Zubin Mehtas Autobiografie:Passable Ouvertüre

Eigentlich wollte er nie eine Biografie über sich lesen müssen. Rechtzeitig vor seinem 70. Geburtstag hat sich Stardirigent Zubin Mehta doch überreden lassen - und seine Erinnerungen diktiert. Das Buch bietet amüsant Anekdotisches, doch wenig tiefere Einblicke.

Oliver Das Gupta

Jahrelang klopften etliche Verlagshäuser an - vergeblich. Der Maestro wiegelte immer ab. Zubin Mehta hatte einfach kein Interesse daran, dass ein Buch über sein Leben verfasst wird, schließlich gehöre "intensive Rückschau keineswegs zu meinen Lieblingsbeschäftigungen".

Dass die Erinnerungen mit Titel "Die Partitur meines Lebens" pünktlich zum 70. Geburtstages des - neben dem Sitarspieler Ravi Shankar - berühmtesten indischen Musikers doch erscheinen, grenzt also an ein kleines Wunder.

Zu verdanken ist es Renate Gräfin Matuschka, die den Dirigenten vermutlich weniger durch den Verweis auf ihre Biographie der Creme-Spezialistin Uschi Glas, als durch beharrliche Überzeugungsarbeit umstimmte.

Auf 288 Seiten trägt Matuschka also das zusammen, was ihr Mehta über seine sieben Lebensjahrzehnte erzählt hat. Über den Klassik-fanatischen Vater, die Wiener Lehrjahre, inklusive der Studentenfolklore vom abgebrannten Studenten, schließlich die Erfahrungen und Triumphe mit "seinen" Orchestern, von Montreal bis München.

US-Präsident Nixon räumte Saal für übenden Mehta

Das Buch schildert erwartungsgemäß die Begegnungen mit zahlreichen Prominenten: Yehudi Menuhin, den er als erstmals Teenager in Indien traf oder dem legendären Bruno Walter, der mit unbekannten Nachwuchs-Dirigenten die Partitur von Mahlers 1. durchging, aber auch US-Präsident Nixon, der eine Rede in einen anderen Saal verlegte - damit der Maestro ungestört üben konnte.

Passable Ouvertüre

Leider bleiben viele dieser Schilderungen nur bruchstückhaft, seine Teilhabe an der Krönung des Schahs handelt er beispielsweise in einem Halbsatz ab. Zu gerne möchte man wissen, was er en Detail meint, wenn er von den "vielen Tricks", dem "Klinkenputzen" und "Antichambrieren" der frühen, mittellosen Jahre spricht.

Anderes lässt das Buch unerwähnt: Mehta weigerte sich vor Potentaten wie Pinochet und in Ländern mit Unrechts-Regimen wie dem Apartheits-Südafrika zu dirigieren. Sein Engagement gegen den Vietnamkrieg wird wenigstens durch ein schönes Foto illustriert, das auf einem Protestkonzert in Kalifornien aufgenommen wurde.

Auch die Studentenzeit, in der er sich laut Daniel Barenboim mit seinem Freund schon mal um "ein Mädchen" stritt, wird recht sachlich und kurz beschrieben.

Als Mehta "Moshe Cohen" war

Großen Raum nimmt allerdings Mehtas Verhältnis zu Israel ein, die schönsten Anekdoten des Buches haben bezeichnenderweise einen Konnex zum Heiligen Land.

So berichtet Mehta nicht ohne Stolz, wie er während des Sechs-Tage-Krieges Hals über Kopf ein Festival in Puerto Rico verlässt, um nach Israel zu gelangen. Dabei nimmt er nicht nur in Kauf, illegal in Italien Station zu machen, sondern mit einem Frachtflugzeug ins Heilige Land zu fliegen - voll beladen mit Munition.

Amüsant ist die Schilderung, wie sein Freund Daniel Barenboim nach jüdischem Ritus heiratet und er sich auf die Hochzeit schmuggelt - als "Moshe Cohen".

Passable Ouvertüre

Oder: Wie er in Jerusalem eines Morgens aufwacht, das schief hängende Bild über seinem Bett bemerkt, es gerade rutschen will. Und dabei feststellt, dass über Nacht ein Einschussloch hineingekommen ist.

Es ist Mehta zugute zu halten, dass er an manchen Stellen des Buches vom plaudernden Ton in einen emotionalen wechselt, und zwar dann, wenn es unangenehm wird: Als er eingesteht, nicht genug Zeit für seine Kinder gehabt zu haben. und seine Ehefrau betrogen zu haben, dürfte ihm schwer gefallen sein.

Immer nur "der Inder"

Wie schwierig es war, dass er, seitdem er mit 18 Jahren Bombay verließ, immer nur "der Inder" ist, der noch heute überall ein Visum benötigt, erwähnt er leider nur am Rand.

Es wäre interessant gewesen zu erfahren, welchen Ressentiments er beispielsweise in Wien ausgesetzt war, in das er nur neun Jahre nach Hitlers Tod zog.

Hoffentlich folgt der Autobiografie bald eine zweite, eine echte Biografie. Eine, die auch berichtet, was es für schmerzhafte Konsequenzen für einen Musiker haben kann, wenn Mehta ihn auf dem Kieker hat.

Die "Partitur" ist eine nette Ouvertüre, doch auf das Hauptwerk wartet man noch.

Zubin Mehta mit Renate Gräfin Matuschka: Die Partitur meines Lebens. Erinnerungen. Erschienen bei Droemer/Knaur, 288 Seiten, Preis: 22,90 Euro

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