Yoko-Ono-Ausstellung in London:Zen-Garten aus dem Baumarkt

Sie gilt als Auslöser des Auseinanderbrechens der Beatles. Yoko Ono, Geliebte und Muse John Lennons, wird viel gehasst. Doch wie gut sind ihre eigenen Werke? In einer Ausstellung in London wird jetzt deutlich: Manchmal gelingen der Künstlerin Pointen und Intimität. Oft aber vergibt sie diese im zweiten Anlauf.

Alexander Menden

8 Bilder

-

Quelle: SZ

1 / 8

Sie gilt als Auslöser des Auseinanderbrechens der Beatles. Yoko Ono, Geliebte und Muse John Lennons, wird viel gehasst. Doch wie gut sind ihre eigenen Werke? In einer Ausstellung in London wird jetzt deutlich: Manchmal gelingen der Künstlerin Pointen und Intimität. Oft aber vergibt sie diese im zweiten Anlauf. Von Alexander Menden.

In einer Folge der Zeichentrickserie "Die Simpsons" bringt der nette Säufer Barney eine neue Freundin mit in die Stammkneipe. Barney bestellt ein Bier, die Freundin, unschwer als Yoko Ono zu erkennen, "eine einzelne Pflaume, in Parfüm schwimmend, serviert in einem Herrenhut". Barkeeper Moe stellt beides umgehend auf die Theke. Es spricht für die Schärfe des alle Prätention durchdringenden satirischen Simpson-Blicks, dass man beim Besuch der Londoner Yoko-Ono-Retrospektive wider besseres Wissen erwartet, Pflaume, Parfüm und Hut auf einer der Plexiglas-Stelen zu entdecken, die in der Serpentine-Gallery aufgereiht stehen. Stattdessen finden sich hier Werke wie "Pointedness" (1964/66). Einer Glaskugel ist der Kommentar beigegeben: "Diese Kugel will eine feine Spitze sein, wenn sie die entfernteste Ecke des Raumes in deinem Geist erreicht".

Yoko Ono; Installation view, Yoko Ono: TO THE LIGHT; Serpentine Gallery, London (19. Juni - 9. September 2012); © 2012 Jerry Hardman-Jones

Text: SZ vom 25.06.2012/Alexander Menden

-

Quelle: SZ

2 / 8

Man übertreibt kaum, wenn man die 79-jährige Japanerin als eine der meistgehassten Figuren der Popkultur des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnet. Das hat erst einmal wenig mit ihrer künstlerischen Arbeit zu tun: Ihr Einfluss als Geliebte und Muse John Lennons wird von vielen Beatles-Fans als Auslöser des endgültigen Auseinanderbrechens der erfolgreichsten Pop-Band aller Zeiten ausgemacht. Zweifellos ist das ungerecht, obwohl Ono selbst über die Jahre mit ihren zahlreichen Spitzen gegen Paul McCartney wenig dafür getan hat, dieses Image abzustreifen. Die Beziehung zu Lennon kann man bei der Einordnung ihres Werks allerdings nicht ignorieren - allein schon, weil all die Abneigung ihrer Karriere im Zweifel mehr geschadet hat als jener der Beatles, die sich Ende der sechziger Jahre ohnehin dem Ende näherte. Es hat relativ lange gedauert, bis Onos Œuvre wieder eine eigenständige Bedeutung zuerkannt wurde: Vor zwei Jahren erhielt sie bei der Biennale in Venedig einen Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.

Yoko Ono; Installation view, Yoko Ono: TO THE LIGHT; Serpentine Gallery, London (19. Juni - 9. September 2012); © 2012 Jerry Hardman-Jones

-

Quelle: SZ

3 / 8

Dabei hatte sie in den sechziger Jahren bereits einen Ruf als bedeutende Exponentin des Fluxus, bevor sie John Lennon traf (dessen Band sie, wie sie gern betont, vorher gar nicht kannte). Dessen Vordenker George Maciunas bat sie auch, sich einen Sammelnamen für die neue, vornehmlich in New York beheimatete Avantgarde-Bewegung auszudenken. Erst nachdem sie abgelehnt hatte, weil ihrer Meinung nach aus so vielen verschiedenen Künstlern keine "Bewegung" zu machen sei, formte Maciunas selbst den Begriff "Fluxus".

Yoko Ono; Installation view, Yoko Ono: TO THE LIGHT; Serpentine Gallery, London (19. Juni - 9. September 2012); © 2012 Jerry Hardman-Jones

-

Quelle: SZ

4 / 8

Yoko Ono hat ihre Werke stets als gesellschaftspolitische Ereignisse verstanden. Ihre "Bed-Ins" mit Lennon 1969, in deren Verlauf die beiden mehrere Wochen in diversen Betten verbrachten, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren, bleibt bis heute ihr berühmtestes Projekt. Von der Aura einer maßlosen, und im Zweifel eher kontraproduktiven, Nabelschau, die diesem Happening schon damals attestiert wurde, hat es sich auch im Rückblick nicht befreit.

Yoko Ono; Installation view, Yoko Ono: TO THE LIGHT; Serpentine Gallery, London (19. Juni - 9. September 2012); © 2012 Jerry Hardman-Jones

-

Quelle: SZ

5 / 8

In der "To the Light" betitelten Londoner Schau finden sich zahlreiche Arbeiten, die von einer ähnlichen Mischung aus mutwilliger Egozentrik und Hippie-Erbaulichkeit unterfüttert sind: Da ist die Kirchentags-Ästhetik der "Wunschbäume", eingetopft vor dem Galerie-Gebäude, an die der Besucher mit Wünschen für die Zukunft beschriftete Zettel hängen sollen. Da ist das Onlineprojekt "#smilesfilm", bei dem das Publikum aufgefordert ist, im Internet lächelnde Selbstporträts hochzuladen. Und da ist "Heartbeats / Syria", das Ono eigens für die Serpentine eingerichtet hat. Der Herzschlag, der sanft die Räume durchwummert, soll nach dem Willen der Künstlerin das Gefühl vermitteln, "im Mutterleib zu sein". Ist das schon unoriginell, so wirkt die vage politische Bezugnahme auf den syrischen Bürgerkrieg im Titel aufgepfropft. Kurz, es gibt einige wirklich schlechte Kunstwerke zu erleben in "To the Light".

Yoko Ono; Smile 2010; © Yoko Ono

-

Quelle: SZ

6 / 8

Doch gibt es in der Serpentine ein paar Arbeiten, die den Besuch rechtfertigen. "Film No. 5 (Smile)" von 1968 ist eine von sieben Filmarbeiten, die Ono gemeinsam mit John Lennon erstellte. Er zeigt Lennon, auf dessen Gesicht sich in Superzeitlupe ein unwiderstehliches Lächeln ausbreitet, und lebt von unbestreitbarer Intimität zwischen Künstlerin und Modell. Und die Performance "Cut Piece", die Ono seit 1964 mehrmals aufgeführt hat, ist nicht nur wegen des unverkennbaren Einflusses interessant, den ihre Ästhetik auf Selbstverletzungs-Künstler wie Marina Abramovic gehabt hat. Die Wahrnehmung verändert sich auch mit der biografischen Entwicklung. In der ersten Filmfassung sitzt die junge Ono auf dem Boden, während Menschen aus dem Publikum mit einer Schere Stücke aus ihrem Kleid herausschneiden. Der vage Eindruck sexueller Gewalt, den diese Version erweckt, fehlt in der zweiten hier gezeigten von 2003 völlig: die gealterte Yoko Ono hat etwas Stählernes im Blick, und die Zerstörung ihres Kleides scheint vor allem Symbol ihres Verhältnisses zu einer großenteils feindlichen Öffentlichkeit geworden zu sein.

Yoko Ono; Smile Film No. 5; 1968; © Yoko Ono

-

Quelle: SZ

7 / 8

Die Arbeit, die Stärken und Schwächen von Yoko Onos vielleicht am augenfälligsten in sich vereint, heißt "Amaze" (1971/2012). Sie vermittelt mit sehr japanischem Sinn für minimalistische Ästhetik eine Botschaft von höchst zweifelhafter Tiefgründigkeit. Erstmals 1971 gemeinsam mit George Maciunas errichtet, besteht "Amaze" aus Plexiglas-Scheiben, die sich zu einem Labyrinth zusammenfügen. Gerade die Durchsichtigkeit der Wände erschwert die Navigation durch diesen Irrgarten. Immer wieder stößt und eckt man an. Das ist, im bestmöglichen Sinne, ein ebenso amüsantes wie verunsicherndes Kunsterlebnis im Format eines Kirmesvergnügens - bis man den Mittelpunkt des Labyrinths erreicht. In der Version, die Maciunas vor 41 Jahren mitgestaltete, wartete hier eine Toilette, was zumindest eine Pointe von mild Duchamp'schem Witz darstellt.

Yoko Ono; AMAZE, 1971; Installation View, "This Is Not Here"; Everson Museum, Syracuse, NY, 1971; Photo by Iain Macmillan; © Yoko Ono

-

Quelle: SZ

8 / 8

Im für die Serpentine gebauten "Amaze" hingegen stößt man am Ende auf ein Wasserbehältnis, in dem sich die Saaldecke spiegelt: ein Statement von dem gefühlten spirituellen Tiefgang eines Zen-Gartens aus dem Heimwerkermarkt. Wie so oft in Yoko Onos Kunst verläppert das nicht uninteressante Konzept in der Antiklimax einer Bedeutsamkeit, die schiere Behauptung bleibt.

"Yoko Ono: To the Light" in der Serpentine Gallery London, bis 9. September. Info: www.serpentinegallery.org, Katalog 20 Pfund.

Yoko Ono; Installation view, Yoko Ono: TO THE LIGHT; Serpentine Gallery, London (19. Juni - 9. September 2012); © 2012 Jerry Hardman-Jones

© SZ vom 25.06.2012/mahu
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: