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Zum Tod von Mac Miller:Vorreiter der Generation Internet

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Seine ersten Songs veröffentlichte Mac Miller noch kostenlos im Netz. Aus dem coolen Highschool-Kid wurde über die Jahre ein progressiver Soundexperte - und das Sprachrohr seiner Hiphop-Generation.

Nachruf von Johann Voigt

"I just wanna go on tour", schrieb Mac Miller am Abend des 6. September noch bei Twitter. Nur einen Tag später wurde er laut Medienberichten mit nur 26 Jahren tot in seinem Haus bei Los Angeles gefunden. Seine Familie hat das mittlerweile in einem Statement bestätigt. Malcolm James McCormick, wie Miller bürgerlich heißt, war einer der einflussreichsten Rapper der 10er-Jahre, ein Musician's Musician mit kommerziellem Erfolg. Sein im August erschienenes Album "Swimming" zählt zu den besten Rap-Alben des Jahres.

Schon von Oktober an wäre Miller für mehrere Monate durch die USA getourt, hätte sein neues Album gespielt. All diese warmen, von Soul durchfluteten Songs. All diese melancholischen Sequenzen der Miller'schen Selbstreflexion. "Swimming", das ist ein Trennungsalbum. Kurz zuvor endete seine zweijährige Beziehung mit Sängerin Ariana Grande. Auch deswegen, weil sie mit seinem Drogenkonsum nicht zurechtkam.

Als Millers Todesursache wird in Medienberichten von einem durch eine Drogenüberdosis verursachten Herzstillstand gesprochen. Bestätigt wurde das bisher nicht. Klar ist: Mac Miller hatte seit Beginn seiner Karriere mit Substanzen wie dem Hustenstiller Codein und dem Antipsychotikum Promethazin zu kämpfen. Immer wieder verarbeitete er das auch in Songs, versuchte öffentlich über seine Probleme zu sprechen beziehungsweise zu rappen.

Prototyp des Independent-Rappers

Miller, Sohn einer Fotografin und eines Architekten, wuchs in Pittsburgh auf. Schon mit 15 Jahren entschied er sich dafür, Rapper zu werden, gründete mit Freunden eine Crew, die auf staubtrockenen Beats rappte, die in den 90ern angesagt waren. 2007 erschien sein erstes Mixtape. 2010 folgte mit "K.I.D.S" der Durchbruch. Der damals 18-jährige Miller rappte mit nach hinten gedrehtem Cap, in Sporthose und hochgezogenen Tennissocken übers Gras rauchen und über Pizza vom Lieferservice. Er war der Inbegriff des coolen Highschool-Schülers. Das kam an. Vor allem auch deswegen, weil er in seinen Songs die Soundästhetik aus dem New York der 90er aufgriff, Legenden wie Nas zitierte. Er gehört zu den Ersten, die ihren Musikgeschmack übers Internet prägten. Dadurch ist die Referenzliste lang.

Miller war damals ein Prototyp des Independent-Rappers, der heute allgegenwärtig ist. Er veröffentlichte seine ersten Releases kostenlos im Internet, hatte keine großen Labelstrukturen im Rücken, feierte seine ersten großen Erfolge zusammen mit einem Pittsburgher Kleinstlabel. Ohne YouTube-Videos, die damals Viral gingen, wäre er vermutlich kein Star geworden. Das hat die Generation nach ihm geprägt, die ihre Musik wann und wie sie will auf Plattformen wie Soundcloud veröffentlicht. Miller war ein Vorreiter.

Er war schon immer jemand, der sowohl musikalisch, als auch inhaltlich Haltung zeigte, der andere Musiker beeinflusste. Nach seinem Umzug nach Los Angeles zählte er zu einem Konglomerat an Künstlern und Crews, die den Status Quo des HipHop in den folgenden Jahren veränderten. Er machte Musik mit Flying Lotus' Brainfeeder-Camp, Tyler The Creators Odd Future und Künstlern des TDE-Labels rund um Kendrick Lamar. Miller war beliebt in der Szene. Viele hielten ihn für den ersten weißen Rapper mit Potenzial seit Eminem.

Sprachrohr seiner Generation

Innerhalb von nur zwei Jahren baute er sich ein Studio in sein Haus in LA und machte eine Transformation vom sorglosen, dauerbreiten Highschool-Kid hin zum progressiven Soundexperten. Schon immer griff Miller nicht nur Referenzen aus Soul, Funk und 90s-Rap auf, sondern auch Indierock und 80s-Pop. Seine fünf Soloalben sind allesamt ein Amalgam von Neuverknüpfungen bekannter Soundfragmente, Ausbrüche aus Genre-Konventionen.

Miller musizierte mit dem Jazz-Bassisten Thundercat, produzierte unter Pseudonym Releases von Stars wie Vince Staples oder veröffentlichte einen mit verstellter Stimme aufgenommenen psychotischen Trip auf Albumlänge. Er hat seine gesamte Jugend in die Musik investiert. Zulasten seiner Psyche und zulasten seines Privatlebens. Doch Miller war keiner, der sich runterbuttern ließ. Die Reaktion auf die negative Kritik, die seinem Debütalbum "Blue Slide Park" noch entgegenschlug, war noch härtere Arbeit. Auch mit Donald Trump legte er sich an, der ihn wegen seiner gleichnamigen Single verklagte und scheiterte. Im Zuge der Präsidentschaftswahl kritisierte er Trump scharf, bezeichnet ihn unter anderem als egomanischen, aufmerksamkeitsgeilen Psychopathen.

Gerade in den vergangenen Jahren hat sich Miller zu einem meinungsstarken Künstler entwickelt. Zu einem Sprachrohr seiner Generation. Zu einem Musik-Influencer für Nerds. Sein Tod ist ein großer Verlust für die HipHop-Szene und für die US-amerikanische Popmusik.

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