Zum Tod von Hilla Becher:In Deutschland lange unbekannt

Als sich in den USA dann in den Sechzigerjahren die Konzeptkunst in ersten Schauen entwickelte, waren Bernd und Hilla Becher geladen. Doch während ihre Name jenseits des Atlantiks in einem Atemzug mit On Kawara oder Ed Ruscha genannt wurden und Gilbert & George in Düsseldorf schon mal zu Kaffee und Kuchen vorbeischauten, waren sie als Künstler in Deutschland lange unbekannt, wo Fotografie als Handwerk galt und sich jenseits des Rheinlands noch niemand mit Konzeptkunst beschäftigen wollte.

Erst Harald Szeemanns Documenta änderte das im Jahr 1972. Ein Jahr später werden sie in New York von der Galeristin Ileana Sonnabend ausgestellt, bei der Documenta sind sie fortan Dauergast.

Aber es sind nicht Bernd und Hilla Becher, die in ihrer Heimat ihr Medium durchsetzen. Sondern ihre Schüler. Seit 1976 lehrt Bernd Becher in Düsseldorf, wobei das Paar auch diese Aufgabe in Gemeinschaftsarbeit angeht. Und Generationen von Fotografen prägt - von Candida Höfer über Thomas Struth, Andreas Gursky und Thomas Ruff - die sich bei ihnen Stringenz und Selbstvertrauen abschauen, aber gerne auch in Farbe und Breitwand arbeiten.

Die großformatigen Fotografien aus der "Becher-Klasse" sind bereit für das Museum und für den Kunstmarkt.

Hilla Becher

Hilla Becher (1934-2015), aufgenommen von ihrem Schüler.

(Foto: Laurenz Berges)

Dass ihr epochales Werk ihr anfangs fast peinlich gewesen sei, darauf hat Hilla Becher mehrfach in ihrem Leben hingewiesen: Man habe doch sehr "rückwärts" gedacht, sagte sie im Gespräch mit dieser Zeitung, als sie und ihr Mann sich für den "vergleichenden Ansatz aus dem 19. Jahrhundert" entschieden hätten. "Wunderschöne Vorbilder" für ihre Aufnahmen waren nicht die Aufnahmen von Foto-Pionieren, sondern die feinen Zeichnungen der Naturkundler wie Charles Darwin.

Dem enzyklopädischen Anspruch ihres Mannes gegenüber blieb sie skeptisch

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2007 war es an Hilla Becher, das verwitwete Werk zu vollenden - ohne es zu erfüllen. Dass sie dem enzyklopädischen Anspruch Bernd Bechers gegenüber skeptisch war, hat sie immer betont. Dem "Wir sind nicht fertig geworden" des Sterbenden hielt sie pragmatisch entgegen: "Wir wussten doch, dass wir nicht alles fotografieren konnten."

Sie hat seinen Anspruch akzeptiert, daran abgearbeitet hat sie sich nicht. Und statt sich mit dem Sortieren des Archivs aufzuhalten und sich auf Ausstellungen feiern zu lassen, schleppte sie die Kamera wieder in den Bus und fuhr weiter.

Am vergangenen Sonnabend ist Hilla Becher in Düsseldorf gestorben. Jetzt kann man ein Werk in seiner monumentalen Gesamtheit in den Blick nehmen, das nur der als "Trauerarbeit" apostrophiert, der sich bloß auf Sujets fokussiert. Doch schon als man dem Fotografenpaar im Jahr 1990 auf der Biennale in Venedig einen Goldenen Löwen überreichte, ehrte man ihr "skulpturales Werk".

Ein ebenso bescheidenes wie monumentales Werk

Wer in den Büchern von Bernd und Hilla Becher blättert, dem verbinden sich die Fachwerkbalken, Kohlerutschen, Stahlrohre zu einem stabilen Konstrukt, einer gewaltigen Maschine zum Einfangen von Zeit. Es zeigt: Ganze Epochen und Zeiten können untergehen. Und es war der naturwissenschaftliche Blick, der die Mutation wie den Entwicklungsschub mit der gleichen Aufmerksamkeit notiert, der die Deutschen von ihrer tränenschlierigen Ruinenromantik befreite.

Der Konzeptkunst haben Bernd und Hilla Becher ein ebenso bescheidenes wie monumentales Werk geschenkt - der Fotografie eine ihrer gewaltigsten Expeditionen.

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