ZDF-Serie:Zwei Fernsehkommissare vor dem Arbeitsgericht

ZDF-Serie: Pierre Sanoussi-Bliss und Markus Böttcher bei Dreharbeiten zu 'Der Alte' vor der Dachauer Amperklinik

Pierre Sanoussi-Bliss und Markus Böttcher bei Dreharbeiten zu 'Der Alte' vor der Dachauer Amperklinik

(Foto: Toni Heigl)

Sie waren über Jahrzehnte die Gesichter der ZDF-Serie "Der Alte", dann wurden sie überraschend durch jüngere Schauspieler ersetzt. Ihre Klage dagegen wurde jetzt abgelehnt.

Von Detlef Esslinger

Die Richter haben ihm ein Kompliment gemacht, dies aber nicht in der Absicht, ihm recht zu geben; im Gegenteil. "Er gab dieser Serie durch seine darstellerische Leistung maßgeblich seine (Mit-)Prägung", so steht es im Urteil des Landesarbeitsgerichts München, "er war unbestritten über viele Jahre und zahlreiche Folgen dieser Fernsehserie eines deren tragender Gesichter."

Und genau aus diesem Grund verlor Pierre Sanoussi-Bliss diesen Prozess, ebenso wie sein Kollege Markus Böttcher den seinigen. In der ZDF-Krimireihe "Der Alte" verkörperten sie zwei Kommissare, der eine 18 Jahre und der andere 28 Jahre lang - bis zum Herbst 2014. Dann beschloss das ZDF, die zwei Männer von Anfang 50 durch jüngere Schauspieler und Figuren zu ersetzen. Geht das, einfach so? Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt versuchen sonst Krankenschwestern, IT-Programmierer und Justizangestellte ihre Jobs zu retten. Nun erhofften die zwei Fernsehschauspieler, dort doch noch Hilfe zu bekommen - vergeblich.

Denn auch die höchsten deutschen Arbeitsrichter wiesen ihre Klage nun ab. Damit stufte das Gericht die Kunstfreiheit wichtiger als den Bestandsschutz für die Darsteller ein. Das Interesse des Senders, die Serie kurzfristig fortzuentwickeln, überwiege, hieß es in der Begründung. Dazu gehörten auch Umbesetzungen. Die Schauspieler, die bei der Verhandlung in Erfurt anwesend waren, zeigten sich enttäuscht, wollten sich aber nicht äußern. Sanoussi-Bliss' Anwalt, der Hamburger Arbeitsrechtler Andreas Holtfreter, sagte: "Wir hatten gehofft, dass Schauspieler mehr Rechte bekommen."

Das ZDF gab öffentlich bekannt, der Abschied falle nicht leicht

Mit ihren Klagen in mehreren Instanzen wehrten sich Sanoussi-Bliss und Böttcher gegen das, was sie vor knapp drei Jahren erlebten: Damals im September wurden sie zu einer Besprechung in die Münchner Filmfirma eingeladen, die im Auftrag des ZDF den "Alten" produziert. Dem Münchner Merkur erzählte Sanoussi-Bliss später, in der Erwartung eines "ungezwungenen Treffens" angereist zu sein. Abgereist sind er und sein Kollege Böttcher mit der Information, dass sie im Oktober und November noch zwei Folgen drehen würden, danach aber ende ihr Engagement. Das ZDF drechselte für die Öffentlichkeit die Worte, der Abschied falle nicht leicht. Doch auch ein Klassiker wie "Der Alte" brauche "gelegentliche Veränderungen, um mit jüngeren Charakteren wieder ausreichend Stoffpotenzial für heutige Geschichten zu haben".

Nach all den Jahren wollten die beiden Schauspieler wie festangestellte Mitarbeiter der "Neuen Münchner Fernsehproduktion" behandelt werden. Die Firma war einst vom berühmten Produzenten Helmut Ringelmann gegründet worden, von ihr stammten schon "Der Kommissar" und "Derrick". Sanoussi-Bliss und Böttcher bekamen zwar stets nur Verträge für einzelne Folgen der Serie - in ihren Klagen werteten sie diese Verträge jedoch als "Kettenbefristungen". Darunter versteht man im Arbeitsrecht die immer neue Befristung eines Arbeitsvertrags. Im Fall einer Kölner Justizangestellten entschied das BAG vor fünf Jahren, eine Kettenbefristung mit 13 Zeitverträgen in elf Jahren stelle einen Rechtsmissbrauch dar. Und genau so argumentieren auch die beiden Schauspieler. Böttcher zum Beispiel verweist auf 274 befristete Verträge in seinen 28 Jahren.

"Der Alte" war ihre wichtigste Einnahmequelle

Ihre bisherigen Prozesse hatten sie aus zwei Gründen verloren. Erstens fanden Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht nicht, dass es sich um Kettenbefristungen handelte. Die Verträge folgten ja nicht unmittelbar aufeinander, sondern zwischen dem einen Dreh und dem nächsten lagen wochenlange Pausen. Und selbst wenn - in dem Fall wäre leider das Kompliment von Bedeutung, das Sanoussi-Bliss vom Landesarbeitsgericht erhielt. Als eines der "tragenden Gesichter" des "Alten" gehörte er zu jenem Kreis, den Arbeitsrechtler "programmgestaltende Mitarbeiter" nennen. Und bei denen greift der Grundgesetz-Artikel 5 zur Freiheit von Rundfunk und Kunst. Zu ihr gehört, eine Figur aus einer Serie streichen zu dürfen. Das Landesarbeitsgericht gab Sanoussi-Bliss folgende Bemerkung mit: "Er wusste von vornherein, dass er in einer Kommissarrolle nicht zwingend auch die Lebenszeitbeamtenstelle erhalten/behalten würde, die ein Kommissar im realen Leben innehat."

Für Sanoussi-Bliss und Böttcher war das Aus ein Schlag. Zeitweise drehten sie acht Folgen pro Jahr, beide kamen dadurch auf jeweils mehr als 100 000 Euro Gage; "Der Alte" war ihre wichtigste Einnahmequelle. Dass sie nach der langen Zeit ihr Aus so kurzfristig erfuhren, dürfte ein Motiv für ihre Klage gewesen sein. Der Umgang mit ihnen lässt nach Meinung von Brancheninsidern nur drei Schlüsse zu: Entweder es gab ein Zerwürfnis. Oder das ZDF und seine Produktionsfirma pflegen schlechten Stil. Oder es war eine Mischung aus beidem.

Juristisch ist derlei jedoch ohne Belang. Im Urteil auf die Klage Böttchers schrieben die Landesarbeitsrichter: Das Fehlen einer "Vorwarnzeit liegt in der Natur des befristeten Arbeitsvertrags".

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