Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Brittany Murphy:Ein Mädchen, das spielen musste

Man sucht nach Zeichen, die etwas erklären könnten: Schauspielerin Brittany Murphy spielte Missbrauchsopfer und Nerd-Mädchen - doch wie war sie privat?

T. Kniebe

Natürlich sucht man hinterher wieder nach Zeichen, die etwas erklären könnten. Nach dieser gewissen Instabilität in Brittany Murphys Gesicht zum Beispiel: Ihre Augen konnten äußerst dunkel und verletzlich sein und gleichzeitig vor Ehrgeiz brennen - wie in "8 Mile", wo sie Eminem aufstachelte, endlich ein richtiger Rapper zu werden. Oder ihr Mund, der etwas drollig Clowneskes, geradezu Schnutenhaftes hatte - solange in ihrem asymmetrischen Lächeln nicht plötzlich Schmerz und Verzweiflung aufschienen. Oder diese Stimme, die stets ein wenig zu aufgeraut klang, manchmal fast wie aus einem Comic.

Brittany Murphy hat Missbrauchsopfer gespielt, schizophrene und geistig verwirrte Mädchen, wie in "Durchgeknallt - Girl, Interrupted", wo sie mit Angelina Jolie in der geschlossenen Anstalt saß, oder in "Sag kein Wort" an der Seite von Michael Douglas. Selbst in ihren komischen Rollen war sie oft der Tollpatsch, wie in "Voll verheiratet", oder das Nerd-Girl, dessen Sexiness erst mühsam herausgekitzelt werden musste, wie in "Clueless", ihrem ersten großen Film im Alter von fünfzehn Jahren.

Und doch deutet momentan nichts darauf hin, dass es solche Instabilität zuletzt auch in ihrem Leben gab. Am Sonntagmorgen um acht reagierte die Feuerwehr auf einen Hilferuf aus dem Haus in West Hollywood, das sie mit ihrem Mann, dem Drehbuchautor Simon Monjack, bewohnte. Dort fand man sie bewusstlos in der Dusche, wo sie sich offensichtlich heftig übergeben hatte. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Kurz nach zehn wurde der Tod festgestellt, als Ursache gab das Cedars-Sinai Hospital Herzstillstand an. Brittany Murphy wurde 32 Jahre alt.

In der persönlichen Begegnung wirkte Murphy, 1977 in Atlanta, Georgia geboren, smart, selbstironisch und zielstrebig. Schon als kleines Kind wollte sie immer im Mittelpunkt stehen und die Familie unterhalten, erzählte sie zum Start ihres Films "Sin City". Sie war es, die ihre alleinerziehende Mutter schon mit dreizehn Jahren überredete, nach Los Angeles zu ziehen: "Es gab nie einen Zweifel daran, dass ich Performer werden musste - in welchem Fach auch immer." Ein Jahr später war es so weit, Murphy bekam die ersten Fernsehrollen. Auch der Film ließ nicht lange auf sich warten.

Solange die Show weitergeht

Etwas von dieser Persönlichkeit schimmerte in vielen ihrer Figuren durch: Frühreif und altklug wirkten diese oft, ein wenig mutwillig, sozial nicht immer ganz kompatibel. Überraschend dann aber der Ausdruck der Bedürftigkeit in ihren Augen, dieses Flehen nach Schutz und Anerkennung, das sie in ihren plötzlich waidwunden Blick legen konnte.

Das verschaffte ihr gewisse Vorteile, wenn die Rollenbeschreibung nach gestörten Persönlichkeiten verlangte, war aber wahrscheinlich nur ein Ausdruck dieses anderen Bedürfnisses: sich auszuleben und auszudrücken vor der Kamera, mit Menschen zu kommunizieren, ihre Reaktionen zu spüren. Aus diesem Impuls machte Brittany Murphy auch Musik. Ihr im vollen Vamp-Modus hingehauchtes "Faster Kill Pussycat" mit DJ Paul Oakenfold stand im Jahr 2006 sogar auf Platz eins der amerikanischen Dance-Charts.

Wie immer beim allzu frühen Tod eines Stars beginnen natürlich sofort die Spekulationen: Ihr zuletzt sehr vorspringendes Schlüsselbein, deutete es auf Magersucht und gefährliche Unterernährung hin? Waren, wie erste Quellen schon wieder wissen wollen, auffällig viele verschreibungspflichtige Medikamente in ihrem Haus?

Man darf bezweifeln, dass solche Untersuchungen viel ergeben werden: Brittany Murphy wirkte wie eine Frau, die glücklich ist, solange die Show irgendwie weitergeht. Und das tut die Show ja immer.

Im Video: Der Tod der US-Schauspielerin Brittany Murphy hat unter ihren Fans weltweit Trauer und Entsetzen ausgelöst. Murphy war am Sonntag im Alter von nur 32 Jahren gestorben. Die genaue Todesrursache steht noch nicht fest, Medien berichten von Herzversagen. Weitere Videos finden Sie hier

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SZ vom 22.12.2009/rus
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