Süddeutsche Zeitung

Youtube-Predigerin:Hawakarakatatadedepakasata

Von Rudolf Neumaier

Paula White-Cain hat ihre Sache gut gemacht in der Zeit der Präsidentschaft, um nicht zu sagen des Prinzipats von Donald Trump. Und jetzt immer noch. Sie hat als "the spiritual adviser" gewirkt, als spirituelle Beraterin. Früher nannte man solche Personen Hofgeistliche, im katholisch geprägten Abendland waren es Männer.

Ob sie als spirituelle Beraterin eines ehemaligen Präsidenten weitermacht und ob sich Donald Trump fortan überhaupt noch spirituell beraten lassen will, wenn er sich genauso gut dem Verfassen von Memoiren oder dem Erlernen von Manieren hingeben könnte, wird sich zeigen. Braucht so ein Mann, der im Grunde seines Herzens sowieso über alles weiterherrscht, weil er dazu - Teufel noch mal - verdammt ist, braucht so einer noch eine Hofgeistliche?

Na klar, jetzt erst recht. Die Predigerin Paula White-Cain hat sich dafür gerade wieder fulminant qualifiziert: Ihr Auftritt für Trump und gegen Mächte der Finsternis war eine extrem gut geklickte Show. Mindestens neun Mal hintereinander rief sie aus, sie vernehme den Klang des Sieges, und rappte sich in eine Art Trance, bei der sie sogar ihre Muttersprache einbüßte. Sie intonierte eine beeindruckende Klangimprovisation um den Vokal A: "Hawakarakatatadedepakasata." Beeindruckend war das ja auch deshalb, weil es erahnen ließ, wie in den vergangenen vier Jahren im Weißen Haus kommuniziert wurde.

Hofgeistliche wie die wundersame Glaubensrapperin waren früher im alten Europa Stützen der Monarchie. Der seinerzeit ziemlich bedeutende Kurfürst Maximilian von Bayern hielt sich gleich mehrere Geistliche. Dabei vertraute er strammen Antilutheranern aus dem Jesuitenorden. In Adam Contzen etwa hatte er einen Priester, der ihm nicht nur seelischen Beistand als Beichtvater leistete. Vielmehr verfasste er auch eine philosophische Abhandlung, die Maximilian jederzeit herausziehen konnte, wenn Untertanen aufmüpfig wurden: Contzen begründete ausführlich, dass jeder Widerstand gegen den Monarchen unstatthaft sei, denn er sei ja von Gott eingesetzt. So würde das auch Paula White-Cain sagen, wenn auch mit einem anderen Vokabular.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2020
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