Zum Tod von Joe Zawinul:Bei dem kein Fuß ruhig blieb

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Elektrisch spielen, akustisch klingen, und immer mit Mütze: Austroamerikaner Joe Zawinul schuf mit "Birdland" eine Hymne, mit der sich jeder laue Sonntagmorgen in Schwung versetzen ließ.

Volker Breidecker

Eine der größten Umwälzungen in der Geschichte des modernen Jazz ist von der Wiener Landstraße ausgegangen, über die Fürst Metternich einst behauptet hatte, an dieser Stelle beginne Asien.

Joe Zawinul war einer der weltbesten Keyboarder, außerdem Jazzpianist und Komponist. Er verstarb am Dienstagmorgen in Wien. (Foto: Foto: AP)

Denn hier, im Völkergemisch des gleichnamigen 3. Wiener Gemeindebezirks, wurde vor 75 Jahren als Nachfahre von Sinti sowie ungarisch-tschechischen Zuwanderern Josef Erich Zawinul geboren, der als Joe Zawinul jenen "Pharaoh's Dance" komponierte, mit dem im Jahr 1970 Miles Davis seine legendäre Doppel-LP "Bitches Brew" eröffnete: Von der auf dieser Schallplatte zusammengekommenen Musikerkarawane - neben Joe Zawinul am Keyboard waren Wayne Shorter, Chick Corea, John McLaughlin, Dave Holland, Lenny White, Billy Cobham mit dabei - wurde die Fusion des Jazz und des Rock, die Verschmelzung afrikanischer, amerikanischer und europäischer Musiktraditionen besiegelt.

Und da das von dem Künstler Mati Klarwein geschaffene Cover damals 1001 Liebesnächte der Weltmusik feierte, nahm man auch dem schnauzbärtigen Austroamerikaner Joe Zawinul den orientalischen Nimbus ab. Bekräftigt wurde dieser von einer farbenfrohen afroasiatischen Strickmütze, die der schnauzbärtige Musiker mit dem breiten, fremdländischen Akzent bei seinen Konzerten trug.

Ein Lied von Joe Zawinul gibt es, das jeder im Ohr hat, selbst wenn er nie Jazz hört. Es beginnt mit drei tiefen, vollen Tönen auf dem Synthesizer, um sich dann emporzuschwingen in eine schnelle, fröhliche, an karibische Musik erinnernde Melodie, bei der kein Fuß ruhig bleibt: "Birdland".

Dieses Lied aus dem Jahr 1977, mit dem sich jeder laue Sonntagmorgen in Schwung versetzen ließ, war so etwas wie das Programmlied, die fröhliche Nationalhymne der von Zawinul zusammen mit dem Saxophonisten Wayne Shorter gegründeten Jazzrock-Formation Weather Report.

Es erinnert an eine legendäre Stätte in der Geschichte des Jazz, den gleichnamigen Club in der 42. Straße von New York. Dort spielten sie einst alle, Charlie Parker, Count Basie, Art Blakey und Miles Davis. Und dort erhielt der Pianist Joe Zawinul, der Ende der fünfziger Jahre in die USA ausgewandert war und als Mitglied der Band von Cannonball Adderley mit dem Lied "Mercy, mercy, mercy" bereits einen großen Hit gelandet hatte, von Miles Davis das Angebot zum gemeinsamen Auftritt. Die Legende aber will, dass Zawinul das Angebot ausgeschlagen habe, mit den Worten: "Nein, es ist nicht die Zeit dafür."

Schließlich kam die Zeit aber doch noch und mit ihr ein unumkehrbarer Klangwandel in der fortan parallelen Geschichte des Jazz und des Rock. Danach setzte die Gruppe Weather Report fort, was die Formation um Miles Davis' grandioses "Hexengebräu" so innovativ begonnen hatte.

"Spiele elektrisch, klinge akustisch" war Zawinuls Konzept, das in dieser Gruppe aufging. Als sich die Wetterfrösche Ende der Achtziger auflösten, gründete der Musiker eine neue Formation, die seither als The Zawinul Syndicate durch die Welt tingelte. So war es auch in diesem Frühjahr und Sommer, in dem Zawinul noch am 7. Juli seinen 75. Geburtstag feierte.

Von der Fachzeitschrift "Down Beat" wurde er Ende Juli zum weltbesten Keyboard-Spieler gekürt, schon zum 28. Mal im Laufe seiner Karriere. Anfang August aber musste er sich in Wien aufgrund nicht näher bezeichneter gesundheitlicher Probleme in ein Krankenhaus begeben. Joe Zawinul hat es nicht mehr verlassen und ist dort am Dienstagmorgen gestorben.

Jenseits des Wiener Schwarzenbergplatzes, in seinem Heimatbezirk an der Landstraßer Hauptstraße, hatte der Musiker vor wenigen Jahren erst einen eigenen Jazzclub gegründet und ihm wieder den legendären Namen "Birdland" gegeben. Jetzt singt Joe Zawinul zwar in einem ganz anderen Vogelparadies, wie es in dem Lied aber heißt: "But I'm still preaching the rhythm."

© SZ v. 12.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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