Süddeutsche Zeitung

Xavier Naidoo:Er weiß, was er tut

Mal wieder hat dieser Popstar mit den "Söhnen Mannheims" herumgezündelt. Meint er, was er besingt? Wie rechts ist Xavier Naidoo wirklich?

Von Jens-Christian Rabe

Der deutsche Popstar Xavier Naidoo, gebürtiger Mannheimer mit südafrikanisch-indisch-irischen Wurzeln, hat wieder herumgezündelt. Diesmal auf dem neuen Album mit den Söhnen Mannheims und in Songs wie "Der deutsche Michel", "Neue Menschen" oder "Marionetten".

Im Prinzip läuft es darauf heraus, dass er die Volksvertreter im Bundestag, wie es rechtsradikal-populistische Sitte ist, zu Volksverrätern erklärt und krudes Verschwörungstheoretisches zum Besten gibt.

Radio Bremen hat ihm bereits die Gefolgschaft gekündigt, der Mannheimer Bürgermeister ist einigermaßen empört, mit ihm wurde für Montagabend ein Treffen mit den Musikern hinter verschlossenen Türen anberaumt, das der Klärung dienen soll. Und alle fragen sich mal wieder, wie rechts ist der Mann denn nun eigentlich? Und? Wie rechts ist er? Nun, es gibt eine - auf Youtube abrufbare - knapp zwei Jahre alte Dokumentation des Fernsehsenders Vox über Xavier Naidoo, in der die Antwort auf die Frage gibt, wer er ist.

Er kommentiert darin seine umstrittene Rede am Tag der Deutschen Einheit 2015 vor dem Bundestag auf einer Demo-Veranstaltung von rechtskonservativen bis rechtsradikalen Aktivisten, samt solchen sinistren, die sich "Reichsbürger" nennen.

Wie ein trotziges Unschuldslamm, das um Entschuldigung für nichts bittet

Er habe sich das mal ansehen wollen, so Naidoo, aber dann sei er erkannt worden, und jemand habe ihn gefragt, ob er nicht etwas sagen wolle: "Da bin ich dann natürlich hin, da war auch eine schwarze Gospelsängerin (...). Und dann habe ich mich erst recht gut gefühlt." Wenn dort eine schwarze Gospelsängerin auftrete, dann könnten das ja keine Nazis sein, habe er sich gedacht.

Aber was sind es dann für Leute? "Für mich sind das einfach Mitbürger", antwortet Naidoo, "die eine Meinung haben, die glauben, sie werden betrogen und belogen, und das Gefühl habe ich irgendwie auch." Er zieht dabei die Schultern hoch, neigt den Kopf und senkt die Mundwinkel wie ein trotziges Unschuldslamm, das um Entschuldigung für nichts bittet.

Das ist Xavier Naidoo. Schon eine gute Weile geht das inzwischen so, er verwies ja etwa darauf, dass Deutschland kein freies Land sei, weil der Zwei-plus-Vier-Vertrag im strengen Sinn ja gar kein Friedensvertrag sei.

Berühmtester Vertreter dessen, was man vielleicht paranoische kritische Vernunft nennen muss

Im Mai 2017 klingt er auch auf dem neuen Album der Söhne Mannheims weiter so, wenn er die deutschen Politiker Sachverwalter, Steigbügelhalter und Volksverräter nennt. Er ist kein Nazi und "Reichsbürger"-Meistersänger in dem Sinn, dass er Fremdenhass schürt und gegen Homosexuelle oder Juden hetzt. Aber er fühlt sich von der Politik "betrogen und belogen" und sympathisiert deshalb mit allen, die so fühlen wie er.

Weiß er, was er tut, wenn er sich als zorniger patriotischer Verschwörungstheoretiker inszeniert? Weiß er, mit wem er in einem Boot Platz nimmt? Bestimmt, er hat in der Vergangenheit libertären Bloggern - auch das ist bei Youtube dokumentiert - sogar lange Interviews gegeben. Kümmert es ihn? Offenbar leider nicht wirklich. Darauf angesprochen, verweist er auf seine Auftritte bei "Rock-gegen-rechts"-Konzerten und in Israel, und es klingt - das muss man ihm lassen - nicht unglaubwürdig. Auch den Rechten wird er ein unbequemer Komplize sein.

Als berühmtester Vertreter dessen, was man vielleicht paranoische kritische Vernunft nennen muss, dürfte er ihnen aber dennoch gerade recht kommen. Die paranoische Vernunft ist die Vernunft derer, die die neuen rechten Populisten gewinnen wollen.

Gegenüber der wohlwollenden, staatstragenden kritischen Vernunft, für die jeder aufgeklärte Skandal ein liberaldemokratischer Glücksfall ist, betrachtet die paranoische Vernunft jeden neuen Skandal nur als Spitze des Eisbergs eines laufenden Volksbetrugs. Xavier Naidoo also als bloßen Spinner abzustempeln, wie es gerne geschieht, ist zwar einerseits sehr verständlich, aber leider auch gefährlich bequem.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2017/pak
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