Süddeutsche Zeitung

ZDF: Streit um Brender:Attacke nach Plan

Showdown im ZDF: Die Union bleibt geschlossen gegen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Damit dürfte er bald einen Nachfolger finden.

Hans Leyendecker

In Zeitungen und Sendern gedeihen Gerüchte in eigener Sache bestens und sind in Wahrheit doch nur umlaufendes Gerede. Das gilt auch für die jüngst kolportierte Geschichte, im Fall des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender zeichne sich in letzter Minute ein Kompromiss ab. Mitglieder des derzeit mehrheitlich konservativ besetzten ZDF-Verwaltungsrats hatten im Frühjahr klar gemacht, dass Brenders Vertrag, der am 31. März 2010 ausläuft, auf keinen Fall verlängert werde.

Dagegen hatte es geballten Protest vieler prominenter und semi-prominenter Medienschaffenden der Republik gegeben. Der Intendant des Senders, Markus Schächter, hatte einen Ausweg aus der verfahrenen Lage gesucht und auch auf Zeit gesetzt. Am kommenden Freitag soll auf einer Sitzung des Verwaltungsrats in Berlin die Entscheidung fallen.

In diesen Tagen wurde in Mainz und anderswo die Variante verbreitet, Brenders Vertrag werde nun möglicherweise doch verlängert. Nicht um fünf Jahre, sondern um ein Jahr. Gesichtswahrung für alle Beteiligten, darauf hätten sich auch die Konservativen eingelassen.

Das Gerücht führt ins Nichts. Die Konservativen im ZDF-Gremium erklären, sie wüssten von solchen Plänen nichts und würden sie auch nicht unterstützen. Egal ob der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch oder der frühere bayerische CSU-Regierungschef Edmund Stoiber - die Front gegen Brender steht. Der Intendant hat auch keinen Ein-Jahres-Plan gehabt, und Brender würde einer solchen Lösung sicherlich ebenfalls nicht zustimmen: Zwölf Monate lang eine lame duck zu sein, das würde nicht zu ihm passen.

Also wird es, wenn kein Wunder geschieht, am 27. November doch zum Showdown kommen: Schächter wird Brender vorschlagen. Die Berufung des Chefredakteurs muss dann im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat erfolgen. Es braucht dazu eine qualifizierte Mehrheit von drei Fünfteln der Stimmen der gesetzlichen Mitglieder.

Voraussichtlich werden alle neun den Konservativen zugerechneten Gremienmitglieder in geschlossener Unabhängigkeit gegen Brender stimmen und die fünf den Sozialdemokraten zugerechneten und ebenfalls in der Entscheidung unabhängigen Verwaltungsräte werden geschlossen für die Verlängerung stimmen. Damit wäre Brenders Zeit als Chefredakteur in vier Monaten faktisch zu Ende.

Der Verwaltungsrat, der sich vorwiegend mit Haushaltsfragen beschäftigt, wird dann begründen müssen, warum dem Vorschlag des Intendanten die Zustimmung verweigert wurde. Das Gremium fühlt sich in toto unter Verweis auf die Satzung zu solchen Entscheidungen berufen. Diese Begründung könnte dann, theoretisch, einem Verwaltungsgericht zur Prüfung vorgelegt werden.

Entscheidung ohne Klage

Zu klären wäre beispielsweise, ob der Verwaltungsrat überhaupt die Befugnis hat, einen Kandidaten abzulehnen, und interessant wäre es auch, einmal von Gerichts wegen feststellen zu lassen, ob das Gremium verfassungskonform zusammengesetzt ist. Verfassungsrechtler haben daran ihre Zweifel. Aber Schächter will nicht klagen. Das dauere zu lange, hat er intern erklärt, und mancher im ZDF fürchtet bei einem Streit um die Rundfunkverfassung auch einen Imageschaden für das Haus.

Andererseits: Kann der Schaden, der durch die Attacke auf den allzeit streitbereiten und bei nicht allen Mitarbeitern beliebten, aber wirklich unabhängigen Brender entstanden ist, noch größer werden?

Nach der fehlgeschlagenen Verlängerung des Vertrages würde dann die Politik hinter den Kulissen einen neuen Kandidaten aussuchen. Sinnigerweise hat, so sieht es die Politik-Arithmetik des Hauses vor, die SPD, die eigentlich Brender will, eine Art Nominierungsrecht, und der Intendant würde dann den Ersatzkandidaten vorschlagen.

Als aussichtsreichster Kandidat gilt weiterhin ZDF-Hauptstadtchef Peter Frey, auf dessen Posten dann Bettina Schausten nach Berlin folgen könnte. Nicht auszuschließen ist, dass WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn als ZDF-Chefredakteur vorgeschlagen wird, wenn er denn überhaupt will. Der ZDF-Mann Peter Hahne, der manchen Unionsleuten gefällt, weil er noch konservativer wirkt als stramme Konservative, wird voraussichtlich von dem Wechsel nicht profitieren.

Wenn alles so kommt, wäre Schächter aus Sicht einiger Medienleute angeschlagen, weil er den Gerichtsweg nicht gegangen ist, aber vermutlich hätte er dann für den Rest seiner Amtszeit bis 2012 Ruhe. Und die Politik würde möglicherweise die Chuzpe haben, auf die Staatsferne des durch Zwangsabgaben genährten öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verweisen.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2009/berr
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