Wurzeln des Punk und Zukunft von Heavy Metal:Schwarze Glückseligkeit bei harten Klängen

Punk

Die Band "Death" spielte 1973 in Detroit schon die Sorte Musik, mit der die Ramones dann ein paar Jahre später den Punk begründeten. Eine Doku verhilft den schwarzen Protopunks gerade zu neuem Ruhm.

(Foto: Drafthouse Films)

Warum sollen schwarze Kids keine weiße Musik spielen? Beim AfroPunk-Festival in Brooklyn zeigten die Urväter des Punk von "Death" und drei Schuljungen eine Zukunft des Rock auf, in der sogar "Heavy Metal" tiefschwarz sein könnte.

Von Peter Richter, New York

Gerade erst am Wochenende bei dem Geheimkonzert der Dwarves im Grand Victory in Williamsburg konnte man das Phänomen wieder beobachten. Die Dwarves, muss man dazu wissen, haben früher selten ein Konzert zu Ende gespielt. Manchmal war nach ein paar Minuten schon alles gelaufen: Musik, Oralsex, Schussverletzungen, Prügelei mit Publikum und Cops.

Heute geht es bei ihnen nicht mehr unter Garantie blutig zu, aber immer noch ziemlich wüst. Die Dwarves sind die letzten Helden des sogenannten Scum Punk und halten, der Name sagt es, das Abschaumhafte an sich in hohen inszenatorischen Ehren und machen sehr artistisch Musik dazu.

Es ist also weit nach Mitternacht, der Türsteher murmelt etwas in der Richtung von: "Scheißidee, aber mir doch egal, wenn der Laden nachher Müll ist", und dann lässt er resigniert exakt 75 Leute rein, die überwiegend aussehen (oder sich zurecht gemacht haben) wie die debilen weißen Hillbillys in Tarantinos "Django Unchained".

Plus einen, der aussieht wie Django selber. Schwarz, groß, schweigsam und das eleganteste Slayer-T-Shirt, das je gesehen ward (cremefarben!).

76 steht hier deshalb, weil in dem Laden mehr Gäste polizeilich nicht erlaubt sind und man ihm wirklich keine Schwierigkeiten wünschen möchte. Anders ausgedrückt: es können vielleicht auch 150 gewesen sein. Aber darunter eben nur ein einziger Schwarzer. Das war dann der, der beim Herumtoben den allermeisten Spaß zu haben schien.

Der Wunsch nach dem Freigang in der Welt des Viervierteltakts

Warum ist das so? Warum kommt selbst in den USA auf 150 Weiße in einem Konzert mit harten Gitarren, Totenkopf-Ästhetik und fliegenden Bierbechern oft nur ein Farbiger. Oder ist das schon viel? Dabei ist ja überhaupt nicht einzusehen, warum das eine Einbahnstraße sein soll, wenn Weiße sich kontinuierlich schwarze Musik einverleiben, Jazz, Blues, Soul, Funk, Disco, Reggae, Rap, einfach alles, hörend wie machend.

Als ob das ein Käfig aus Synkopen wäre, in den man nur rein darf, aber nicht raus. Es gibt Poptheoretiker, für die der Wunsch nach Freigängen in der Welt des Viervierteltakts auch nichts anderes als Regression und Verrat sein können. Aber diesen Wunsch gibt es offensichtlich, und wozu sind Bass, Gitarren und Doppelfußmaschinen da, wenn nicht dazu, langweilige Theorien zu übertönen.

James Spooner hat davon vor Jahren in seinem Film "Afro Punk" von Jungs wie ihm selbst erzählt: von schwarzen Kids, die nicht einsehen wollten, warum sie nicht ihren Teil abbekommen sollten von diesem ästhetischen Schlaraffenland, in dem die Genüsse Drastik, Wutlust, Krassheit oder auch "Sickness" heißen. Es gibt neben dem Cool ja auch noch etwas anderes, und das kann auch ziemlich cool sein. In einer Videothek steht die Abteilung mit den Horrorfilmen ja auch allen offen.

Die entscheidende Farbe steht nicht für das Gleiche

Vor allem war der Film "Afro Punk" eine Hommage an die vielen Schwarzen, die sich von Anfang an um die Herstellung dieser Art von unfreundlichen Musiken verdient gemacht hatten: bei den Dead Kennedys, bei den Cromags und sowieso natürlich immer schon bei den Bad Brains.

Es gibt jetzt wiederum einen ganz neuen Dokumentarfilm, der im Grunde nahe legt, Punkrock generell als schwarze Musik einzusortieren. "A Band called Death" (Drafthouse Fims) handelt von einer schwarzen Band aus Detroit, die lange vor den Ramones angefangen hat, das zu tun wofür die Ramones dann berühmt wurden.

Diese fast vergessene schwarze Punkband namens Death hat mit der Metalband aus Florida, die ebenfalls Death hieß, nur insofern zu tun, als letztere ja wiederum passagenweise klingen konnte, als käme sie direkt aus einem Jazzkeller in Harlem.

So oder so ist Schwarz die entscheidende Farbe, steht aber nicht für das gleiche. Manchmal kommt es aber eben doch zusammen, das Schwarz, das eine Hautfarbe und eine spezifische Kultur der Afroamerikaner meint - und das Schwarz einer gitarrenbewehrten Romantik.

In Folge von Spooners Film etablierte sich in Brooklyn das AfroPunk-Festival, wo die Außenseiter wie Spooner oder der Slayer-Django vom Dwarves-Konzert endlich mal unter sich wären - wenn nicht inzwischen schon wieder so viele weiße Kids gucken kämen.

Eigentlich zu jung für irgendeine Art von Ruhm

Es fand gerade wieder statt, direkt unterhalb der Manhattan Bridge, und es war: herrlich. Eine Band namens Death genoss ihren neuen Spätruhm. Eine Schauspielerin namens Jada Pinkett Smith, genoss es, mal nicht nur Ruhm als Schauspielerin, Model und Ehefrau eines Hollywoodstars namens Will Smith zu genießen, sondern als Sängerin ihrer Nu-Metal-Band Wicked Wisdom.

Und dann war da eine Band, die eigentlich noch viel zu jung ist, um schon irgendeine Art von Ruhm zu haben, aber in New York trotzdem schon eine Legende ist. Diese Band heißt Unlocking The Truth: Drei schwarze Schuljungen aus Brooklyn im Alter von elf bis zwölf Jahren. Sie sind aber auch schon ewig dabei. Gegründet haben sie sich 2007 unter dem Namen Tears Of Blood. Jaha: Das klingt nach Mini Playback Show und nach gewissenlosen Eltern, die sich Jahrmarktssensationen züchten ...

Es sind aber einfach nur drei hochbegabte schwarze Kinder, die schon sehr früh begriffen haben, dass in den schnellen und aggressiven Spielarten von Heavy Metal für sie nun einmal das Glück wohnt. Beim AfroPunk-Festival in Brooklyn stiefelten sie auf die große Bühne, knarzten, Jimmy-Hendrix-Style, die Nationalhymne hin, und danach kam etwas, das wie Metallica klang, nur ohne Gesang und mit präziserem Schlagzeug.

Die Wurzeln des Punk mögen schwarz sein, die Zukunft des Heavy Metal ist es ganz sicher. So gut wie die drei heute schon sind, müssen sie eines Tages zwangsläufig zu Superstars in einer Branche werden, die als einzige neben der wesensverwandten klassischen Musik noch einigermaßen Platten verkauft. Dass der Begriff Black Metal eines Tages noch für etwas anderes stehen könnte als für geschminkte norwegische Satanisten mit manchmal etwas, naja: rassistischen Untertönen - das ist natürlich auch eine ganz hübsche Vorstellung.

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