Es ist noch nicht allzu lange her, da saß Thomas Gottschalk in einem schwarzen Ledersessel Marcel Reich-Ranicki gegenüber. Es ging um William Shakespeare, Friedrich Schiller, Bertolt Brecht, vor allem aber ging es um den ganzen Blödsinn, den man sich heutzutage im Fernsehen ansehen muss. Kurz zuvor hatte Reich-Ranicki öffentlichkeitswirksam den Deutschen Fernsehpreis nicht angenommen und wurde über Nacht zum obersten Fernsehkritiker des Landes.
Oh weia, da mag man gar nicht draufklicken: Die "Wetten, dass..?"-Internetadaption wannachallenge.de.
(Foto: Foto: ap)Das Gespräch über die Qualität des deutschen Fernsehens im ZDF sollte nicht enden, bevor Gottschalk die Debatte mit einem Querverweis auf das Internet abzufedern versuchte. "Wenn Du übers Fernsehen weinst, musst Du dich erschießen, wenn Du ins Internet guckst", sagte er zu Reich-Ranicki. Kennt der Moderator eigentlich die Webseite wannachallenge.de?
Kreative Einfältigkeit
Im November startete die Gottschalk-Firma Dolce Media gemeinsam mit der Bauer Digital KG, einem Tochterunternehmen des Hamburger Zeitschriften-Hauses Bauer (Alles für die Frau, Bravo), die Seite wannachallenge.de, die angeblich ein Wett-Portal im Internet sein soll.
Gesucht werden "die besten Wetten der Welt". Freiwillige sollen zeigen, was sie können, und ihre "Challenges", ihre Wette - die als Herausforderung verstanden wird - als Video auf der Seite hochladen. Finanzieren soll sich die Youtube-Attrappe über Werbung. Eingebunden werden die kurzen Spaßclips auch in die Onlineauftritte von Bauer-Titeln wie der Fernsehzeitschrift TV Movie. So hat dann jeder was davon. Fast jeder.
Denn herausgekommen ist bisher ein Angebot, das es in seiner kreativen Einfältigkeit locker mit jedem Fernsehsender aufnehmen kann. So durften bisher einige "Wetten dass..?"-Kandidaten ein neugedrehtes Video ihrer bereits im Fernsehen veranstalteten Wette hochladen.
Im sogenannten "Comedy&Nonsens"-Channel von wannachallenge tanzt ein als halbnackter Weihnachtsmann verkleidetes Talent lächelnd vor sich hin; im Kanal "Fahrzeuge&Tuning" laufen Schnipsel von "Wetten dass..?"-Kandidaten, die es bis in die chinesische Ausgabe der Samstagabendshow geschafft haben - mit original chinesischem Kommentar natürlich. Im "Tier"-Channel wird der "dümmste Hund der Welt" vorgeführt.
Ein Gewinner-Gespann?
Auch sonst erinnert die Seite stark an die Superpannenshows der RTL-Gruppe. Thomas Gottschalk ist - mit Qualität kennt er sich schließlich aus - nicht zu sehen. Er sammelt derzeit lieber an anderer Stelle Erfahrungen mit dem neuen Medium. Seit Freitag ist auf youtube.com/wirliebenkino seine wöchentliche Kinokolumne abrufbereit, die jeweils einen Tag zuvor auch im Spielfilmsender Tele 5 läuft. Den Trailer zu Gottschalk goes Youtube sollte man auf jeden Fall mal gesehen haben. Allein um sich zu vergewissern, dass eine Kinokolumne für Gottschalk offensichtlich immer noch eine ganz besondere Herausforderung darstellt.
An Dolce Media hält Familienunterhalter Gottschalk nur einen kleinen Gesellschafteranteil. Geschäftsführer ist sein Bruder Christoph Gottschalk, der auch die Idee für das Wett-Portal hatte. Das ZDF-Tochterunternehmen ZDF Enterprises, das sich um Produktion und Lizenzhandel von Senderformaten kümmert, war bis Mai 2008 mit 15 Prozent bei der "Wetten dass..?"-Produktionsgesellschaft Dolce Media beteiligt. Inzwischen wurde das Paket abgegeben.
Ohnehin dürfen die Öffentlich-Rechtlichen gemäß Rundfunkstaatsvertrag im Netz nicht alles tun. Der Draht zwischen dem ZDF und wannachallenge.de dürfte aber immer noch eng sein. Die besten Kandidaten hätten durchaus die Chance auf einen Auftritt in der deutschen oder sogar der chinesischen TV-Show, berichtet der zuständige Projektleiter bei Dolce Media, Djavid Salehi. Es schwingt offenbar die Hoffnung mit, dass "Wetten dass..?" und Web 2.0. besser zusammen passen als Reich-Ranicki und der Deutsche Fernsehpreis.
Aktuell ist eine Testphase von wannachallenge.de im Netz. Schon bald soll die Seite, auf der aktuell an die 500 Videos zu sehen sind, laut Salehi zu einem "Mitmachportal für alle" ausgebaut werden. Im Januar wird dann gemeinsam mit einer Modemarke ein Modelwettbewerb veranstaltet. Eine Expertenjury soll unter den eingesandten Beautyfilmchen die Vorauswahl treffen. Das absolute Wannachallenge-Topmodel kürt jedoch, so der Plan, die bis dahin vielleicht vorhandene Wannachallenge-Community: Web 2.0 nach allen Regeln der Kunst. Wie das Internet funktioniert, muss man den Gottschalks offenbar nicht mehr erklären. Aber werden sie dort Geld verdienen?