Immer klarer wird dann aber auch: Cockers Status als Rock'n'Roll-Superstar beschränkt sich auf Kontinentaleuropa, auf Deutschland, Italien und Skandinavien. Hier erhält er Platin, etwa 1992 für "Night Calls" und ein "Best Of"-Album. Im Frühsommer 1996 ließ sich Cocker vom deutschen EMI-Boss Helmut Fest überreden, eines seiner " akustischen Lebenszeichen" für Europa und speziell Deutschland zu senden: "Ich denke", sagte Cocker damals, "er hatte das Weihnachtsgeschäft im Hinterkopf!" Eine schnell gebastelte Platte kam im Oktober 1996 auf dem europäischen Kontinent unter dem Titel "Organic" auf den Markt. "Allerdings sollte man sie nicht als neue Joe-Cocker-Scheibe ansehen, eher als eine Art Statement, wie alte Songs von mir heute klingen", meinte der Meister dazu.
Dieser Trend hält leider an: Cocker wird gezielt eingesetzt von seinen Produzenten. Deutlicher als bei "Across From Midnight" aus dem Jahr 1997 ist dies selten geworden. Eine ganze Reihe von Songs wird hier nur für ihn komponiert, darunter "That's All I Need To Know" von Eros Ramazzotti. Die LP ist völlig auf Chart-Erfolg hin konzipiert. Cocker äußert sich 1997 dazu dezidiert im Spiegel: dass er "Produzenten und Managern ausgeliefert" sei, obwohl er bei der Endauswahl der Stücke noch mitreden dürfe, "aber auch ich muss Kompromisse machen. Ich kann nicht am Zeitgeist vorbeisingen. Wenn die Menschen von der Plattenfirma einen leichten Sommerhit wollen, liefere ich den".
Nicht nur Sommerhits, sondern auch Jingles. Für Kopfschütteln etwa sorgte die Sponsoring-Vereinbarung mit der Bremer Brauerei "Becks". Zum 50. Jahrestag der Thronbesteigung von Queen Elizabeth erlebte man Cocker im Juni 2002 im Garten des Buckingham Palace neben anderen alten Männern bei einer "Royal Pop Party". Im Jahr 2007 zeichnet Queen Elizabeth ihn mit einem Verdienstorden aus, dem Officer of the British Empire (OBE).
Er hauchte manchen gecoverten Liedern mehr Seele ein, als sie im Original hatten
Ja, vielleicht wird man dem "Zeremonienmeister des Coversongs" (Kieler Nachrichten) nur gerecht, wenn man die Lebensleistung und das Künstlerversagen zugleich und in gleichen Teilen sieht. Der Mann verzauberte Zehntausende, er hauchte manchen gecoverten Liedern mehr Seele ein, als sie im Original hatten. Aber er war nicht immer Herr über seine Musik. Seinen Dauerflirt mit dem Kommerz kann man ihm nicht verübeln. Er konnte einem aber leid tun, wenn er von seinem Management auf die Rampe geschubst wurde, um zu singen, was man für chartverdächtig hielt. Seine emotional befeuerte Stimme gehörte - so scheint es - nicht mehr ihm selbst, sie musste herhalten: So etwa wurde "You Can Leave Your Hat On" in Cockers Version 1986 weltberühmt. Ein Song, der im Film "9 1/2 Wochen" eingesetzt wurde - und seitdem Hymne aller Striptease-Tänzerinnen ist.
Am Montag ist Joe Cocker, der Mann, der als Rockstar begann und als Popstar weltberühmt wurde, im Alter von 70 Jahren in seinem Haus in Crawford, Colorado, an den Folgen eines Lungenkrebsleidens gestorben.