Süddeutsche Zeitung

Zukunftsmusik:Ein weites Feld

Das Pfingstfestival "Look into the Future" im Kloster Raitenhaslach bringt unter Leitung der Brüder Kreusch Kunst- und Musikströmungen verschiedener Genres zusammen

Von Oliver Hochkeppel

Immer mehr Stimmen halten inzwischen die Kunst für die letzte Brandmauer vor der völligen Entsolidarisierung, Ökonomisierung und Polarisierung der Gesellschaft. Diese Wirkung wird sich freilich nur aus interdisziplinären und ganzheitlichen Ansatz entfalten können. Genau in diese Richtung geht jedenfalls das im vergangenen Jahr aus der Taufe gehobene Pfingstfestival "Look into the Future" im Kloster Raitenhaslach ganz in der Nähe von Burghausen.

Die Brüder und künstlerischen Leiter Johannes Tonio und Cornelius Claudio Kreusch - der eine klassischer Gitarrist, der andere Jazzpianist - versuchen hier, aktuelle Kunst- und Musikströmungen verschiedener Genres zusammen, in einen Austausch und näher ans Publikum zu bringen. Letzteres unter anderem dadurch, dass nach fast jeder Veranstaltung gleich im Anschluss eine offene Podiumsdiskussion mit den Künstlern stattfindet, moderiert vom Journalisten und Elbphilharmonie-Pressechef Tom R. Schulz.

"Transcending" hieß das Motto im vergangenen Jahr, heuer nun, bei der zweiten Auflage, steht alles unter dem Signet "Modern Times - This has a Beat". Der Aufmarsch der Stars ist dabei beachtlich. Zum Auftakt wird nachgeholt, was wegen Erkrankung im vergangenen Jahr ausfiel: Giora Feidman, der König des Klezmer, trifft auf Johannes Tonio Kreusch und spannt mit ihm einen Bogen von jiddischen Liedern über Franz Schubert bis zu Astor Piazzolla. Weltmusik im ureigensten Sinne repräsentiert auch der Oud-Virtuose Rabih Abou-Khalil, viele Jahre einer der Bestseller im erweiterten Jazz-Genre, der am Samstag mit seinem bewährten Trio mit dem Akkordeonisten Luciano Biondini und dem Perkussionisten Jarrod Cagwin auftritt.

Am Sonntag folgt Marilyn Mazur, die dem Schlagzeug und der Perkussion so früh und so konsequent wie keine stiloffene Wege eröffnet hat, ob an der Seite von Miles Davis, Jan Garbarek, Nils Petter Molvaer oder hier von Gastgeber Cornelius Claudio Kreusch. Schließlich erwartet einen auch noch Ralph Towner, solo wie mit seiner Band Oregon ein "richtiger" Jazzer, der aber als klassischer Gitarrist anfing und bis heute auf der akustischen Klassikgitarre spielt.

Wird dort schon jeweils für sich der Bogen zwischen den Sparten und zwischen Tradition und Moderne geschlagen, fächert sich dies im Rahmenprogramm noch viel weiter auf. Bei der Skulpturenausstellung des Bildhauers Heiko Börner im Gewölbesaal etwa, bei einem Vortrag des Musikphilosophen Rolf Basten, beim abschließenden Lizst-Orgelkonzert von Bernhard Ruchti in der Pfarrkirche Sankt Jakob (auch das "with a beat"), nicht zuletzt aber auch bei zwei spannenden, in Burghausen jeweils uraufgeführten Stummfilm-Vertonungen im wunderschönen alten Anker-Filmtheater. Wobei es eigentlich drei sind, denn Gitarrist Werner Küspert hat sich - zusammen mit seinen Begleitern, den Münchner Jazz-Cracks Till Martin, Henning Sieverts und Bastian Jütte - neben Walter Ruttmanns Klassiker "Berlin - Sinfonie einer Großstadt" von 1927 auch noch das kleine Georges Méliès-Frühwerk "Voyage dans la Lune" vorgenommen. Und Lukas Ligeti, Sohn des berühmten György Ligeti und inzwischen selbst Komponist Neuer Musik, kleidet Fritz Langs Monumentalwerk "Metropolis" in neue Klänge. Fehlen bei dem Motto eigentlich nur noch Charly Chaplins "Modern Times".

Look into the Future II, Fr. bis Mo., 7. bis 10. Juni, Kloster Raitenhaslach, Burghausen

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SZ vom 07.06.2019
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