"Zoomania" im Kino:Nenn' mich nicht süß

Zoomania im Kino

Cop Judy möchte ernst genommen werden.

(Foto: AP)

Die Gesellschaft der tierischen Metropole Zootopia ist nicht mehr getrennt in Raubtiere und Beutetiere. Dafür gibt es ganz menschliche Probleme: Rassismus und Sexismus.

Filmkritik von Anke Sterneborg

Judy Hopps lebt in einer perfekten Welt, in der jeder alles werden kann und niemand Angst haben muss, gefressen zu werden. Soweit die Theorie. Nur ist Judy ein zierliches Hasenmädchen, und in ihrem Traumberuf bei der Polizei hat sie einige Mühe, von monströsen Nashörnern, Büffeln und Bären ernst genommen zu werden.

Warum, fragen sich ihre besorgten Haseneltern auf dem Land, kann sie nicht einfach am heimischen Möhrenstand arbeiten? Sie soll doch sowieso dauernd die schwierigen Fälle den großen Tieren überlassen und selbst harmlose Parkknöllchen ausstellen. So ist das Leben als Hasenpolizistin in "Zootopia", einer ausschließlich von animiertem Viehzeug bevölkerten Metropole.

Sexismus und Rassismus statt fressen und gefressen werden

Die alte Dualität von Raubtier und Beute ist in diesem Film passé - geblieben sind sehr menschliche Probleme wie Sexismus und Rassismus. Auch in der schönen neuen Welt der Tiere von Zootopia herrschen Vorurteile und Diskriminierung.

Nehmen wir den Fuchs Nick Wilde (im Original liebenswert schlitzohrig von Jason Bateman gesprochen), dem gar nichts anderes übrig bleibt als sich mit halb kriminellen Betrügereien durchzuschlagen, weil ihm sowieso niemand etwas anderes zutraut. Solche Geschichten gibt es auch in Compton und in Kreuzberg.

Byron Howard und Rich Moore, die bereits in "Rapunzel - Neu verföhnt" und "Ralph reicht's" klassische Disney-Motive gewitzt neu interpretiert haben, schicken Fuchs und Hase gemeinsam auf große Mission. Denn in Zootopia werden immer mehr Raubtiere als vermisst gemeldet. Polizei und Bürgermeister stehen vor einem Rätsel, in der Bevölkerung heizt sich die Stimmung auf, zwischen berechtigter Angst und übersteigerter Paranoia. Es drohen sich gefährliche tierische Lynchmobs zu formieren.

Polarkiez, Nager-Hood - Zootopia ist ein Schmelztiegel der Arten

Judy Hopps hat 48 Stunden, um sich zu beweisen und den Fall zu lösen, den Fuchs macht sie zu ihrem unfreiwilligen Verbündeten. Aus dem subversiven Buddy Movie über zwei natürliche Feinde entwickelt sich ein rasantes Action-Movie, das mit einer enormen Fülle an Wortwitz, Bildgags und Hommagen an Filmklassiker wie "Der Pate" oder "48 Stunden" gespickt ist.

Zugleich strotzt die Fabel mit einem dichten Gewebe aus Analogien zur Menschenwelt, die sich auf den volatilen amerikanischen Schmelztiegel der Kulturen ebenso anwenden lassen wie auf europäische Verhältnisse mit Quotendiskussionen und Flüchtlingskrise.

Sechs Jahre Arbeit tragen leckere Früchte

Zwischen Polarkiez, Saharaviertel und Miniaturnager-Hood gibt es so viele liebevoll gestaltete Details zu entdecken, dass man den Film am besten mehrmals sehen sollte. Echtes Kultpotenzial hat eine Szene in der Kraftfahrzeugzulassungsstelle, in der das quirlige Hasenmädchen bei ihren Ermittlungen auf zeitlupenlangsame Faultier-Bürokraten trifft: "Wie jetzt? Nur weil er ein Faultier ist, kann er nicht schnell sein?", entrüstet sich der Fuchs und grätscht der zur Eile drängenden Polizistin mit einem Witz dazwischen. Bevor der nicht verarbeitet ist, kann das Nummernschild aber auch nicht gecheckt werden: Ha. Ha. Ha.

Und dann stellt Judy erst mal klar, dass nur ein Hase sie süß nennen darf. Es hat sich also gelohnt, dass bei Disney sechs Jahre lang mit mehr als 350 Mitarbeitern an allen Details des Plots, der Figuren, der Stimmen (im Original unter anderem Idris Elba als Polizeichef-Büffel, Shakira als Popstar-Gazelle und J. K. Simmons als Bürgermeisterlöwe), der Dialoge und der Ausstattung gefeilt wurde.

Zootopia, USA 2015 - Regie: Byron Howard, Rich Moore. Drehbuch: Jared Bush, Phil Johnston. Musik: Michael Giacchino. Art Direction: Matthias Lechner. In der Originalversion mit den Stimmen von Ginnifer Goodwin, Jason Bateman, J.K.Simmons, Idris Elba, Shakira. Verleih: Disney, 108 Minuten.

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