Zum Tod von Michael Jackson:Ein Junge, der 50 wurde

Auf Rollschuhen zum Meeting: Wie Michael Jackson in der harten Welt der Anwälte und Deals zugrunde ging. Kann man eine solche Karriere überhaupt überleben?

Arthur Cohn

Guten Morgen, Michael, wie war die Nacht...? Wer hat ihm diese Frage am letzten Tag seines Lebens gestellt? Und wie war die Antwort? Wir werden sie nie erfahren. Und wenn wir jetzt wissen wollen, wer Michael Jackson eigentlich war und warum sein Leben so früh und plötzlich zu Ende ging, werden wir die Antwort auch nicht so leicht finden. Vielleicht in einigen Monaten, in einigen Jahren, oder nie.

Michael Jackson, Arthur Cohn, Jacko, King of Pop, Ein Junge, der 50 wurde; Foto: Reuters

Die Welt ist in Schockstarre über den Tod des Künstlers Michael Jackson.

Die Bilder.

(Foto: Foto: Reuters)

Wenn Superstars diese Welt verlassen, ist die Dramaturgie immer gleich: der Schock, die Trauer, der Abschied, Jahre später die Mythen. Ja, man wird in seinen Lied-Texten mystische Botschaften entdecken. Ob Marilyn Monroe, James Dean, Elvis Presley - sie alle sind unsterblich tot. Aber ist die Trauer um Michael Jackson nicht doch grundlegend anders? Mischt sich hier nicht auch eine gewisse Schuld zur Bewunderung? Hat man das zerbrechliche Musik-Genie zu hart in den Medien und der Gesellschaft angefasst? Hat er sich deswegen seinen privaten Rummelplatz - genannt "Neverland"- gebaut ? Einen Fluchtpunkt, den er sich am Ende nicht mehr leisten konnte...?

Ich begegnete Michael Jackson nur zweimal, es waren Galas und die Stimmung war so fröhlich wie die Glitzer-Jackets, die er trug. "I love you" lautete die Botschaft in jedes Mikrofon, das ihm entgegengestreckt wurde. Seine Sprache war die Musik, und kein Pop-Star vor ihm setzte sie so kraftvoll ein wie er. 750 Millionen Tonträger, das ist Weltrekord.

Doch kann man eine solche Karriere überleben? War Jackson in der Tradition von Elvis und Marilyn, die manchmal Todessehnsüchte hatten...? Ich glaube, bei Michael Jackson war es nicht so. Freunde von mir, die ihn intensiv kannten - wie Elton John und Liz Taylor - liebten und verehrten ihn und erzählten mir immer und immer wieder von seinem kindlichen Wesen. Kindlich ist nicht kindisch! Michael wurde zwar 50 - aber war er mit 20 anders ? Die Antwort heißt klar nein, und das beantwortet so viele Fragen. Ein 20-Jähriger, der 50 ist, hat die Kräfte nicht mehr, die in diesem knallharten Business diskussionslos vorausgesetzt werden.

Ich war mit Lee Solters befreundet. Er war der größte PR-Agent Hollywoods, war Karrieren-Architekt von Barbra Streisand, Frank Sinatra und jahrelang auch für Michael Jackson tätig. Ich erinnere mich an einen Lunch-Termin mit Lee in Beverly Hills. Er kam von einer Sitzung mit Michael Jackson, es ging um Strategien und neue Ideen. Lee war geschafft. "Weißt du, Arthur, das Meeting ging zwei Stunden, und zwei Stunden lang fuhr Michael auf den Rollschuhen im Kreis herum, wir saßen am Tisch. Er fuhr immer um uns herum..Das ist schon ungewohnt."

Solche Worte sagen mehr als manche Würdigung. Meetings auf Rollschuhen! Erwachsene tun das nicht. Der "Big Boy" als Weltstar - eine so junge Seele in der harten Welt der Anwälte und Millionen-Deals. Kann das gut gehen? Offensichtlich nicht.

Und doch - die Mega-Stars, die uns zu früh verlassen, sind alle grundverschieden. Oft verbindet sie nur eine Gemeinsamkeit, die Menschen im Alltagsstress so schwer glauben können: die Tatsache, dass Geld und Erfolg noch lange kein Garant für Glück sind. Die Probleme der Stars sind so verschieden wie ihre Karrieren.

Elvis Presley hat seine Story, Marilyn Monroe ihre. Was damals geschah, hat mir Tony Curtis, einer meiner besten Freunde, erzählt. Marilyn Monroe wollte sich nicht umbringen. Marilyn spielte mit Schlaftabletten eine Art Roulette: Sie nahm so viel, dass sie in die Nähe der Todesgefahr kam, aber nur in die Nähe. Mit ihrer Haushälterin hatte sie eine Abmachung: Würde sie noch schlafen, wenn die Haushälterin am Morgen kommt, muss sofort ein Arzt ins Haus. Das war oft nötig! Aber an jenem Morgen, so Tony, kam die Haushälterin viel zu spät in die Villa des Diamond-Girls...

Auf der nächsten Seite: Der Hindernislauf durch ein Blitzlichtleben ist vorbei.

Ein Kerze, die an zwei Enden brannte

Kam jemand zu spät zu Jackson - oder kam ein schlechter Arzt zu früh...? Die Antwort kennen wir nicht. So ist das Leben der Superstars ein Leben in extremen Spannungsfeldern. Der Erwartungsdruck ist kaum nachvollziehbar: Fans und Business-Partner würdigen nicht ein Lebenswerk, sondern immer nur den jeweils letzten Erfolg. Diesen gilt es zu übertrumpfen.

Michael Jackson, Arthur Cohn, Jacko, King of Pop, Ein Junge, der 50 wurde; Foto: ddp

Arthur Cohn ist der einzige Filmproduzent in der Geschichte Hollywoods, der sechsmal mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

(Foto: Foto: ddp)

Aber konnte das Jackson, der mit 104 Millionen verkaufter CDs von "Thriller" ins Guiness-Buch kam? Konnte er dies jetzt, als 50-Jähriger, der so viel Kraft verlor in Prozessen und privaten Angelegenheiten, wiederholen? Michael Jackson war die Kerze, die an zwei Enden brannte. Die Antwort gab das Schicksal am Donnerstag. Die Anforderungen sind unvorstellbar hoch, die Perfektion, die verlangt wird, ist extrem.

Peter Borsari, der legendäre Hollywood-Fotograf, wurde einmal Zeuge davon. Er fotografierte in Monte Carlo bei den "World Music Awards" die Hauptprobe mit Michael Jackson. Nach der Probe kamen Bodyguards zu Peter, der damals noch auf Film fotografierte. "Geben Sie uns alle Filme", herrschten sie ihn an." Peter fragte, was los ist. "An einem Finger von Herrn Jackson ist ein kleines Pflaster zu sehen, solche Fotos dürfen nicht verwendet werden." Peter Borsari öffnete seine Nikon-Kameras und übergab die Filme.

Es ist für viele ein Ziel, ein Star zu sein. Aber die meisten erholen sich in Städten und Ländern, in denen man sie nicht kennt. Aber für Michael Jackson, den Mega-Star der Mega-Stars, gab es keine einzige Ecke auf dieser Welt, wo man ihn nicht erkannte und belagerte. In Karatschi war er so bekannt wie in Straubing, in Brisbane so berühmt wie in Lagos. Und selbst in Iran konnte man seine Melodien nicht unterdrücken.

Jetzt ist Michael Jackson nicht mehr von Paparazzi aufzuspüren. Der Hindernislauf durch ein Blitzlicht-Leben ist vorbei. Jetzt verbleibt in der Welt der Mega-Musik-Stars noch Madonna. Doch die Mega-Stars, das ist ein Trost, verlassen uns nie. Die Stimme von Elvis ist gegenwärtig, und die Filme von Marilyn Monroe sind es auch. Und das Werk von Michael Jackson - dieses Wort ist angebracht - wird kommende Generationen begleiten.

Und auch alle, die sich nach seinem Tod jetzt einsam fühlen, wie es Michael Jackson in seinem Leben wohl oft sein musste. Der Einsamkeit widmete Jackson eines seiner schönsten Lieder - "You are not alone". Sie trösten auch kommende Generationen: "You are not alone/ I am here with you / Though we're far apart / You're always in my heart / You are not alone.

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