Zum Tod von Erna Baumbauer:Dame im Hintergrund

Erna Baumbauer war die "Königin von Bayern", die erste deutsche Schauspielagentin überhaupt. Ein Oscar-prämierter Film wäre ohne ihr Zutun gar nicht gedreht worden. Ein Nachruf.

Christine Dössel

Erna Baumbauer war nicht nur die Grande Dame der Künstleragenten, sie war die wohl erste deutsche Schauspielagentin überhaupt - eine Frau, die diesen heute aus der Branche nicht mehr wegzudenkenden Beruf maßgeblich mit erfunden und auf eine so sorgsame, inspirierende und persönliche Weise betrieben hat, wie sie auf dem geschäftigen, im Laufe der Jahrzehnte plötzlich schwer florierenden Umschlagplatz der Künstlermanager und -Agenturen, sehr kostbar, weil selten anzutreffen war.

Erna Baumbauer; dpa

Sie hat die Spots, die Öffentlichkeit und die Bühne gemieden. Doch einmal, im Mai 2006, konnte sie nicht anders. Sie musste auftreten. Sie hatte den Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises in Berlin erhalten, und ihre Künstler sangen und tanzten für sie - einmal stand auch sie im Mittelpunkt.

(Foto: Foto: dpa)

Dabei hat diese bescheidene Frau immer im Hintergrund gewirkt, Interviews gemieden, das Licht der Öffentlichkeit - das war nicht ihr Ding. Dafür hat sie andere ins Rampenlicht gebracht, hat große Schauspieler herangezogen, indem sie ihnen mit Rat und Tat beiseite stand, ihnen zu- oder abriet, mit ihnen an Rollenkonzepten feilte - denn von Dramaturgie und Drehbuchqualitäten verstand sie eine Menge. Selbst Regisseure und Produzenten, die nicht zu ihrer "Familie" gehörten, wussten ihre Ratschläge zu schätzen.

Es wurde ein Beruf daraus

Viele Filme wären ohne ihr Zutun und ihre kluge Umsicht gar nicht zustande gekommen. Zum Beispiel "Das Leben der Anderen": "Man kann ganz klar sagen, dass es diesen Film ohne Erna Baumbauer gar nicht gäbe", sagte der Oscar-prämierte Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck vor einigen Jahren in einem Interview. Der damals noch unbekannte Regisseur hatte Baumbauer sein Drehbuch geschickt. Sie las es, rief ihn an und sagte, sie habe geweint. "Und ab diesem Moment wusste ich, dass ich den Film machen kann", so Henckel von Donnersmarck.

Erna Baumbauer, geboren am 8. Januar 1919 in München, hatte als Buchhändlerin begonnen, brannte aber immer schon fürs Theater. Als freie Journalistin schrieb sie Kritiken und arbeitete für einen Filmverleih. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sie mit der Vermittlung von Schauspielern, zunächst eher als Freundschaftsdienst, weil sie gute Kontakte zu Leuten vom Film und zu Ensemblemitgliedern der Münchner Kammerspiele hatte. Aber schon bald wurde ein Beruf daraus.

Das Theater als Basis

Ihre Agentur Erna Baumbauer Management, die sie bis zuletzt betrieb, betreute viele der bekanntesten Theater- und Filmschauspieler. Zu ihren früheren Stars gehörten zum Beispiel Gustav Fröhlich, O.W. Fischer, Elisabeth Flickenschild und Karl-Heinz Schroth. Sie alle mussten ihre Karrieren der klugen, oft auch gestrengen Steuerung ihrer theaterbegeisterten Agentin unterwerfen, der es stets wichtig war, dass ihre Schauspieler das Theater als Basis behalten.

Erna Baumbauer hat ein unvergleichlich großartiges Ensemble um sich herum versammelt. Man muss nur ihre Website aufrufen, um die Liste namhafter Künstler zu sehen, die dieser patenten Frau über Jahre treu geblieben sind (und ihre legendären Sommerfeste im Chiemgau besuchten): Lola Müthel, Angela Winkler, Susanne Lothar, Cornelia Froboess, Katja Riemann, Bruno Ganz, Maximilian Schell, Tobias Moretti, Sebastian Koch und wer nicht sonst noch alles.

Geschätzt und geliebt

Erna Baumbauer wurde in der Film- und Theaterbranche respektiert, geschätzt und geliebt wie keine andere Agentin. In den letzten Jahren konnte sie für ihre unermüdliche und geduldige Arbeit zahlreiche Ehrungen entgegennehmen, vom Bayerischen Verdienstorden über das Bundesverdienstkreuz bis hin zum Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises, den sie im Jahr 2006 für ihr Lebenswerk erhielt. Die Laudatio hielt damals Bruno Ganz, und all die großen Stars, die ihr so viel verdanken, gratulierten der weißhaarigen Dame mit einem Sonderauftritt.

Dass kaum einer der von ihr betreuten Künstler die Agentur je verlassen hat, hat Erna Baumbauer stets als die größte Ehre empfunden. Sie konnte sich geliebt wissen von ihrer Schauspielerfamilie. Zu ihrem 90. Geburtstag im vergangenen Jahr kamen sie fast alle, um für sie zu spielen. Im Probenraum der Kleinen Komödie gab es ein Bühnenfest, bei dem ihre Schützlinge - von den ganz jungen, die sie immer noch anzog, bis zu den altgedienten Darstellern - ein Stück eigens für sie aufführten.

"Die Nummer eins"

Erna Baumbauer, diese gestandene Bayerin ohne Allüren, ist die Mutter des Intendanten Frank Baumbauer, der zuletzt an den Münchner Kammerspielen wirkte, jener Bühne, die sie so sehr liebte - aber sie war auch für ihre Künstler eine Mutterfigur. Liebevoll nannten sie sie "die große Baumbauer" und "die Nummer eins". Als eine "große mütterliche Freundin" bezeichnete sie Ulrich Tukur, und der Schauspieler Ulrich Mühe erhob sie in seiner Dankesrede anlässlich des Bayerischen Filmpreises 2006 voller Respekt sogar zur "Königin von Bayern".

Am vergangenen Samstag ist Erna Baumbauer in ihrer Heimatstadt München gestorben. Sie wurde 91 Jahre alt.

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