Zum Montagskino der ARD:Sei klug, gib ihm recht

Endlich sind wir wieder im Jahr 1953: Mit frauenverachtendem Irrwitz schickt uns die Serie "Geld.Macht.Liebe" ins gepflegt reaktionäre Bankermilieu. Und dann folgt eine Hommage an die Hausfrau.

Georg Diez

Das deutsche Fernsehen, besonders das öffentlich-rechtliche, ist eine Wohltat für die Menschen, vor allem deshalb, weil es nie aufhört, einen zu überraschen. Da sitzt man schön müde und abgestumpft auf dem Sofa und wartet darauf, ähnlich müde und abgestumpft behandelt zu werden, das ist ja das geheime Abkommen, auf das man sich als Zuschauer mittels des GEZ-Vertrages einigt - und auf einmal wird man von einem einzigen Satz, von einer Szene, von einer Figur wachgerüttelt: Was denken die sich dabei, was steckt dahinter, ist das wirklich nur Dummheit oder ist das schon Ironie. Und ist es nur mein IQ, der nicht ausreicht, weil er nicht an den des Redakteurs herankommt, der sich diesen Geniestreich ausgedacht hat?

Zum Montagskino der ARD: Moderne Kunst ist eklig und schmutzt: Marietta (Jytte-Merle Böhrnsen) und Mona (Angela Roy, r.) in der ARD-Serie "Geld.Macht.Liebe.".

Moderne Kunst ist eklig und schmutzt: Marietta (Jytte-Merle Böhrnsen) und Mona (Angela Roy, r.) in der ARD-Serie "Geld.Macht.Liebe.".

(Foto: Foto: dpa)

Montagabend also in der ARD, und der Geniestreich heißt Geld.Macht.Liebe. Die neue Hauptabendserie beeindruckt nicht nur durch die gute Quote und dass sie besonders billig ausgeleuchtet ist und die Drehbuchfetzen so zusammenhangslos durch die Luft schweben, dass das sicher schon wieder modern und zeitgemäß ist. Nein, das wirklich Beeindruckende an dieser Serie ist, dass sie so quer zu all dem steht, was derzeit in diesem Land passiert und man gar nicht anders kann, als hinter diesem Konzept den Hegelschen Weltgeist zu vermuten. Dialektik!, möchte man dauernd aufspringen und rufen, Feuerbach!!, und da ist die Ruhe natürlich ganz schnell hin.

Es geht ums Bankermilieu, so viel ist klar und wird klar, wenn man sich unbedarft in die Serie hineinzappt, und anders bewegt sich heute ja wohl niemand mehr durchs Fernsehen - und weil das Fernsehen im Allgemeinen und die großen Sendeanstalten im Besonderen sehr langsam arbeiten, ist die Serie schon lange vorgeplant worden, und es geht natürlich nicht ums Bankermilieu in der Krise oder als Hort des gesellschaftlichen Unfriedens, des sozialen Verrats oder der ökonomischen Scharlatanerie: Es geht ums feine, noble, ein bisschen intrigante und gepflegt reaktionäre Bankermilieu, das sich gut mit dem gleichfalls gepflegt reaktionären Adeligenmilieu kombinieren lässt.

Die zweite von insgesamt imponierenden 19 Folgen gipfelte nun in einer Szene, die so hellsichtig oder verlogen war, dass einem der Atem stocken konnte. Das sei doch einem "kranken Hirn" entsprungen, sagte die Tochter gut gelaunt über ein buntes, einigermaßen abstraktes Bild, als sei die Moderne etwas, das eklig ist und schmutzt. Und ihre Mutter lächelte dazu nur sehr adelig. Der Mann der Tochter, der das Bild gekauft hatte, regte sich darüber furchtbar auf und verließ, womöglich ohne Handkuss, den Raum. Schatz, sagte da die Mutter, du hast natürlich recht, blabla - aber, und das war die Pointe, wenn du klug bist, gibst du ihm trotzdem recht, "Männer mögen so etwas."

Als Zuschauer ist man dann kurz unschlüssig, ob man lachen oder weinen oder einfach weiterschalten soll. Aber weil einem selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht alle Tage so ein Schauspiel geboten wird, bleibt man mal dran - und wird belohnt: Irgendein Dramaturgiegott im Ersten hat sich etwas ausgedacht, das den frauenverachtenden Irrwitz nochmal eine Stufe weiter-, also zurückdreht. Mahlzeit Deutschland heißt das, was nun montags im Anschluss kommt, eine leicht beschwingte serielle Hungerfeier der harten Jahre nach dem Krieg, vor allem aber eine Hommage an die Hausfrau. Es stellen sich die wirklich wichtigen Fragen: "Wie werden wir satt, das ist die größte Herausforderung für uns Deutsche." Oder: "Die Menschen lernen, sich an den kleinen Dingen zu freuen." Noch besser: "Die Trümmerfrauen trotzen den Problemen mit guten Ideen."

Das sind so Sätze, die sich über Kartoffelpampe, Plätzchen aus Kaffeesatz und Rübeneintopf sagen lassen. Und die Männer, die aus der Kriegsgefangenschaft heimkommen, waren wohl gerade mal Zigaretten holen. In der Gegenwartsfeindlichkeit und Geschichtsseligkeit unserer Tage ist der ARD diesmal etwas geglückt: Wir leben nicht im Jahr 2009, haben sie bewiesen, wir leben im Jahr 1953.

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