Zum Tod von Al Jarreau:Sein Instrument war die Stimme

Al Jarreau

"Singend, gurgelnd, mit der Zunge schnalzend, stöhnend, schreiend, flatternd, flüsternd, seufzend, knatternd", so stand Al Jarreau auf der Bühne.

(Foto: REUTERS)

Er war samtweicher Plauderer, alberner Stimmclown, geschmeidiger Rapper. Jetzt ist der große Jazz-Sänger Al Jarreau im Alter von 76 Jahren gestorben.

Von Jens-Christian Rabe

Für Stimm-Künstler wie ihn ist das Wort Vokalist erfunden worden. Denn einfach nur ein Sänger ist Al Jarreau nie gewesen. Sänger singen. Vokalisten stellen mit ihrer Stimme noch völlig andere Dinge an.

Man sehe sich nur einmal das Youtube-Video an, in dem er 1976 im deutschen Fernsehen den Jazz-Evergreen "Take Five" interpretiert. Wobei "interpretiert" ein viel zu schwacher Begriff ist für das, was Jarreau da als Geräusche-Imitator aufführte. Er zieht dort die ganz große Vokal-Show ab, singt stottert, schmeichelt, spricht, stolpert, scattet; ist samtweicher Plauderer, alberner Stimmclown, geschmeidiger Rapper - dabei gab es 1976 eigentlich noch gar keine Rapper.

Einen "Instrumentalisten der Stimme" nannte ihn der Jazzkritiker Joachim-Ernst Berendt; selbst er, der große Jazz-Kenner, konnte kaum fassen, was der 1940 in Milwaukee als fünftes von sechs Kindern eines Pfarrers und einer Kirchenorganistin geborene Jarreau "singend, gurgelnd, mit der Zunge schnalzend, stöhnend, schreiend, flatternd, flüsternd, seufzend, knatternd" auf der Bühne anstellte.

Sieben Grammys gab's dafür, den ersten 1978, den letzten 2007 für die Aufnahme des Songs "God Bless the Child" mit George Benson und Jill Scott. Wer im Pop die mit ihrer Schwäche ringende Stimme schätzt, den befremdet die schiere Virtuosität der Stimme Jarreaus mitunter. Seichte Songs wie "Boogie Down" konnte sie allerdings ebenso zu noch heute famosem Soft-Soul glasieren.

Jarreau kam als eines von sechs Kindern eines afro-amerikanischen Pastors in Milwaukee, im US-Bundesstaat Wisconsin, zur Welt. Schon mit vier Jahren habe er Gershwins Melodien aus "Porgy und Bess" auswendig gekannt, erinnerte er sich einmal. "Bei uns zu Hause wurde viel gesungen." Er studierte Psychologie, arbeitete tagsüber als Sozialarbeiter mit behinderten Menschen. Erst spät startete er seine professionelle Musikerkarriere. Mit 35 Jahren nahm er sein erstes Album auf.

Am Sonntag, dem Tag der Grammy-Verleihung, ist Al Jarreau gestorben, im Beisein seiner Familie, in einem Krankenhaus in Los Angeles, in das er am Mittwoch wegen akuter Erschöpfung gebracht worden war. Er wurde 76 Jahre alt.

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