Zum Tod von Gunter Sachs:Ein sublimer Verehrer

War Gunter Sachs der letzte Playboy? Dieser Archetyp der Männerphantasien war stets das Gegenstück zur bürgerlichen Vorstellung der Ehe, doch die bröckelte längst, als er die Bühne des Jetset betrat.

Andreas Zielcke

Wenn das Unglück in ein Leben tritt, das so reich von Glück und Überfluss gesegnet war, scheint die Tragödie umso schlimmer, als nähme sie ihr Maß an der Höhe des Absturzes. Das ist natürlich eine optische Täuschung, die unauffällige Tragik und der namenlose Tod sind nicht weniger grausam, im Gegenteil. Trotzdem lässt der momentane Schauer, der die Öffentlichkeit in einem solch spektakulären Fall trifft, etwas ahnen von der spontanen Ergreifbarkeit auch völlig Unbeteiligter, mag sie flüchtig sein wie immer. Der Suizid von Gunter Sachs hat in sämtlichen Medien diesen Blitz der Betroffenheit offenbart, weil sich alle Welt noch einmal sein schwelgerisches Leben vor Augen führte. Er war, so heißt es überall, nicht nur der reiche Erbe, berühmte Fotograf und Kunstsammler, sondern auch der letzte Playboy.

BARDOT SACHS

1966 waren Brigitte Bardot und Gunter Sachs ein Traumpaar. Sie verkörperte einen neuen Frauentypus, er galt als der letzte Playboy.

(Foto: AP)

Und dieses Etikett ist es vor allem, das in ein ganz eigenes Reich der Fantasien führt, in ein Schlaraffenland der Lüste und sexuellen Abwechslung. In ihm sammelt sich alles Spielerische, Unernste und Lustvolle männlicher erotischer Träume, das himmelweit entfernt ist von allen irdischen Verhältnissen und familiärer Verantwortung, gar nicht zu reden von Alter und Einsamkeit. Gunter Sachs hat dieses Leben der sexuellen Unbeschwertheit als Liebhaber schöner Frauen und Meister prominenter Affären geführt, jedenfalls über Jahre.

Aber er war eben kein Don Juan und schon gar kein lasterhafter Libertin und Roué des 17. oder 18. Jahrhunderts, sondern ein Playboy. Doch auch als solcher verkörpert er heute eine historische Figur. Niemand käme mehr auf die Idee, sich selbst oder einen Dritten, mag er noch so erfolgreich sein bei Frauen, als Playboy zu bezeichnen.

War er also in der Tat der letzte dieser Gattung, der "letzte" Playboy, wie ihn fast jeder Nachruf tituliert? Im Grunde war auch er schon zu spät dran. Sachs war nur mehr das Echo des erotischen Spielers, der mit den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgekommen war, seinen Höhepunkt in den vierziger und fünfziger Jahren erlebte und dann mit dem Beginn der sexuellen Revolution, also Mitte der sechziger Jahre, von der Bühne trat.

Der Playboy bot in jener Zeit die komplementäre Rolle zur bourgeoisen Ehe: Schon bröckelte die traditionelle Moral nachhaltig, aber noch war sie gesellschaftlich wirksam genug, um den Ehebruch zu stigmatisieren, um gar noch Jungfräulichkeit vor der Ehe zu propagieren und um die außereheliche "Affäre" mit dem Nimbus des Unerlaubten und sozial höchst Riskanten zu versehen.

Der Playboy im Stile Ali Khans oder Porfirio Rubirosas hielt noch alle Konventionen des gesellschaftlichen Umgangs hoch, er trat im großen, wenn nicht mondänen Stil des Verehrers und Verführers auf. Sein Ruf war verwegen - er lebte von der Verbindlichkeit der Ehen, die er brach. Er war das Alter ego des Ehemanns, der Traum der Ehefrau nach dem Seitensprung ohne Folgen. Der Playboy war das Einhorn in einer moralisch und gesellschaftlich exterritorialen, aber sinnlich absolut diesseitigen Sphäre. Ehemänner hassten ihn und wollten so sein wie er.

Die Größte aller Eroberungen: Brigitte Bardot

Kein Wunder, dass das Terrain dieses konventionell-amoralischen Genussspiels vor allem in den Höhenlagen der Reichen angesiedelt war. Luxus entband nicht nur die sexuelle Wollust von allen - stets lustfeindlichen - materiellen Nöten, sondern erlaubte zugleich, Diskretion, Unabhängigkeit, weltläufiges Niveau und die Freiheit zur erotischen Frivolität miteinander zu verknüpfen.

Als Gunter Sachs in den Augen des Publikums die größte aller Eroberungen gelang und er Brigitte Bardot heiratete, nämlich 1966, ging diese Zeit der Konvention als Lustquelle gerade zu Ende. Schon Brigitte Bardot selbst war der Gegentypus zu jenen Frauen, die sich dem Eroberercharme eines Playboys trotz und wegen seines abenteuerlichen Rufes ergaben. Zwar verkörperte auch sie noch wie die nur wenig ältere Marylin Monroe eine gewiefte, komplizenhafte Unschuld.

Doch Marylin wurde noch erobert, Brigitte eroberte: "Wenn ihr ein Mann ins Auge fällt", schrieb Marguerite Duras, "geht die Bardot ohne Umschweife auf ihn zu. Nichts hält sie auf. Ob er sich in einem Café aufhält oder bei Freunden, spielt keine Rolle. Sie verschwindet mit ihm auf der Stelle, ohne ihren Begleiter, den sie verlässt, auch nur eines Blickes zu würdigen." Eine solche Frau fällt keinem Verführer anheim, wenn sie einen Frauenliebhaber heiratet, dann gewiss nicht wegen seiner Prominenz.

Keinem war damals der Übergang vom Playboy zum Dasein in zwanglosen Liebschaften vertrauter als Gunter Sachs selbst. Indem er mit Brigitte Bardot im offenen Hemd und barfuß vor den Traualtar trat und jedermann von seinem Credo der "freien Liebe" erzählte, näherte er sich in Habitus und Gesinnung den Hippies an, dem geraden Gegenteil des Salonlöwen und High-Society-Typus des Ladykillers. In einer Hippie-Kommune, in der sexueller Tausch offensiv praktiziert wurde, sollte genau die bürgerliche Ehemoral, in der der Playboy einst so erfolgreich wildern durfte, exorziert werden. Wo alle sexuell unernst sind, gibt der erotische "Spieljunge" eine verlorene Figur.

Trotzdem schätzte Sachs noch den maskulinen Zeitvertreib der klassischen Playboys: Jetset, virile Sportarten wie Polo oder Bobfahren, teure Sportwagen und kaltblütige Einsätze am Spieltisch in Monte Carlo. Von den echten Playboys und sexuellen Kosmopoliten des weltweiten Erotik-Circuits aber unterschied er sich, abgesehen von seinem Nachzüglertum, auch durch seine Privilegien. Die Großen der Playboyzunft wie Freddie McEvoy oder vor allem Porfirio Rubirosa besaßen weder Reichtum noch Adelstitel noch die Prominenz eines Filmstars. Ihre endlose Kette von Affären oder auch Eheschlüssen mit den reichsten und begehrtesten Frauen verdankten sie allein ihren erotischen Fähigkeiten. Hier behauptete sich ausschließlich maskuline Attraktivität und Magie - eben in serieller Manier.

Dafür war Gunter Sachs viel zu solide. Nicht nur, dass er für das Unternehmen seiner Familie Mitverantwortung trug, auch seine Tätigkeiten als Sammler, Fotograf und Filmer banden ihn in ein Milieu der Ernsthaftigkeit und Professionalität ein, an dem die Playboys regelmäßig scheiterten, wenn es sie überhaupt interessierte. Dass Sachs die Schönheit von Frauen dann in großem Stil als fotografische Objekte feierte, passt dazu. Der verspätete Playboy wurde zum sublimen Verehrer.

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