Yotam Feldmans Film "The Lab":An Palästinensern getestet

The Lab

Amos Golan aus "The Lab" mit seiner Erfindung: Einer Maschinenpistole, die sich knicken lässt.

(Foto: Gumfilms)

"The Lab" zeigt, wie Israel zum weltweit viertgrößten Waffenexporteur aufgestiegen ist. Yotam Feldman recherchiert unideologisch und mit gespielter Naivität. Der Film beeindruckt - auch weil er das Waffengeschäft beleuchtet, ohne die Moralkeule zu schwingen.

Von Thorsten Schmitz

Die Szene hat etwas von einer Fata Morgana: Eine Katze kriecht hinter einer Betonwand hervor, aber irgendwie schwebt sie in der Luft. Yotam Feldman hat einen Dokumentarfilm über Israels Waffenindustrie gedreht. "The Lab" hat er ihn genannt, das Labor, weil die Palästinensergebiete auch ein Labor seien, in dem neue Waffen getestet und dann exportiert werden können. Aber was soll die Katze in der ersten Szene?

Das Tier ist nicht echt, sondern aus Polyester. Amos Golan hat die Stoffkatze über den Gewehrlauf einer M-16 gestülpt, um Verwirrung zu stiften. Denn: "Diese Verwirrung ist genau die Sekunde Vorsprung, die wir brauchen, um den Feind zu töten."

Amos Golan steht auf einem staubigen Trainingsfeld und zieht die Katze von der von ihm erfundenen "Cornershot" - eine Waffe, mit der man um die Ecke schießen kann. Mühelos lässt sich die M-16 um 90 Grad knicken, mühelos kann man so um die Ecke schießen. Angelina Jolie war begeistert von Golans "Cornershot" - und ballert im Actionfilm "Wanted" mit der Knick-Waffe herum. Der Erfolg hat ihn selbst überrascht: "Ich frage mich auch, warum vor mir niemand auf diese beknackte Idee gekommen ist, eine Maschinenpistole zu erfinden, die sich knicken lässt." Die "beknackte" Idee hat ihm zu Reichtum verholfen, seine Waffe ist einer von Israels internationalen Verkaufsschlagern.

Geld ausgeben, um andere Menschen zu töten

In seinem faszinierenden Film, der jetzt erstmals in Deutschland auf dem Leipziger Dokumentarfilm-Festival läuft (das bis zum 3.November dauert), zeigt Yotam Feldman, wie Israel es geschafft hat, zum weltweit viertgrößten Waffenexporteur aufzusteigen. Der Erfindungsreichtum zahlt sich aus: Im vergangenen Jahr hat Israels Rüstungsindustrie Waffen und Kriegstechnologie im Wert von sieben Milliarden US-Dollar an Länder wie Angola, China, Indien und Korea verkauft.

Feldman begleitet ehemalige Armee-Offiziere wie Amos Golan und Leo Gleser, die nach ihrem Militärdienst lukrative Waffenfirmen gegründet haben. Feldman recherchiert unideologisch. Seine Fragen sind nicht in Provokationen verpackt, sondern er gibt sich (scheinbar!) neutral. Die gespielte Naivität öffnet ihm Tür und Tor.

In einer Schlüsselszene besucht Feldman die weltweit größte Waffenmesse in Paris und kommt mit einem israelischen Geschäftsmann ins Gespräch, der im Auftrag der "Israel Aerospace Industries" Raketen verkauft. Ja, sagt der Mann, wir können uns vor Aufträgen kaum retten, "alle Welt will unsere Technologie, obwohl jede Rakete hier so viel kostet wie ein Apartment in Tel Aviv". Jedes Jahr fliege er nach Paris, sagt der Israeli, "und jedes Jahr sage ich mir: Schau an, wie viele Menschen Geld dafür ausgeben, um andere Menschen zu töten. Wenn wir nur einen Teil davon investieren würden, unsere Existenz auf Erden zu verbessern, wie dann wohl unsere Welt aussehen würde?"

Werbefeldzug für die Waffenindustrie

"The Lab" zeigt, dass jede israelische Militäroperation im Gazastreifen und im Westjordanland auch ein Werbefeldzug ist für Israels Waffenindustrie. Beim Gaza-Krieg von 2008 etwa kamen elf Israelis ums Leben - und mehr als 1200 Palästinenser. Es ist dieses Missverhältnis, das anderswo aufmerksam registriert wird. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center, den Kriegen im Irak und in Afghanistan pilgern Armee-Vertreter aus aller Welt nach Israel. "Die Leute mögen es, Waffen zu kaufen, die schon getestet wurden und seit zehn, 15 Jahren erfolgreich im Einsatz sind", gibt der frühere Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser im Film zu.

Yotam Feldman trifft auch Shimon Naveh, der seinen Zynismus hinter einer hysterischen Fröhlichkeit zu verbergen sucht. Naveh ist Armee-Philosoph. Seine Aufgabe? Strategien entwickeln, wie man etwa ohne große Verluste in engen Gassen der Altstadt von Nablus kämpfen kann. Seine Idee, die auch praktiziert wurde: Die israelischen Soldaten haben Löcher in die Wohnzimmerwände der palästinensischen Bewohner gehauen und sind von Haus zu Haus vorangeschritten, ohne sich in den Gassen in Gefahr begeben zu müssen.

Naveh organisiert auch Touren für internationale Waffenkäufer durch Israel. Vor Anfragen könne er sich kaum retten: "Seit dem 11. September kauft alle Welt bei uns, weil unsere Waffen und Systems alle schon getestet sind." Getestet an Palästinensern.

Keine Moralkeule

Profitabilität und Wahnsinn von Israels Waffenindustrie liegen dicht beieinander. Feldman gelingt es, Leo Gleser auf einer Verkaufstour nach Rio de Janeiro zu begleiten. Die Spezialeinheiten der brasilianischen Bundespolizei schätzen Israels Waffen, sie setzen sie in den Favelas gegen Drogenhändler ein. An einem Abend sitzt Feldman mit Gleser bei einem Glas Caipirinha und fragt ihn, ob er keine Skrupel habe, dass die Waffen, die er verkaufe, andere Menschen töten. "Wer kümmert sich schon darum, ob ein Drogenhändler erschossen wird? Der gesellschaftliche Schaden, den er mit seinen Drogenverkäufen anrichtet, ist doch viel größer."

Das unethische Waffengeschäft beleuchtet Feldman, ohne die Moralkeule zu schwingen. Heraus kam ein Film, der sehr lange nachhallt. Was aus ihm geworden wäre, wenn er nicht die "Cornershot" erfunden hätte, fragt Feldman Amos Golan. "Natürlich" Tänzer, sagt der, "bei Martha Graham, weil ich die verehre".

Aber: "Die Welt ist nun mal nicht so. Wir kämpfen gegen Menschen, die uns aus dem Land werfen wollen. Ich möchte frei leben können in meinem Land. Ich möchte nicht noch eine Shoah."

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