Zum 100. Geburtstag von Graham Greene:Kuppel der Lüste

Mit den Verfilmungen seiner Romane war er nur selten zufrieden - sein Gespür für das Kino hat er besonders als Filmkritiker bewiesen.

Von Fritz Göttler

Die Beziehungen waren vielfältig, die Graham Greene zum Kino unterhielt, als Zuschauer, als Romancier - und als Kritiker. Mit den Verfilmungen seiner Romane war er nur selten zufrieden, auch wenn es prominente Leute waren, die sich um die Regie kümmerten: Fritz Lang für "Ministry of Fear", John Ford für "The Fugitive", Otto Preminger für "Saint Joan" - Greene schrieb das Script nach Shaws Stück - und "The Human Factor", Joseph L. Mankiewicz für "The Quiet American"... Und Carol Reed, mit dem er mehrfach zusammenarbeitete, zum Beispiel für "Der dritte Mann".

Zum 100. Geburtstag von Graham Greene: Michael Caine in der Greene-Verfilmung des "Quiet American" im Jahr 2001.

Michael Caine in der Greene-Verfilmung des "Quiet American" im Jahr 2001.

(Foto: Foto: AP)

Der Autor als Kritiker

Am Samstag wäre Graham Greene hundert geworden, ein Anlass, noch einmal daran zu erinnern, dass er zwischen 1935 und 1940 als Filmkritiker arbeitete, vorwiegend für den Spectator, dass diese Stücke im Band "The Pleasure Dome" zusammengefasst wurden (erstmals 1972) und dass bislang kein deutscher Verlag daran dachte, diese wunderbare Sammlung deutschen Lesern zu präsentieren.

Der Kritiker Greene hat dabei durchaus eigene Ansichten zur Kinogeschichte. Hitchcock zum Beispiel schätzt er nicht sonderlich - was ihn nicht hinderte, in "Die amerikanische Nacht" des Hitchcock-Jüngers Truffaut einen Kurzauftritt zu absolvieren. Mit Fields und Fernandel ist er meistens glücklich, manchmal blitzt Interesse fürs deutsche Kino auf - Lob fürs exzellente U-Boot-Melodram "Morgenrot" von Ucicky.

Beglückend ist seine angenehme Balance zwischen ironischer Zurückhaltung und Enthusiasmus. Nehmen wir "Beau Geste" zum Beispiel, die Version von 1939, von William A. Wellman, mit Gary Cooper und Ray Milland, rezensiert im Spectator am 11. August 1939.

"Dreizehn Jahre sind vergangen seit der ersten Beau-Geste-Produktion, mit Ronald Colman, William Powell, Noah Beery, aber nicht ein einziger Set des Films scheint verändert. Natürlich spielt das Gedächtnis einem manchen merkwürdigen Streich...aber ich bin mir sicher, dass das alte Herrenhaus von Brandon Abbas die ganzen Jahre über auf einer verlassenen Studiobühne eingemottet war, wo Staub sich herabsenkte auf die Buntglasfenster, die Paneele, die Rüstung in der Halle, und auf Lady Patricia - ihr aristokratisches Leiden bleichte nur ganz wenig aus in den Jahren, und Vögel fingen an sich in ihrem hochgetürmten Haar einzunisten.

Warum soll man sich anstrengen und zerstören, was man sicher früher oder später wieder brauchen wird? Leider haben wir das Ende von ,Beau Geste' noch nicht erreicht - Technicolor und Stereoskopie sind nur eine Dekade entfernt ... Ein morbider Film, aber ich glaube nicht, dass eine Moralinstanz aktiv werden wird. Die Geschichte ist in vertraute Farben gepackt - Kameradschaft und Loyalität und Benimm, und das reine Mädchen, das man zurücklässt. Morbide, weil die Brutalität nicht den geringsten Bezug zur wirklichen Welt hat; es ist unkritisches Tagträumen. Wir kritisieren unsere Träume nicht..."

Es ist alles drin in diesem Text, ein Gespür fürs Kino und für die Erwartungen, mit denen es spielt, für den Umgang mit der Zeit, der mythischen und der wirklichen - der Text ist geschrieben in den Wochen vor Kriegsbeginn. So souverän ist Greene, dass er dann sogar einen Film besprechen kann, an dem er selber mitgewirkt hat, "Twenty-one Days": "Ich wünschte, ich könnte die Geschichte hinter der Geschichte dieses Films erzählen. Fürs erste lassen Sie einen in jeder Hinsicht Schuldigen auf der Anklagebank stehen, schwörend, dass er es nie, nie wieder tun wird ..."

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