 20 Millionen Dollar wurde damals gemunkelt. Ähnliche Beschuldigungen eines Teenagers führten 2005 zu einem "Jahrhundertprozess", der mit einem Freispruch endete. Ernste Berichte über Jacksons finanzielle Probleme tauchten 2006 auf.

Um Kosten zu sparen schloss Jackson das Haupthaus seiner Neverland Ranch, auf der er sich einst einen Privatzoo und einen Vergnügungspark eingerichtet hatte. Gleichzeitig blieb er wiederholt Zinsen schuldig. Eine Einigung in letzter Minute bewahrte den US-Star davor, sein Anwesen im vergangenen Jahr öffentlich versteigern zu müssen. Im April dieses Jahres stoppte der Sänger die Versteigerung persönlicher Gegenstände, zu denen auch ein mit Kristallen bestickter Handschuh aus dem Video "Billie Jean" und verschiedene Musikpreise gehörten. Zuvor hatten Experten geschätzt, dass der Verkauf der 1390 privaten Besitztümer vermutlich zwischen 10 und 20 Millionen Dollar eingebracht hätte.

Parallelen zwischen Jacko und Elvis

Der Vergleich zwischen dem King of Pop und dem King of Rock'n'Roll, Elvis Presley, liegt in vielerlei Hinsicht nahe: Wie Jackson hatte Elvis Presley vor seinem Tod 1977 seit Jahren kein Hit-Album mehr herausgebracht. Er lebte zunehmend von den Tantiemen für frühere Platten sowie Auftritten in Las Vegas. Aber nach seinem Tod wurde er zu einer Art Geldmaschine. "Offen gesagt, er ist tot vielleicht mehr wert als lebendig", sagt der Jurist des Aufnahmestudios Hit Factory in New York, Jerry Reisman, über Jackson. In der Hit Factory hatte Jackson sein Bestseller-Album "Thriller" aufgenommen.

Graceland wurde nach dem Tod Presleys auf 4,9 Millionen Dollar geschätzt. Der Medienunternehmer Robert Sillerman zahlte 2005 für einen auf 90 Jahre befristeten Mietvertrag für 85 Prozent des Anwesens 100 Millionen Dollar. Jacksons Neverland wird jetzt auf eine Milliarde Dollar geschätzt.

Der Run auf Jacksons Musik generiert riesige Umsätze: Amazon meldete einen 700 mal hören Verkauf von Jackson-Alben und MP3-Dateien am Donnerstag, am Freitag war er noch höher, wie der Vorstandsvorsitzende des Internet-Händlers, Bill Carr, mitteilte.

Broadcast Music, das Lizenzgebühren für Jackson-Hits wie "Beat It" und "Billy Jean" einsammelt, rechnet mit einer Verdreifachung der Einnahmen - wegen Jacksons Tod. "Man kann sich alle von Patsy Cline bis Big Bopper und Buddy Holly anschauen - die Wirkung (des Todes eines Künstlers) auf den Katalog ist gewaltig", sagt Broadcast-Music-Chef Del Bryant. Jacksons Musik ist aber nicht die einzige Einnahmequelle.

Sillerman hat mit seiner Firma CKX die Rechte an Presleys Erscheinung, und mit Elvis-Darstellungen versehene Gürtel, T-Shirts, Uhren und Figuren spülten 2007 nicht weniger als 52 Millionen Dollar in die Kassen. Elvis distanzierte damit lebende Superstars wie Madonna und Justin Timberlake, berichtete das Magazin Forbes. Es setzte Presley an die Spitze der bestverdienenden toten Berühmtheiten.

Jacksons Erben werden mit Aussehen und Werken - bereits veröffentlichte und wohl auch noch nicht veröffentlichte Musik - ähnlich verdienen wollen. Und Jacksons Neverland werde wohl auch zu einer Fan-Pilgerstätte wie Graceland werden, sagte Steve Gordon, ein auf die Unterhaltungsindustrie spezialisierter Anwalt.

Auch die Scharen von Michael-Jackson-Imitatoren werden Konjunktur haben, sagt die Chefin der New Yorker Imitatoren-Agentur Bubbygram.Com, Adrienne Gusoff. "Ich denke, sein Tod wird ihn zu einem noch größeren Star machen." Sie vertritt rund ein Dutzend Jackson-Nachmacher, die bald ähnlich gefragt sein dürften wie die Darsteller von toten Berühmtheiten wie Frank Sinatra und Marilyn Monroe. Erst müssten sie aber selbst über den Verlust ihres Idols hinwegkommen. "Einer meiner Jungs in New Jersey ist ganz schön fertig", sagt Gusoff. "Es ist, als ob ein Familienmitglied gestorben ist."

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