Süddeutsche Zeitung

Zigarettenqualm in Hollywood:Verkaufte Freiheit

Die Stars des klassischen Hollywood sah man oft in lässiger Pose mit Zigarette im Mund. Doch die Coolness war gekauft.

Susan Vahabzadeh

Die relativ neu anmutende Wortschöpfung Product Placement lässt vermuten, das damit bezeichnete Handeln sei in der guten alten Zeit unüblich gewesen. In Wirklichkeit hat es aber, wie so oft, nur keinen Namen dafür gegeben. Wahrscheinlich, weil keiner lang genug darüber nachgedacht hat, um sich einen einfallen zu lassen.

Das Rauchen im klassischen Hollywoodkino, das stand für Coolness, Freigeist, Eleganz. Joan Crawford hätte rauchfrei nur halb so verrucht gewirkt. Und Gary Cooper nur halb so viril. Clark Gable sah erst mit Zigarette richtig cool aus.

Bisher ging man allerdings davon aus, es habe sich dabei um den Ausdruck eines Lebensgefühls gehandelt - und nun hat eine britische Studie belegt, dass die Begeisterung auch wieder nur gespielt gewesen ist: die Coolness und die Verruchtheit nicht mehr waren als ein bezahlter Dienst an der Zigarettenindustrie. Wie ernüchternd.

Die Studie, so steht's im Guardian, belegt, dass fast 200 Hollywood-Schauspieler in den dreißiger und vierziger Jahren bei Zigarettenfirmen unter Vertrag standen. 10 000 Dollar hat 1937 beispielsweise Spencer Tracy dafür von einer Zigarettenfirma bekommen, dass er auch jenseits der Leinwand den einen oder anderen tiefen Zug nahm.

Jack Benny bot Lauren Bacall in einer Radiosendung eine Zigarette mit Hinweis auf die Marke an, King Vidor legte nahe, Rauchen sei die beste Medizin gegen die bei Regisseuren besonders verbreitete Heiserkeit, ohne drüber nachzudenken, was das über seinen Umgang mit Crew und Cast aussagen könnte. Alles gekauft: Zwei Drittel der Top-Stars haben der Studie zufolge einen solchen Vertrag gehabt.

Kaum ein anderer Film von heute hat die Mischung aus Rauch und Freigeist so zelebriert wie George Clooneys "Good Night, and Good Luck", über den Widerstand gegen McCarthy in einer amerikanischen Fernsehredaktion - der einzige Film, so Clooney, dessen Set man verlassen musste, um nicht zu rauchen.

Da wird der Mythos dann wenigstens in seiner Reflektion, im Jahrtausend darauf, zu dem, was er damals gar nicht gewesen ist; im Hollywood von heute hatte die Qualmerei wenigstens wirklich was mit Rebellion zu tun. Aber Clooneys Ruf als trinkfester Salonlöwe, der ist wieder vertraglich gedeckt: no Martini, no Party. Künftige Generationen, knallharte Abstinenzler wahrscheinlich, werden entgeistert sein.

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Quelle:
SZ vom 27./28.09.2008/sst
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