Xavier Naidoo in München:Die Widrigkeiten

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Der wegen antisemitischer Anspielungen in seinen Texten umstrittene Sänger Xavier Naidoo liefert in der Münchner Olympiahalle die familienfreundliche Version seines Werks.

Von Stefan Sommer, München

Also spricht er: "Achtung! Heiß und fettig!", und siehe, das wogende Menschenmeer teilt sich. Durch den schmalen Pfad, den seine Hände in das Gedränge dirigieren, schreitet er, umschart von einer Bodyguard-Gefolgschaft, auf die Bühne zu. Gewandet in einer Funktionsjacke, einer Schiebermütze und seiner typischen, schwarzgetönten Sonnenbrille, begrüßt der Mannheimer Popsänger Xavier Naidoo seine Fans in der Olympiahalle auf der "Hin und weg"-Tour - einer zweistündigen Revue seiner Hits aus 25 Bühnenjahren. Im Vorfeld hatte das "Linke Bündnis gegen Antisemitismus München" zum Boykott des Konzerts aufgerufen und eine Kundgebung vor der Halle organisiert.

Denn Xavier Naidoo ist nicht unumstritten. Auch in anderen Städten sieht sich der Sänger aktuell mit Protesten konfrontiert. Grund dafür sind Textzeilen wie: "Baron Totschild gibt den Ton an und er scheißt auf euch Gockel" aus seinem Song "Raus aus dem Reichstag" von 2009 oder "Muslime tragen den neuen Judenstern, alles Terroristen, wir hab'n sie nicht mehr gern" aus dem Söhne Mannheims-Stück "Nie mehr Krieg" von 2015. Kritiker sehen darin die Reproduktion antisemitischer Stereotypen und eine Relativierung der Shoa. "Die Verwendung einer codierten Ausdrucksweise, die sich leicht als antisemitisch verstehen lässt, vergiftet unsere Sprache und unsere Gesellschaft", hatte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, über den Sänger getwittert, nachdem das Landgericht Regensburg 2018 einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung untersagte, ihn als Antisemiten zu bezeichnen.

Weder "Raus aus dem Reichstag" noch "Nie mehr Krieg" oder andere Wutbürgerhymnen wie "Marionetten" von 2017 kommen in der Setlist vor. In der Olympiahalle liefert der herausragende Sänger mit einer herausragenden Live-Band die familienfreundliche Version seines Werks. Es geht um die Liebe, den Glauben, darum, gemeinsam gegen die Widrigkeiten des Lebens zu bestehen. Trotzdem bekommen scheinbar harmlose Stücke heute inhaltlich plötzlich eine neue Ebene. Der Song der Fußballweltmeisterschaft 2006 etwa: "Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer. Nicht mit vielen wirst du dir einig sein, doch dieses Leben bietet so viel mehr."

© SZ vom 03.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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