Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Bernd Eichinger:Das Ende der Geschichten

Der plötzliche Tod Bernd Eichingers ist nicht nur für die Filmwelt ein Schock. Der größte deutsche Produzent hinterlässt ein Loch, dessen Tiefe noch nicht absehbar ist.

Andrian Kreye

Es ist jetzt noch keine zwei Tage her, dass der Regisseur und Produzent Bernd Eichinger bei einem Abendessen im Kreise von Familie und Freunden in Los Angeles im Alter von 61 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist. In diesen wenigen Stunden ist der große Bernd Eichinger zu einer monumentalen Figur angewachsen. Zu einem Mann, den im Kondolenzbuch der Filmfirma Constantin, in der er über dreißig Jahre lang gleich mehrere Schlüsselrollen gespielt hat, Menschen betrauern, die ihn nie getroffen haben. Das liegt nicht nur daran, dass Bernd Eichinger jung und plötzlich gestorben ist.

Und alle, die ihn auch nur flüchtig erlebten, erinnern sich nun an jenen Moment, in dem Bernd Eichinger kurz in ihrem Leben auftauchte und sogleich eine Spur hinterließ. Das war der Mann, den seine Weggefährtin Doris Dörrie in einem Essay zu seinem 60.Geburtstag vorvergangenes Jahr als "Der Bernd" auf den Punkt brachte.

Die Trauer hat manchmal die wunderbare Eigenschaft, eine Figur wieder ins rechte Licht zu rücken. Sicherlich gab es da den Eichinger, der in den Boulevardstücken der Republik eine Rolle spielte. Der die Filmwirtschaft zwischen Berlin und Hollywood öfter mal mit einem Gestus durcheinanderwirbelte, den man sonst nur aus Hollywood kannte - mit breitem Kreuz und breitem Grinsen. Die Trauer um Bernd Eichinger, die sich im Land und in der Filmwelt breitmacht, erinnert allerdings an einen Mann, der etwas beherrschte, das nur wenige können. Er war einer, der die entscheidenden Geschichten erzählte.

Eichinger hat Peter Handke ein Drehbuch nach Goethe schreiben lassen. Er hat sich hinter Hans-Jürgen Syberbergs unbequemen Blick auf Hitler gestellt. Er hat die großen Qualen einer Jugend in der Figur des Junkie-Mädchens Christiane F. erkannt. Er hat ganzen Generationen von Kindern mit der "unendlichen Geschichte" eine neue Welt eröffnet. Er hat einiges an Literatur verfilmt, Zeitgeschichte und auch Klamotten, dazwischen ein paar Flops gelandet und immer wieder die großen, die universellen Geschichten gesucht, die jeden deutschen und besser überhaupt jeden Kinogänger auf der Welt ansprechen sollten. Deswegen war er so wichtig für Deutschland und deswegen haben sie ihn in Hollywood als einen der ihren behandelt.

Und deswegen erinnern die Reaktionen gerade an die Trauer, wie man sie zuletzt beim Tod von Michael Jackson erlebt hat, von J.D. Salinger oder Heath Ledger. Sie alle waren Geschichtenerzähler, die den oft so verwirrenden Gefühlshaushalt des Zeitgeistes auf den Punkt bringen konnten.

Was für ein Loch der frühe Tod von Bernd Eichinger gerissen hat, kann man noch nicht sagen. Noch will sich niemand äußern, was mit seinen Projekten passiert, mit der Verfilmung der Geschichte des entführten Mädchens Natascha Kampusch mit dem großen 3D-Projekt, über das noch wenig bekannt ist. Die Constantin Film, bei der er nach dem Verkauf seiner Anteile noch einen Produzentenvertrag und einen Aufsichtratsposten hatte, will noch keine Verlautbarungen machen.

Die Zyklen der Filmwelt sind lang, es dauert Jahre, bis eine Idee zu einem Film geworden ist. Deswegen wird man erst in einigen Jahren erfassen, was nun fehlt in der Welt des Films. In Deutschland und in Hollywood.

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Quelle:
SZ vom 27.01.2011/kelm
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