Süddeutsche Zeitung

Zombie-Buch "A Brain is for Eating":Kleine Monster

Die Kulturindustrie befindet sich im Zombie-Wahn. Alles wird zum wandelnden Untoten gemacht, egal ob im Kino, Comic oder in der Literatur. Mit "A Brain is for Eating" hat es nun den unschuldigsten Bereich erwischt: die Kinderbücher.

Von Johannes Spengler

Wir sind umgeben von Zombies. Ständig werden neue Produkte rund um die Untoten auf den Markt geworfen, egal ob Filme, Serien, Bücher oder Comics. Schwer zu sagen, wann das alles angefangen hat. Vielleicht war es die US-Serie The Walking Dead, die den Trend gesetzt hat. Mit "A Brain is for Eating" hat es nun allerdings den unschuldigsten Bereich der Kulturindustrie erwischt: die Kinderbücher.

"A Brain is for Eating" (deutsch: "Gehirn ist zum Essen da") erklärt, was untote Kinder alles wissen müssen, um in einer postapokalyptischen Welt zu überleben. Dan Jacobs, der zusammen mit seiner Frau Amelia die Geschichte entworfen hat, erinnert sich, wie die Idee für das Buch entstanden ist. "Auf einer Reise sahen wir eine Gruppe von Schulkindern. Sie waren in der Überzahl und wir überlegten, wie es wäre, wenn die Kinder plötzlich die Erwachsenen angreifen würden. Eine Vorstellung, die vielen Lehrern bestimmt Albträume bereitet."

In den Mühlen der Zombie-Industrie

Im Buch spielt das Autorenpaar diese Vorstellung durch. Was dabei herausgekommen ist, lässt sich schnell erklären. Traditionell haben Kinderbücher die Aufgabe zu veranschaulichen, wie man sich richtig benimmt. Teilen ist wichtig, Sport hält fit, Süßigkeiten sind schlecht, Obst ist gut.

"A Brain is for Eating" kopiert diese Themen und übersetzt sie auf den Alltag eines heranwachsenden Zombies. Teilen ist immer noch wichtig - wie sonst soll der beinlose Freund an sein Essen kommen - und für die Menschenjagd sollte man besser fit sein. Obst (Gehirn) ist gut und Süßigkeiten (Knochenmark und Fettgewebe) sind immer noch schlecht. Ach ja, und immer gut auf den Kopf aufpassen!

Ist das Ganze originell? Na ja, ein bisschen. Vor allem ist dieses "Kinderbuch", das sich aufgrund der Gewalt natürlich eher an Erwachsene richtet, aber ein schamloser Trittbrettfahrer, der auch ein Stück vom Zombiekuchen abhaben will. Ein verdammt sympathischer allerdings. Das liegt nicht so sehr an dem Szenario, an der satirischen Vermischung von Kinderbüchern und Zombies, als vielmehr an den lebendigen Illustrationen und den scharfzüngigen Reimen, die sich unter den Bildern befinden.

Zwischen "Oh, sind die süß" und Horror

Für die Illustrationen konnten Dan und Amelia Jacobs den Zeichner Scott Brundage gewinnen, der normalerweise für amerikanische Magazine wie Scientific America oder The Wall Street Journal arbeitet. Seine Illustrationen machen den Charme von "A Brain is for Eating" aus. "Durch Scott hat die Geschichte eine neue Art von Humor bekommen. Ohne ihn wäre das Buch viel blutiger und ekelhafter geworden, als es jetzt ist", erklärt Jacobs.

Tatsächlich bewegen sich die Illustrationen auf einem schmalen Grat. "Es war nicht einfach, die richtige Mischung zu finden von niedlich und furchterregend, verspielt und makaber, gruselig und kultig", sagt Jacobs. Letztlich ist es gerade dieses Gleichgewicht zwischen "Oh, sind die süß" und Horror, das die Illustrationen so sehenswert macht. Da ist die blutrünstige Gewaltdarstellung auf der einen Seite, auf der anderen sind die gut gelaunten, rotzfrechen Zombiekinder.

Kickstart für die Apokalypse

Vielleicht erklärt sich der Erfolg des Buches vor diesem Hintergrund. Immerhin wurde das Projekt durch die Crowdfunding-Plattform Kickstarter.com innerhalb von nur einem Monat finanziert. Oder es lag an der klugen Einbindung des Publikums. Die Kinder der Unterstützer erscheinen nämlich als Figuren im Buch, frei nach dem Motto: "Schau mal, so würdest du aussehen, wenn du ein Zombie wärst."

Neu ist diese Idee nicht, ein schlauer Marketingtrick bleibt sie trotzdem. Und ganz nebenbei verdeutlicht sie, dass im Hintergrund von "A Brain is for Eating", so wie eigentlich überall, wo es um Zombies geht, eine Allegorie am Werk ist. Denn für ihre Eltern mögen die Kinder ein ständiger Grund zur Freude sein, keine Frage. Selbst wenn sie die Nase an der frisch geputzten Scheibe plattdrücken oder sich in Mülltonnen verstecken. Doch "A Brain is for Eating" spricht aus, was man sich manchmal gar nicht zu sagen traut: Dass Kinder hin und wieder auch mal richtige kleine Monster sein können.

"A Brain is for Eating" ist unter http://www.abrainisforeating.com/ als Download für Kindle und im ePub-Format erhältlich. Eine gebundene Version soll am 21. Juli erscheinen.

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