Süddeutsche Zeitung

Achtung, Humor!:Die 13 tollsten Ängste der Deutschen

Sie haben Angst vor dem Beifahrersitz oder Angst vor dem Versagen? Keine Angst, damit sind Sie nicht alleine. Kabarettist Lutz von Rosenberg Lipinsky hat die irrsten Ängste der Deutschen gesammelt, seziert - und beschrieben, wie man sie bekommt.

Von Ruth Schneeberger

Die 13 tollsten Ängste der Deutschen

Es folgen Ausschnitte aus Lutz von Rosenberg Lipinskys Buch Die 33 tollsten Ängste - und wie man sie bekommt, erschienen im Carlsen-Verlag. Viel Vergnügen - und keine Furcht, wenn Sie sich bei der ein oder anderen Angst durchaus ertappt fühlen - spätestens bei der "German Angst" oder bei der Angst vor dem Altern dürfte sich ein Großteil der Deutschen in sorgenvoller Stimmung wohlig vereint fühlen. Angst vor dem Beifahrersitz: Der Fahrer macht einfach alles falsch. Der Beifahrer darf das allerdings nicht zu intensiv thematisieren, weil er dann entweder aus dem Wagen geworfen wird und die Reise womöglich per Anhalter wird fortsetzen müssen - ein Albtraum. Oder, noch schlimmer: Er muss mit der Bahn fahren (siehe: Angst vor der Eisenbahn)! Oder am schlimmsten: Er darf im Wagen bleiben, muss aber ertragen, dass er mit seinen Bemerkungen den Fahrer derart verunsichert und/oder aggressiv gemacht hat, dass ein Absprung während der Fahrt irgendwann als attraktive Option erscheint. Häufige Opfer: Frauen, Männer, Kinder, Fahrlehrer Fortbildung: You can sleep while I drive (Melissa Etheridge), The Hitcher (Dave Meyers), Alarm für Cobra 11

Angst vor dem Altern (Gerontophobie)

Die Angst vor dem Altern wächst interessanterweise parallel zu unserer Lebenserwartung. Da Jugendlichkeit und Makellosigkeit zu Fetischen unserer Kultur geworden sind, mutet es grausam an, dass immer mehr Menschen immer länger bleiben und der eigenen stetigen Entwertung teilweise jahrzehntelang ohnmächtig beiwohnen müssen. Denn bekanntlich steht die deutsche Alterspyramide auf dem Kopf. Wir sterben aus - aber eben nicht schnell genug. Berühmte Fälle: James Dean, Cher (im Bild), Lothar Matthäus, Silvio Berlusconi Berühmte Feinde: Tod, Nachwuchs, Drogen, Schönheits-OP

Angst vor öffentlichen Toiletten (Latrinophobie)

Eine der Ängste vor öffentlichen Toiletten ist eine hygienische: Unangenehm ist es, sich mit nackter Haut auf Gegenstände von unklarem Sauberkeitszustand zu setzen oder sie berühren zu müssen. Gut ausgebildete Phobiker warten daher, bis andere die Toilettentür öffnen, um durchzuschlüpfen. Grundsätzlich muss in Deutschland jede Einrichtung, die Getränke ausschenkt, den Kunden die Möglichkeit geben, diese auch kostenlos wieder loszuwerden. Mittlerweile aber gibt es nur noch "Shopping Malls", "Take Aways" und "Do not stay here's". Keines der dort eingerichteten Restaurants, Coffee Shops, Cafés und Bäckereien verfügt noch über eine eigene Toilette. Vielmehr teilen sich alle ein "Cleaning Center", passenderweise meist im Untergeschoss. Es handelt sich dabei um einen Glaspalast mit Drehkreuzen und Sicherheitssperren wie beim Kanzleramt. Dort muss man dann doch bezahlen. Der Druck bei der Nutzung öffentlicher Toiletten ist daher immens, nicht nur, aber auch finanziell. Ein echter Geizkragen wird daher beispielsweise am Bahnhof schnell in einen wartenden Zug springen, um auszutreten. Weil das noch umsonst ist. Allerdings geht er dabei das Risiko ein, den Zug nicht rechtzeitig wieder verlassen zu können. Für Angstanfänger mag dies aber eine akzeptable Ausgangsübung sein. Häufige Opfer: Fußballfans, Volksfestbesucher, Regionalzugbenutzer, Frauen Fortbildung: Der einzige Zeuge (Peter Weir), I'm so excited (Pointer Sisters) Im Bild: Karneval in Köln

Angst vor Männern (Androphobie)

Ebenso wie vor der körperlichen Überlegenheit des Mannes fürchten sich Frauen vor seiner Unberechenbarkeit und seinem Starrsinn. hat er sich einmal etwas vorgenommen, wird er es tun, so sinnlos es ist. Das Leben eines Mannes ist eine Mission. Selbst, wenn er nicht mehr genau weiß, worum und wohin es geht: Er zieht es durch. Insbesondere Ehefrauen und Mütter können davon ein Lied singen: Kein Mann bringt aus dem Supermarkt mit, wozu er geschickt wurde. Aber er hat den Einkauf in Rekordzeit erledigt und ist auch noch stolz darauf, weil er glaubt, das wäre das Ziel gewesen. Aber auch die alleinstehende Frau kann sich vor Männern fürchten - und vor dem höheren Auftrag, in dem diese unterwegs sind. Zum Beispiel beim Autokauf: Hier wird keine Frau vom Händler auch nur ansatzweise ernst genommen, sondern auf perfide Art erniedrigt. Zunächst wird ihr absolute Inkompetenz unterstellt. Dann versucht man, ihr die allerletzte Schrottkarre überteuert anzudrehen. Wenn sie mit diesem röchelnden stinkenden Metallsarg nach zwei Tagen wiederkommt, wird das als Bestätigung dafür interpretiert, dass Frauen nichts von Autos verstehen und diese innerhalb von Stunden zerstören. Zum anderen wird latent vermittelt, dass sie sich das selber zuzuschreiben hat, weil sie als Frau zwar Autohaus und Werkstatt betreten darf, aber gefälligst einen Mann mitbringen sollte - im eigenen Interesse. Wenn sie das nicht tut, hat sie offenbar keinen. Dann muss sie wohl lesbisch sein, hässlich oder eine nervende Schreckschraube. Oder alles zusammen. In jedem Falle hat sie keinen richtigen Wagen verdient. Vor dieser grundlos herrischen Art, in der Männer sich die Welt untertan machen, kann man sich in der Tat fürchten. Was nicht passt, wird passend gemacht - oder zumindest wird es versucht. Da das in den seltensten Fällen gelingt, verliert man seinen Respekt ziemlich schnell, je mehr man mit Männern zu tun hat. Von weitem wirken Männer weitaus bedrohlicher. Deshalb empfehlen wir Ihnen: Halten Sie sich von uns fern, liebe Frauen! Häufige Opfer: Frauen, Kinder, sensible Buchautoren, getretene Hunde Verwandte Ängste: Angst vor Hunden, Angst vor Gewalt, Angst vor Gott, Angst vor Computern, Angst vor Versagern Im Bild: FDP-Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle

Angst vor Frauen (Gynophobie)

Männer fürchten sich vor Frauen. Das würde aber nie einer zugeben. Erstens hielte er das für eine Niederlage, zweitens hätte er diese gegen einen seiner Meinung nach Schwächeren erlitten und drittens handelte es sich bei einer solchen Äußerung um die Artikulation eines Gefühls. Niederlagen sind für einen Mann inakzeptabel, Schwäche ist verachtungswürdig - das Auftreten von Emotionen aber befremdet ihn wie ein Stanley-Kubrick-Film: Anschließend ist er völlig verwirrt und fragt sich, was das denn jetzt gewesen sein soll. Wenn ein Mann Gefühle zeigen soll, deutet er auf eine Frau. Und geht schnell was trinken. Maßnahmen dieser Art (Besäufnis, Partnerwechsel, Mal-wieder-den-Wagen-Ausfahren in dreieinhalb Stunden von Hamburg nach München) ergreifen Männer gern, um sich nicht selbst hinterfragen zu müssen. Das ist wichtig. Denn Männer glauben an ihre Überlegenheit allem und jedem gegenüber (siehe: Angst vor Männern). Sie meinen, sie könnten den Planeten regieren. Und fürchten sich zugleich vor dem Gegenbeweis. Sprich, vor allem, was sich ihrer Kontrolle entzieht. Dazu gehören selbstverständlich auch Frauen, die sich bekanntlich noch nicht einmal selbst kontrollieren können. Angst macht uns Männern vor allem die ewige Unzufriedenheit der Frauen, die wir als Kritik an unserem Leistungsvermögen auffassen. Außerdem mündet diese Unzufriedenheit in einen permanenten Veränderungswillen (Renovieren, Umräumen, Umzug, Paartherapie, Trennung), der den Mann generell überfordert. Er möchte bekanntlich einfach nur hier sitzen. Häufige Opfer: Männer, Frauen, Mütter von Söhnen Verwandte Ängste: Angst vor Katzen, Angst vor Problemen, Angst vorm Einkaufen, Angst vor Verarmung, Angst vor Bindung, Angst vor Scheidung Im Bild: Demo gegen Sexismus in Berlin

Angst vor dem Versagen (Ineffektophobie)

Die Angst vor dem Versagen gehört zu den zivilisatorischen Ängsten, weshalb sie sich im Laufe der Menschheitsgeschichte zunehmend stärker ausgeprägt hat. Dabei sind die Konsequenzen des Versagens bei der Mammutjagd vermutlich deutlicher spürbar gewesen als beispielsweise beim Torwandschießen. Der Versager ist im militärischen Wortsinn eine nicht explodierte Sprengladung. In einer Welt, die zunehmend elektrisch und elektronisch, informell statt kommunikativ, funktional und nicht sozial ist, empfindet sich der Mensch schnell als zu langsam, zu dumm oder zu weich. Und damit als Risiko. Um das eigene Leistungsvermögen einzuschätzen, setzt man sich oft mit anderen in Beziehung. Dieser Vergleich kann gewertet werden als motivierender Denkansatz ("Also, wenn der das schafft, schaffe ich das auch."), sollte aber besser frustrierend enden ("Das wird nichts. Ich bin der Einzige hier, der kein Latinum hat!"). Im Idealfall platziert man also einen Menschen mit geringem Selbstbewusstsein in eine feindliche Umgebung, die ihm Aufgaben stellt, von denen er noch nie gehört hat und für die er nicht ausgebildet wurde. Zudem stellt man ihm andere zur Seite, denen die Lösung keinerlei Mühe zu bereiten scheint (siehe: Angst vor Computern). Das schafft Frustration. Hier kann sich die Angst vor dem Versagen aufs Schönste steigern, bis hin zur kompletten Selbstaufgabe. Berühmte Fälle: Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg (im Bild), Gott Größte Feinde: Zen-Buddhismus, Waldorfschulen

Angst vor Arbeit (Ergophobie)

Die alten Römer hatten es eigentlich begriffen: Ihr Wort für Arbeit war negotium, also die Negation von otium = Ruhe. Arbeit ist also Ruhestörung. Denen die sich, ein römisches Schläfchen um die Mittagszeit nicht leisten können, dient Arbeit dem schnöden Broterwerb. In Deutschland allerdings wird sie oft überhöht als die zentrale Kommunikationsform des Einzelnen mit der menschlichen Gemeinschaft. Teil der Gesellschaft ist man bei uns nur durch seinen Job. Hat man keinen, gilt man als Parasit: Die Existenz des Nichtarbeitenden wird nicht nur als sinnlos, sondern sogar als schädlich für das Gemeinwohl angesehen. Die Angst vor Arbeit wird also insbesondere in Deutschland bedauerlicherweise tabuisiert. In unserem fast religiös zu nennenden Kult der Erwerbstätigkeit gilt Ergophobie als Akt der Blasphemie. Und die Agentur für Arbeit führt die Exorzismen durch. Im Umkehrschluss kann man mit Arbeitsplätzen die schlimmsten Baumaßnahmen und die sinnlosesten Subventionen begründen. Deshalb ist die Ergophobie eine vernünftige Angst; und sie lässt sich trainieren. Ziel des Trainings muss es sein, dass am Ende jede vorstellbare Art von Arbeit als Überforderung erscheint. Halten Sie niemandem die Tür auf, sondern warten Sie, dass es jemand für Sie tut. Das fristgerechte Beantworten eines behördlichen Schreibens ist undenkbar für Sie. Am besten öffnen Sie die Post einfach nicht, sondern legen alle Schreiben unbeachtet in den Altglascontainer. Früher oder später werden Sie Besuch bekommen. Und irgendwann umziehen müssen. Und die Polizei höchstpersönlich sorgt dafür, dass jemand anderes Ihre Möbel rausträgt. Häufige Opfer: Fußballer, Schmuckdesignerinnen, Lehrer, Studenten, Millionärsgattinnen Berühmte Fälle: Donald Duck, Florida-Rolf, Diogenes, Oblomow, Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg Im Bild: Arbeitsministerin Ursula Gertrud von der Leyen

Angst vor Fahrstühlen (Aszensophobie)

Der Fahrstuhl ist unter Angst-Gesichtspunkten eines der großartigsten Verkehrsmittel, vermag er doch nicht nur Menschen, sondern auch verschiedene starke Gefühle zu transportieren. Er kann Sozialphobie auslösen, Klaustrophobie sowie die Angst vor der Technik. Und vor dem mitfahrenden Chef. Und das alles auf kleinem - und engen Raum. Eine sozial akzeptierte Ausformung der Fahrstuhlangst ist in unserer fitnessfixierten Gesellschaft die Teilnahme am Wettrennen in den Treppenhäusern unserer Großstädte. Aszensophobien vermögen sich auch schon vor dem Fahrstuhl zu bilden. Eine bekannte Situation: Sie drücken den Knopf, der leuchtet auf. Und dann kommt noch jemand. Sieht Sie an, sieht die leuchtenden Ziffern an - und drückt noch einmal. Da stellt sich die Frage: Was glaubt so ein Mensch? Dass Sie nicht richtig drücken können? Vielleicht wirken Sie so auf andere? Das kann Angst machen. Konzentrieren Sie sich nur auf diesen Gedanken. Und schon haben Sie die herrlichsten Zweifel. Und zwar nicht nur an der Technik, sondern auch an sich selbst. Das ist die tragfähigste Angst. Nur sie kann niemals durch die Umwelt erschüttert werden. Ausschließlich negative Erwartungen sind es, die wir durch unser eigenes Handeln dauerhaft stabilisieren können. Sich selbst erfüllende Prophezeiungen sind ein dauerhafter und zuverlässiger Freund vieler Ängste. Berühmte Fälle: Götz George, Arminia Bielefeld Größte Feinde: Bungalows, Treppen, Fitnessstudio, Treppenlifter, Drogen

Angst vor Computern (Logiozomechanophobie)

Obwohl sie seit Jahrzehnten unser Leben prägen, haben viele von uns Nutzern (früher: Menschen) nach wie vor Angst vor Computern. Grund für die Computer-Angst ist meistens Unwissenheit. Der Generation, die heute mit Computern arbeitet (und deren Kinder bereits mit einer USB-Schnittstelle zur Welt kommen) wurde damals, in den Siebzigern, so gut wie kein Knowhow vermittelt. Im Gegenteil: Computer war Geheimfach. Die Dinger hießen zu der Zeit noch "Rechner" und waren auch welche. Sie konnten nur die Grundrechenarten und brauchten in der Schule einen eigenen Raum. Der war nur für die Physik-Lehrer zugänglich - und für die Mitglieder ihres Leistungskurses, die Hänger der Jahrgangsstufe. In den Achtzigern wurde "Informatik" zum Allerweltsstudium. Wirtschaft, Verwaltung, alle suchten händeringend Computerfachleute. Plötzlich wurden sie gebraucht. Und ihre Rache war furchtbar. Die Spezialität sogenannter ITler besteht bis heute darin, andere zu erschrecken. Mit z.B. klassischen Windows-Formulierungen wie: "Unbekannter Ausnahmefehler". Genau genommen eine unverschämte Formulierung: Gerät, Hersteller und Programmierer tun so, als wüssten sie von nichts. Man bekommt immer das Gefühl vermittelt, man sei selbst schuld. Mit dem Ergebnis, dass viele Menschen Angst haben, überhaupt noch professionellen Support in Anspruch zu nehmen. Ein Informatiker aus dem Bekanntenkreis wird Ihnen ebenfalls ein schlechtes Gewissen machen, weil Sie ihn in seiner Freizeit mit solchen Bagatellen behelligen und auch noch erwarten, dass er umsonst tut, was Sie mit ein wenig mehr Mühe selbst hätten erledigen können. Nach drei Stunden völlig unverständlicher Maßnahmen seinerseits wird er kopfschüttelnd und unverrichteter Dinge wieder abziehen und den Kontakt zu Ihnen abbrechen. Besonders beliebt ist auch das Phänomen, dass ein gebrauchter Computer jahrelang fehlerfrei funktioniert hat. Erst nachdem Sie ihn erworben haben, stellt er den Dienst ein. Eine herrliche Frustration: Das muss man einfach persönlich nehmen. Ihre Ängste werden sich dadurch noch steigern und ergänzt durch das wunderbare Gefühl, nicht mehr zukunftsfähig zu sein und demnächst aussortiert zu werden. Berühmte Feinde: Reinhard Mey, George Clooney, Iris Berben, Karl Lagerfeld Größte Feinde: Bahnschalter, Spaziergänge, Handarbeit, Gespräche, Handschrift

Angst vor Fahrrädern (Cyclophobie)

Die Angst vor Fahrrädern ist eine zivilisatorische Spätangst. Insbesondere, seit die Geschwindigkeit, der Preis, und die Ausstattung eines Fahrrads der eines mittelgroßen Charterflugzeugs entsprechen, sind vielerlei Befürchtungen ins Kraut geschossen. Wer mit seinem Auto gelegentlich durch Wohngebiete fährt und die auf ihn zuhaltenden Fahrrad-Senioren genauer betrachtet, weiß, wovon die Rede ist. Neben der Geschwindigkeit gibt es noch ein weiteres angsterregendes Merkmal des Fahrradfahrens: die äußere Erscheinung. Menschen, die sich sonntags in zu enge, pastellfarben gemusterte Fahrradanzüge quetschen (mit Gesäßpolster, auch Sitzpad genannt) und in ihre zu kleinen Schühchen. Auf dem Kopf ein lustiger Bärchenhelm von Lidl, an den klammen Fingern Handschuhe von Penny und am Lenker eine Trinkflasche von Ikea. Dies ist an sich schon kein schöner Anblick. Noch peinlicher ist es aber, wenn diese Klödens und Armstrongs für Arme während ihres sogenannten Trainings plötzlich grußlos in den Straßengraben kippen. Dabei gesehen zu werden, bereitet ihnen Sorgen. Häufige Opfer: Fußgänger, Autofahrer Verwandte Ängste: Angst vor Draht, Angst vor Eseln

German Angst

"German Angst" ist ein internationaler Fachausdruck für die unseren Landsleuten zugeschriebene Form des skeptischen Pessimismus. Das dazu passende Geräusch wäre am ehesten ein tiefer Seufzer. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass wir nicht an Änderung glauben - und in keinem Falle an eine zum Guten. Wir wissen nicht, was wir tun sollen - aber immerhin wissen wir ganz genau, dass das, was wir tun, das Falsche gewesen sein wird. Und tun dann lieber gar nichts. Neben den alltäglichen, der Depression ähnlichen Formen erscheint die "German Angst" auch in der Außenpolitik: als eine Art Zaudern. Jahrzehntelang kämpfte Deutschland um die Möglichkeit, am zentralen Tisch der Weltpolitik zu sitzen und mit zu entscheiden. Und was war konsequenterweise unsere erste Amtshandlung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen? Eine Enthaltung. Diese Regeln der "German Angst" lassen sich ohne Weiteres auch im Privatleben anwenden. Zu Silvester kann man an Dutzenden unterschiedlicher Veranstaltungsorte Karten oder in Restaurants Sitzplätze reservieren - um dann zuhause mit Freunden einen Spieleabend zu machen. Im Urlaub kann man früh aufstehen und Handtücher auf eine Vielzahl von Sonnenstühlen in unterschiedlichen Positionen und Himmelsrichtungen legen, um zu guter Letzt aber wegen der Hitze lieber auf dem klimatisierten Zimmer zu bleiben. Man kann sich nach dem Abitur um unterschiedliche Studienplätze bewerben in unterschiedlichen Fächern und an unterschiedlichen Orten - um dann doch den elterlichen Hof zu übernehmen. Berühmte Fälle: Guido Westerwelle, Edmund Stoiber, Horst Köhler (im Bild), Christian Wulff Größte Feinde: Sonnenschein, Handlungsfreude

Angst vor dem Alleinsein (Monophobie)

Wer andere Menschen um sich hat, fühlt sich in aller Regel weniger bedroht. Oder zumindest nur von seinesgleichen. Dies gilt für den Swingerclub genauso wie für die Justizvollzugsanstalt. Dort gilt ungeachtet des Geisteszustands und der Gewaltbereitschaft der Mithäftlinge die Einzelhaft noch immer als Höchststrafe. Viele Strafgefangene haben bekanntlich nach ihrer Entlassung große Schwierigkeiten, sich außerhalb des Gefängnisses zurechtzufinden und würden am liebsten freiwillig zurückkehren. Das wird ihnen allerdings verwehrt, weshalb sie einen Rückfall vortäuschen und gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen müssen. Die Monophobie tritt vielfach im Herbst auf und besonders in Großstädten. Aber auch in ländlichen Regionen. Und im Sommer. Sie ist eine der grausamsten undwillkürlichsten Ängste, die wir zur Verfügung haben. Sie kann den unfreiwilligen Single treffen, der sich nach nichts mehr sehnt als nach Partnerschaft. Aber auch den, der eigentlich glücklich ist, seine Ruhe zu haben. Sie kann sich zeigen beim fröhlichen Paar, das nichts mehr fürchtet, als dass einer vor dem anderen stirbt (was mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird). Aber auch in einer unglücklichen Pflichtehe kann sie auftreten. Weil beide Partner wissen, dass sie mittlerweile keine Chance mehr haben, jemand Besseren zu finden. Häufige Opfer: Menschen, Henker, Massenmörder, Diktatoren, Eltern Größte Feinde: Familie, Flug in die Karibik, Vereinsleben, Drogen

Angst vor Fremden (Xenophobie)

Die Angst vor Fremden ist in Deutschland tief verwurzelt. Schließlich ist unsere Region seit Jahrhunderten Transitstrecke, in alle Richtungen. Hier wollten immer schon alle durch: Kimbern und Teutonen, Holländer und Polen, Volvo und Renault. Die Grundlage für die Furcht vor ihnen ist uns dennoch nicht abhanden gekommen: Unwissenheit. Man kann die Fremden nicht einschätzen. Zum anderen weiß man nicht, wie viele von ihnen noch kommen. Oder ob sich die bereits Anwesenden nicht schneller vermehren als man selbst. In beiden Fällen geriete man zügig in die Minderheit und wäre nicht mehr Herr im eigenen Haus. Man stelle sich vor, es wandern am Ende auch noch Sarazenen, also Araber, ein und werden hier Bundesbankvorstand und Bestsellerautor! (Im Bild: Thilo Sarrazin) In Deutschland beschränkt man sich daher darauf, den Zugereisten und Zuwanderern das Leben schwer zu machen. Durch Beleidigung, Bedrohung oder behördliche Willkür. Allerdings reichen selbst Rassismus und Armut meist nicht aus, um den sogenannten Zuwanderern eine Rückkehr in die Heimat schmackhaft zu machen, da die Lebensbedingungen hierzulande trotzdem noch einladender sind als in den meisten anderen Ländern der Welt. Lediglich das schlechte Wetter und unsere Cherophobie (Angst vor Fröhlichkeit) fallen negativ ins Gewicht. Kein Vergleich allerdings zu Hinrichtung, Folter oder Zwangssterilisation. Seit der sogenannten Völkerwanderung sind wir Deutschen aber auch immer wieder mit größeren oder kleineren Gruppen in unsere Nachbarländer eingefallen. Vermutlich, um unsere Angst vor der Fremde zu überwinden, unterwerfen wir - in Form des militärischen Einmarschs oder durch den sogenannten Tourismus - mittlerweile auch weiter entfernt liegende Regionen. Zu einem größeren Verständnis dieser fremden Kulturen hat uns das bekanntlich nicht geführt. Allerdings haben wir im Ausland durch unser Sozialverhalten, unsere Kleidung, unser Auftreten und unseren Alkoholkonsum unsererseits Fremdenangst ausgelöst. Quid pro quo. Größte Feinde: Urlaub, Neugier, Hunger, Integration Verwandte Ängste: Angst vor dem Aussterben (Sarrazinophobie), Angst vor Impotenz

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