ZDF: "heute journal":Irgendwie benebelt

Claus Kleber verhaspelt sich ungewohnt häufig, Steffen Seibert lässt es zischen: Nach der Kukident-Werbung will das ZDF "cool" sein. Nachrichten? Zweitrangig.

Stephan Seiler

Als die Kritik nach der ersten Sendung aus dem neuen Studio auch tags darauf nicht verstummen wollte, als im Internetforum immer mehr Vorwürfe wie "Effekthascherei" und "Gebührenverschwendung" einliefen, da reichte es Elmar Theveßen. Am Samstag erklärte der stellvertretende Chefredakteur des ZDF noch einmal, warum sein Sender 30 Millionen Euro für ein Nachrichtenstudio ausgegeben hat: "Wir wollen die verständlichsten Nachrichten Deutschlands produzieren", sagte er. Und im Forum schrieb er: "Wir wollen frisch, cool und auch mit einem Schuss ,spacey' daher kommen."

ZDF: "heute journal": Auch mal ein bisschen "spacey" sein, für 30 Millionen Euro: Die Moderatoren Gundula Gause und Claus Kleber im neuen virtuellen Nachrichten-Studio des ZDF.

Auch mal ein bisschen "spacey" sein, für 30 Millionen Euro: Die Moderatoren Gundula Gause und Claus Kleber im neuen virtuellen Nachrichten-Studio des ZDF.

(Foto: Foto: ap)

Mit dem Attribut "spacey" (deutsch: benebelt; gemeint war wohl etwas anderes) hatten die "heute"-Nachrichten um 19 Uhr, nach der traditionellen Kukident-Werbung, bisher eher wenig gemein. Dazu kam, dass die Sendung im Zweiten seit langem nur Zweiter ist: weniger seriös als die "Tagesschau" im Ersten, weniger modern als "RTL aktuell". Wohl auch deshalb hat das "heute journal" seit 2002 rund ein Viertel seiner Zuschauer verloren.

Es sind besonders die Jüngeren, die der stellvertretende Chefredakteur Theveßen mit dem am Freitag nach dreijähriger Bauzeit in Betrieb genommenen virtuellen "Studio N" zurück-, beziehungsweise überhaupt erstmal gewinnen will. In dem 700 Quadratmeter großen Raum sind nur die Moderatoren und ein zwölf Meter langer Nussbaumtisch echt. Alles andere wird digital ins Bild projiziert.

Mit gewohnter Lautstärke haben die Mainzer wochenlang für ihr Studio ("neues Fernsehzeitalter") geworben, unter anderem mit einer 20-seitigen Broschüre im Spiegel. Was sie dabei aber übersahen oder übersehen wollten: Das neue heute-Studio ist gar nicht so einmalig - RTL arbeitet schon seit 2004 mit 3-D-Animationen. Der Nachrichtenchef des Privatsenders, Peter Kloeppel, riet den ZDF-Kollegen sogleich, ihr neues optisches Spielzeug sparsam einzusetzen: In vielen Fällen sei es nicht sinnvoll. Gehört wurde sein Ratschlag nicht. In den ersten zwei Ausgaben der neuen heute-Sendung schienen die technischen Möglichkeiten die ZDF-Redakteure regelrecht zu verleiten, Nachrichten größer aufzublasen als sie waren.

Krümmel brennt!

So beschäftigte sich der stilvoll gekleidete Moderator Steffen Seibert im virtuellen "Erklärraum" mit einer sich drehenden 3-D-Projektion des Atomkraftwerks Krümmel, das mal hier, mal dort zu brennen begann, begleitet von Zischgeräuschen. Anderntags erklärte er an gleicher Stelle den Unterschied zwischen Mond und Erde. Der Anlass war der 40. Jahrestag der Mondlandung an diesem Montag; das musste als Aufhänger reichen. Der Erkenntnisgewinn beider Projektionen sowie ihr eigentlicher Nachrichtenwert tendierte indes gen Null.

Fast schon schwindlig sahen die Zuschauer an anderer Stelle, wie der sich ungewohnt häufig verhaspelnde Moderator Claus Kleber vier Schritte nach links ging, um eine Grafik zur Bedeutung der CSU für das Wahlergebnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu erklären. Es wirkte aber, als würde Kleber den kleinen Gang nur auf sich nehmen, um zu zeigen, dass man im neuen Studio vier Schritte nach links gehen kann. Die vom Internetportal YouTube entnommenen Bilder der Unruhen im Iran wiederum zeigte das ZDF auf einem vierfach geteilten "Splitscreen", so dass man kaum eine Aufnahme erkennen konnte. Mag sein, dass so etwas irgendwie spacey ist, der Verständlichkeit dient es nicht. Erst als Franz Zink, bieder wie immer, die Börse behandelte, kam man als Zuschauer etwas zur Ruhe.

Elmar Theveßen hat angekündigt, die Kritik des Publikums ernst zu nehmen. Die kaum lesbare weiße Schrift bei Einblendungen und die zu kleinen Wettersymbole würden korrigiert. Ansonsten aber gelte: "Ein neues Design braucht Gewöhnung. Auch ein neues Auto gefällt vielen erst nicht, ein paar Wochen später wollen es alle." Fragt sich nur, ob es hier um das Auto geht - oder um den Fahrer.

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