Zukunft des Wohnens:Denkende Möbel

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Wenn die Haushaltsroboter den Unterschied zwischen Frisuren und Fusseln lernen müssen: Das Berliner Festival "Housing the Human" untersucht, was zu Hause auf uns zukommt, wenn die Möbel endlich anfangen zu denken.

Von Peter Richter

Ein Haushaltsroboter habe die Haare einer Südkoreanerin "aufgegessen", wurde vor ein paar Jahren gemeldet. Die Frau hatte auf ihrer Bodenmatte geschlafen, und den Unterschied zwischen Fusseln, die weg müssen, und Frisuren, die bleiben sollen, den hatte dem Staubsauger noch keiner beigebracht. Dass Haushaltsgegenstände, wenn sie autonom werden, wie jedes Kind erst einmal lernen müssen, ihre Umgebung zu lesen: Das ist nun das Thema von "Homeschool", einem sehr heiteren Film, den die Designerin Simone Niquille seit gestern und heute noch bei dem Festival "Housing the Human" im Berliner Radialsystem zeigt. Der künstlerische Leiter Freo Majer ist derselbe, den man in Berlin vom "Forecast"-Festival kennt, und hier wie dort besteht das Prinzip darin, dass junge Designer, Architekten, Künstler unter der Ägide von namhaften Mentoren ihre Prototypen erarbeiten. Und hier könnte man das Thema nun als spielerischen Blick in eine Zukunft des Wohnens bezeichnen, die bereits dabei ist anzubrechen. Das Schöne ist, dass sich das weder in stumpfsinniger Neophilie (Das "Smarthome" kommt eh, also sind wir vorsichtshalber begeistert) noch in Dystopismus erschöpft. Stattdessen betont eine Installation mit dem Titel "Home is where the Droids are", dass das ja auch eine durchaus unterhaltsame Seite haben wird, wenn die Möbel demnächst ein Eigenleben entwickeln, allerdings eine, die man natürlich bisher vor allem aus der Gruselliteratur kennt. "Cloud Housing" beschreibt ein Wohnen per App und chinesischem Punktesystem für das stilistische Wohlverhalten in den dann eben nicht mehr wirklich eigenen vier Wänden. Es gibt Tanzperformances zu den räumlichen Konsequenzen polyamouröser Beziehungsgefüge. Vor allem gibt es Mae-Ling Lokko, eine Architektin und Materialforscherin, die an Pilzkulturen forscht, mit denen sich innerhalb von nur fünf Tagen Schalen, Stühle, ganze Wände in jeder gewünschten Ornamentik herstellen lassen - und zwar einzig durch die Ernährung der Pilzkulturen mit Essensresten. Selten waren die Worte Biotonne und Recycling so ein modernistisches Stilversprechen; und noch nie war "in die Pilze gehen" ein so buchstäbliches Vergnügen wie hier.

© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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