Zum Tod von Clarence Reid:Abschied vom Pimp

Clarence Reid, Blowfly

Als erster Pop-Künstler überhaupt rappte Clarence Henry Reid alias Blowfly über einen schwarzen Präsidenten.

(Foto: AP)

Clarence Henry Reid prägte als Blowfly den Rap. Jetzt ist er gestorben.

Von Jan Kedves

"Ladies and Gentlemen, wenn ich Präsident bin, sorge ich dafür, dass auf jedem Tisch Cannabis steht und in jeder Handtasche die Pille steckt. Und wir feiern jedes Wochenende eine Orgie!" So malte sich der Sänger und Rapper Blowfly 1983 in seinem Song "The First Black President" aus, wie es wäre, wenn er im Weißen Haus endlich das Sagen hätte - wobei jede Übersetzung eigentlich scheitern muss, weil man zumindest die Slang-Drastik kaum wiedergeben kann.

Als pophistorisch so gut wie sicher gilt, dass "The First Black President" den Topos einer schwarzen Präsidentschaft in den Rap einführte - lange bevor der heute gigantomanisch reiche Unternehmer-Rapper Dr. Dre sich im Video zur Single "Express Yourself" seiner Rap-Crew N.W.A in einem nachgebauten Oval Office im Ledersessel zurücklehnte (1989), und lange bevor der Rapper Nas in seinem Song "Black President" - ein Jahr vor der Amtseinführung Barack Obamas 2009 - meinte, die USA seien noch nicht bereit für einen schwarzen Präsidenten.

Schon als Kind war Blowfly parodistisch-erotomanisch unterwegs

Blowfly war eine Figur, der es kaum um politische Korrektheit ging, dafür umso mehr ums metaphernreiche Preisen von Sex. Clarence Henry Reid, so der bürgerliche Name des 1939 in Cochran, Georgia geborenen Musikers, war schon als Kind parodistisch-erotomanisch unterwegs: Seine Großmutter erinnerte sich, er habe als Junge seine eigenen Songs auf Basis populärer Melodien gesungen - "Suck my dick" statt "Do the twist", und so weiter. In den Siebzigern stieg Reid zu einem angesehenen Songschreiber auf, arbeitete viel für den R'n'B-Star Gwen McCrae ("Rocking Chair"). Parallel erfand er die Kunstfigur Blowfly, für die zotigere Seite seines Schaffens.

Blowfly war vor allem eines: die Bühnenverkörperung des Pimp. Der Pimp, jener afroamerikanische Männertypus, dessen Aufkommen in den Siebzigern viel mit Arbeitslosigkeit und dem angekratzten männlichen Selbstbewusstsein in den Ghettos zu tun hatte, sorgte außerhalb der Ghettos nicht zuletzt deshalb für Irritationen, weil er misogyn-sexistisch redet, aber flamboyant-schwul aussieht. Dabei unterstreicht die Erscheinung nur die behauptete Omnipotenz. Blowfly also, die sexsüchtige Schmeißfliege im Paillettenkostüm.

Blowfly war ein "Rapper's Rapper", jemand, der nie einen kommerziell großen Hit hatte, dessen Einfluss aber nicht unterschätzt werden darf. Der heutige Ober-Pimp im Rap-Geschäft, Snoop Dogg, nennt Blowfly eine "Legende". Im Interview mit dem amerikanischen Rolling Stone sagte Chuck D., der intellektuelle Kopf der Rap-Combo Public Enemy, der Blowfly-Song "Rap Dirty" (1980) habe entscheidend den 1990 veröffentlichten Public-Enemy-Hit "Fight the Power" inspiriert - vor allem die Zeile, in der Blowfly Elvis Presley und John Wayne als Rassisten bezeichnet. Blowflys Geschichten vom Pimpern konnten also auch politisch sein. Zu seinen letzten Wortmeldungen gehörte 2012 das Album "Black In The Sack", 2008 tourte er auf Einladung der Ärzte auch in Deutschland, als deren Vorband. Am Sonntag ist Clarence Henry Reid im Alter von 76 Jahren an Leberkrebs gestorben.

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