Zentrum für politische Schönheit:Kunst unter Verdacht

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Als "bedrohlichen Angriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit" bezeichnen die Unterschreiber des offenen Briefes die Ermittlungen gegen das ZPS. (Foto: Swen Pförtner/dpa)
  • 150 Künstler und Intellektuelle formulieren einen offenen Brief für die Kunstfreiheit.
  • Mit den Ermittlungen gegen das "Zentrum für politische Schönheit" hätte die Staatsgewalt massiv in die Grundrechte von Künstler*innen eingegriffen, heißt es.
  • Niema Movassat von Der Linken hat Strafanzeige gegen den ermittelnden Staatsanwalt Martin Zschächner gestellt.

Von Alex Rühle

Seltsame Zeiten für die Kunst sind angebrochen, wenn man daran erinnern muss, dass in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes deren Freiheit garantiert wird. 16 Monate lang, von November 2017 bis vergangenen Montag, wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Gera gegen das "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) nach § 129 StGB mit Blick auf den Verdacht der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" ermittelt. Gegen diesen "bedrohlichen Angriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit" protestieren nun circa 150 Intellektuelle und Prominente aus dem Kulturbetrieb mit einem offenen Brandbrief an die Politik, schließlich greife die Staatsgewalt mit solch einem Verfahren "massiv in die Grundrechte von Künstler*innen ein". Formuliert wurde der Brief von Shermin Langhoff, der Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Mittlerweile wurde der Text auch auf Change.org und Nachtkritik.de als offene Petition zur Kunstfreiheit veröffentlicht.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sind besonders besorgt, weil sie den Eindruck haben, mit dem Verfahren werde ein Exempel zur Kriminalisierung von Kunst statuiert. Im Telefoninterview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Langhoff, sie wundere sich, dass der Kunst- und Kulturbetrieb bisher im besten Falle verhalten darauf reagiert habe, "dass ein Kunstkollektiv auf diese Art durch den Staat kriminalisiert wird. Niemand behauptet, dass Künstler unantastbar sind, es gibt die Möglichkeit zivil- und strafrechtlicher Verfahren. Aber hier hat der Staat wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt."

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Der Paragraf 129 wird im Kampf gegen Mafiastrukturen oder netzwerkartige Zusammenschlüsse aus dem terroristischen Umfeld oder der Bandenkriminalität angewandt und ermöglicht umfassende Überwachungsmöglichkeiten. Dieser Schritt erinnert Langhoff an ihr Herkunftsland, "die Türkei, wo Minister die Kunst als ,Vorgarten des Terrorismus' bezeichnen und damit Künstler und ihre Arbeit denunzieren". Langhoff betonte, ihr Vertrauen in den Rechtsstaat sei erschüttert, wenn es jetzt möglich sei, dass "ausgerechnet in dem Bundesland Künstler zu Staatsfeinden erklärt werden, in dem die nachlässige Ermittlungsarbeit es nicht rechtzeitig verhinderte, dass eine echte ,kriminelle Vereinigung' wie der ,NSU' gefasst wird." In dem Brief wird eine offizielle Entschuldigung der politisch Verantwortlichen gefordert, eine Untersuchung der "peinlichen Politposse" sowie "eine Erklärung, dass strafrechtliche Ermittlungen, die offensichtlich den Kernbereich der Kunstfreiheit berühren, in Zukunft unterbleiben".

Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter für Die Linke, hat unterdessen Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen den ermittelnden Geraer Staatsanwalt Martin Zschächner gestellt und bei der Generalstaatsanwaltschaft Thüringen eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht.

© SZ vom 12.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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